Jimmy Dixon von Django Django im Interview: „Kunst ist nicht planbar“

Trip Trip, Hurray! Django Django haben endlich wieder die Bildfläche betreten. Mit einem neuen Album, aber altbewährter Methodik. „Marble Skies“ ist der dritte Longplayer der Briten und erlaubt erneut den Eintritt in einen wahnsinnigen Upbeat-Genre-Rausch.

Bassist und Sänger Jimmy Dixon im Interview über den kaum greifbaren Augenblick, das Unordentliche im Ordentlichen und den Mythos, manche würden mit einer besonderen Gabe geboren werden.

Schon vor dem Veröffentlichungsdatum habt ihr einige neue Songs live testen können. Ist das mit viel Nervenkitzel verbunden?

Jimmy Dixon: Ja schon. Auf der Bühne sind die Songs auch noch mal ganz anders als auf Platte. Es ist so, als würde man sich selbst covern. Ich stehe dadurch leicht unter Anspannung. Ein bisschen Zeit zum Entspannen wäre jetzt nicht schlecht. Denn selbst wenn man  nur für einen Gig unterwegs ist, geht dafür auch wieder eine ganze Woche drauf. So genau müssen wir alles für den Liveautritt planen.

Da ist es sicher schwer nicht alles als einen Moment vor dem eigentlichen Moment wahrzunehmen.

Stimmt. Wir wussten schon Ende 2017 genau, wie 2018 aussehen wird. Aber das heißt nicht, dass man dank dieser Planung alles ganz bewusst in sich aufnimmt. Schon zig Konzerte sind nur so an mir vorbeigegangen und ich erinnere mich an keine Details. Gleichzeitig fühlen sich Dinge, die fünf Jahre her sind, noch so frisch an, als wären erst einige Monate vergangen. Vor Django Django war das anders. Da hatte ich nie einen Langzeitplan, geschweige denn einen für den nächsten Monat. Es war einfach den Augenblick zu genießen. Jetzt dreht sich alles darum, wie viele Gigs wir wann spielen und wie viele Tickets schon verkauft wurden.

Eurer Albumtitel „Marble Skies“ klingt dann doch etwas romantischer als eurer Bandalltag. Wie kam er zustande?

Wir haben uns schon richtig daran gewöhnt, interessante Worte und Sprüche aufzuschreiben, sobald wir sie hören. Wenn wir dann an einem neuen Album arbeiten, nutzen wir genau diese niedergeschriebenen Sachen. Sie helfen uns auch gerne dabei, uns aus dem sterilen Studio hin zu einem schöneren Ort zu transportieren. Das war jetzt ebenfalls der Fall. Wir kamen auf die Formulierung, als wir auf einem Festival in Chicago zusammen mit anderen Bands backstage herumhingen und den abendlichen Himmel bewunderten, der aussah wie wunderschöne Marmorsplitter. Es war gleich der perfekte Start für ein neues Album, das irgendwie auch das Gefühl vom Ende eines Sommers ausdrücken soll.

Wirklich sehr bildhaft.

Wir hatten auch oft schon zu allererst das Artwork, bevor wir überhaupt einen einzigen Song geschrieben hatten. Dieses Mal war es genauso. Das ist dann unser Anker beim Arbeiten. Und unsere Alben haben generell immer etwas sehr Visuelles. Wir fühlen uns im Studio häufig so, als würden wir an einem großen Gemälde sitzen. Das mag wohl daran liegen, dass wir alle Filmsoundtracks so sehr lieben. Die sind ja auch immer eine Antwort auf das Visuelle.

Das klingt alles sehr klar strukturiert. Dabei habe ich schon oft gehört, das Songschreiben sei so eine unordentliche Angelegenheit.

Auch das ist korrekt. Man verbringt manchmal allein mit einem Track drei oder vier Wochen. Dabei baut man ihn auf, bringt dann wieder alles durcheinander, singt etwas dazu, wählt danach doch eine ganz andere Melodie aus und so weiter und so fort … Es gibt einfach nie den Punkt, wo man sagt: Nach A folgt B. So kommt es auch vor, dass wir uns einen fertigen Song anhören und überhaupt keine Ahnung mehr haben, wie wir ihn zustande gebracht haben. Nichts ist reproduzierbar. Genau das wurde uns übrigens bei unserem ersten Album zum Verhängnis. Da ging plötzlich unser alter PC kaputt, wodurch wir drei Songs verloren. Der Versuch, sie erneut wie beim ersten Mal zu spielen und aufzunehmen, ging in die Hose. Wir mussten vollkommen neue Tracks daraus machen. Aber das hat ja auch was Schönes.

Also müsst ihr sehr flexibel und wandelbar sein. Wie behält man da den roten Faden bei?

Die Produktion macht eine Menge aus. Gerade auf diesem Album haben wir wirklich auf so viele unterschiedliche Genres Referenzen. Von Dancehall zum Rockabilly der 50er und beispielsweise 80er-Jahre-Synthpop. Es war schon ein Drahtseilakt, das zusammenzufügen. Doch man muss sich selbst auch vertrauen, dass man aus sich etwas entstehen lassen kann, dass als Ganzes irgendwie Sinn macht.

Wie bekommt man dieses Vertrauen?

Ganz klar: trial and error! So haben wir das schon früher gemacht. Bevor wir unsere erste Platte veröffentlichten, spielten wir uns erst mal drei bis vier Jahre durch die Gegend. Je öfter man etwas tut, desto besser wird man darin. Ich glaube, niemand ist für etwas geboren.

Da wäre ich mir nicht so sicher. Manche Sachen kann man einfach nicht erlernen.

Na da muss man dann selektiv sein. Ich werde wohl nie so wie Tommy den Synthesizer verstehen. (lacht) Wobei ich auch nicht gedacht hätte, das ich mal auf der Bühne singen werde. Ich hätte wohl auch immer nur unter der Dusche vor mich hingeträllert, wäre es nicht irgendwann notwendig geworden, mich als zweite Stimme dazu zu nehmen. Wir hatten einfach zu viele Ideen dafür. Anfangs war das Live-Singen auch sehr beängstigend für mich. Aber dann stand ich da vor Publikum und niemand verzog angewidert das Gesicht, da war es dann doch ganz okay. Man gewöhnt sich eben an alles.

Auch an diese Ungewissheit, die das Musikerleben mit sich bringt?

Naja, als ich auf der Kunsthochschule war und mit meinem Tutor über mein nächstes Projekt gesprochen habe, wusste ich immer schon genau, wo die Reise hingeht. Und vor allem, dass es bitte besser als beim letzten Mal werden sollte. Aber so läuft es nicht in der Kunst. Und so läuft es somit auch nicht in der Musik. Etwas ist nicht planbar, sondern entwickelt sich. Kunst entsteht für einen Moment. Und das mag ich so daran. Sie kann immer wieder etwas anderes sein. Man kann immer wieder andere Wege suchen, durch sie hindurch eine Verbindung zur Welt zu bekommen. Dieses ständige Verändern ist womöglich verunsichernd, verärgernd und auch zeitintensiv. Aber das ist völlig in Ordnung.

Interview und 2. Foto: Hella Wittenberg; 1. Foto: Presse

http://www.djangodjango.co.uk