Und dann war da ja noch die neue Platte der Soulsavers. „The Light The Dead See“.
Und diesmal haben die beiden britischen Produzenten, die am Beginn unseres Jahrtausends die Remixszene bereicherten um dann auch eigene Platten mit teils hochkarätigen Gastsängern (u.a. Mike Patton) abzuliefern, einen echten Glückstreffer in der Besetzung ihres Studiomikros zu bieten. Dave Gahan. Ja, der Dave Gahan… der ruhelose, kaputte und doch immer so jung wirkende Sänger von Depeche Mode.
Und es kam zusammen was scheinbar längst zusammen sein sollte. Die Schwere und Schönheit der Soulsavers mit ihren fast schon an Gospel erinnernden Rock und Pop Melodramen und die diesmal noch tiefere Stimme des berühmtesten Überlebenden des modernen Popzirkus. Gahan wollte seine Texte schon immer selber schreiben, wurde aber bei Depeche Mode in diesem Wunsch so gut wie nie erhört. Hier durfte er und er tat es, wie man hört, geradezu überbordend. Doch um der Platte gerecht zu werden, sollte man trennen. Die Musik mit dem so passenden Organ Gahans und eben seine Texte.
Berauscht ersteres schon bei den ersten Takten des Openers „La Ribera“ mit Mundharmonika, verzerrter, verwaschener Gitarre, dem verzögert einsetzenden Klavier und vorläufig noch ohne Gahans tiefer und schmerzender Stimme, hören wir ihn im zweiten Song „In the Morning“ endlich und seine Melodiegabe, seine so dermaßen in the pocket gesungene Verzögerung, seine Hingabe tut fast schon weh, so schön ist das. Leider aber eben, leider bleiben in fast allen Songs seine Texte in einer leicht therapiert erscheinenden Belanglosigkeit stecken, einer Abfolge von Herz, Schmerz und Erlösungsformulierungen, die man schon tausendmal gehört hat, und vermutlich noch tausendmal hören wird. Da wird nichts gebrochen, nichts hinterfragt, nichts gesagt, was nicht so ziemlich jeder sagen würde.
Zum Beispiel in “The Longest Day“, wo uns kundgetan wird: „…this could be the longest day and the night has yet to come, this must be the door to take, I`ve nowhere left to run…” Nun ja, ich nenne das tranig, aber das soll es an dieser Stelle dann auch schon gewesen sein mit kritischem, denn die Musik dieser Platte ist teils von so ergreifender Schönheit und Gahans Stimme so reif wie seit Jahren nicht mehr, dass ich meine Englischkenntnisse einfach mal für die knappe Stunde vergesse. Streicher, die einen erschauern lassen wie in „Point Sur“ oder die apokalyptischen Bläser in „The Bitterman“. Das ist schon Breitwandkino aus der städtischen Entzugsklinik.
Wer also keine Angst vor Pathos hat, wer sich schon immer gewünscht hat, Depeche Mode hätten weniger Synthesizer und mehr Orchester im Studio gehabt, der krieg hier die volle Ladung. Und machen wir uns nichts vor. Gahan ist tatsächlich ein Überlebender, eine Ikone, eine fast zerstörte Blüte des nächtlichen Pop der letzten drei Dekaden. Also her mit dem schweren Rotwein, dreht die Boxen auf und leidet mit. Der Sommer wird eh wieder verregnet, wetten?
Künstler: | Soulsavers |
Titel: | The Light The Dead See |
VÖ: | bereits erschienen |
Label: | V2 Records |
Gehört von: Marcus Reinhardt