Mit seiner Filmographie, die unter anderem “Poor Things” (2023), “The Favourite” (2018) und “The Killing of a Sacred Deer” (2017) umfasst, inszenierte Yorgos Lanthimos sich in aller Munde, auf hunderte Kinoleinwände und beteiligte sich in den letzten Jahren maßgeblich daran, die Branche zu formen und zu beeinflussen. Auch sein neuestes Projekt “Kinds of Kindness” ist bei den Kinoneuvorstellungen, auf Plakaten und in den sozialen Medien sehr präsent. Kritiker und Enthusiasten warten eifrig darauf, sich eine Meinung zu bilden.
Bei “Kinds of Kindness” handelt es sich um einen Anthologiefilm, bestehend aus drei voneinander unabhängigen Episoden. Die Mitglieder des Star Casts, Juwelen des Kinos Emma Stone, Margaret Qualley, Jesse Plemons, Willem Dafoe, Mamoudou Athie, Hunter Schafer und Hong Chau übernehmen hier jedes Mal unterschiedliche Rollen und bringen den Film unbestreitbar zum Glänzen.
Die erste Episode erzählt die Geschichte von Robert (Jesse Plemons), der sich jeden Aspekt seines Lebens, seine Kleidung, seine Ernährung, sein Sexualleben und vieles mehr, von seinem Chef Raymond (Willem Dafoe) diktieren lässt. Als dieser aber erstmals etwas fordert, was Robert ihm nicht geben will, bricht sein Vorgesetzter das verquere Verhältnis abrupt ab. Robert unternimmt zunächst Versuche sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, stellt jedoch bald fest, dass er überhaupt nicht mehr in der Lage ist, eigenständige Entscheidungen zu treffen.
Die zweite Episode dreht sich um das Verhältnis zweier befreundeter Ehepaare. Daniel (Jesse Plemons), seines Zeichens Polizist, wird zunehmend verzweifelter und verschrobener, als seine Frau Liz (Emma Stone) auf einer marinen Forschungsreise mit einem Boot verunglückt und für mehrere Monate vermisst wird. Er ist überglücklich als sie von Rettungskräften schließlich geborgen und nach Hause gebracht wird, aber bald fallen ihm kleine Unstimmigkeiten auf. Die Frau, die jetzt bei ihm wohnt, verhält sich anders, als es seine verschwundene Frau. Und ihre Füße sind plötzlich größer! Daniel zweifelt zunehmend daran, dass es sich bei der Wiedergekehrten tatsächlich um Liz handelt. Nur glaubt ihm dies niemand, auch das befreundete Paar Martha (Margaret Qualley) und Neil (Mamoudou Athie) nicht, die Daniel zunehmend wie einen Verrückten behandeln. Also muss er die Dinge selbst in die Hand nehmen und seine vermeidliche Frau auf die Probe stellen.
Die dritte und letzte Episode zeigt als zentrale Handlungsfiguren eine Sekte unter der Führung von Omi (Willem Dafoe) und Aka (Hong Chau). Emily (Emma Stone) ist als Abgesandte jener Sekte auf der Suche nach einer jungen Frau, die angebliche Tote wieder zum Leben erwecken kann. Als sie jedoch aufgrund eines Regelverstoßes in Ungnade fällt, droht ihr einziger Lebenszweck sich aufzulösen. Es bleibt ihr nur, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, die Erlöserin auf eigene Faust zu suchen und so den Weg zurück in den Schoß ihrer Sektenfamilie zu finden.
“Kinds of Kindness” trägt ganz klar die Handschrift seines Regisseurs. Die Farbgebung, der Soundtrack und die Handlung sind sehr charakteristisch und decken sich in ihrer Ästhetik mit Lanthimos‘ frühen Filmen. Die Art wie der Cast seine Rollen verkörpern ist sehr speziell, statisch, entweder sehr reduziert oder stark überzogen, fast wie in einem Theaterstück. Sämtliche Stars operieren wie in einem komplexen, gut geölten Uhrwerk und fügen sich nahtlos in Lanthimos Konzept ein, was für gute, klare Regieanweisungen spricht.
Durch seinen Aufbau ist “Kinds of Kindness” mit fast drei Stunden sehr lang, und da die sehr abstrakte zweite Episode von der Handlung her tendenziell am schwächsten und am wenigsten schlüssig ist, wird das zur Mitte hin auch deutlich spürbar.
Die Episoden, auch wenn sich rein inhaltlich nicht zusammenhängen, folgen einem zentralen Thema, welches bereits im Titel angedeutet wird. Jede der Figuren muss für sich selbst entscheiden, wie weit sie bereit ist für Liebe und Zuneigung zu gehen. Sie muss für sich selbst definieren, welche Handlungen sie für den Empfang romantischer, freundschaftlicher oder geschwisterlicher Liebe noch rechtfertigen kann. Diese Thematik wird von teilweise sehr skurrilen Handlungssträngen überlagert, aber wenn man etwas tiefer gräbt, ist der rote Faden immer da.
Im ersten Moment, oder oberflächlich betrachtet, ist Lanthimos neuster Film definitiv reichlich abstrus und abstrakt, aber es steckt ein Konzept dahinter, das über die reine, ansprechende Ästhetik hinausgeht. Es ist vielleicht nicht die kontroverseste oder problematischste Thematik, aber unbestreitbar eine wichtige, die viele Menschen beschäftigt. Mit “Kinds of Kindness” scheint Yorgos Lanthimos ein wenig zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Er erinnert an einen seiner frühesten Film “Dogtooth” (2009, an die Anfänge seiner Arbeit, als er mehr Spaß daran hatte, das Absurde und Verwirrende darzustellen, als eine stringente Handlung zu erzählen.
“Kinds of Kindness” startet am 04. Juli in den deutschen Kinos