Das Interview mit Schlagzeuger François Comtois und Gitarrist Eric Cannata von Young The Giant steht unter keinem guten Stern. Die Band steckt bei größter Nachmittagshitze im Stau und als sie nach langer Verspätung ankommt, sind die Jungs durch die stickige Luft mehr als müde und zudem noch höchst abgelenkt, da François Geburtstag hat und das noch nicht ausgiebig gefeiert hat. Doch in gemütlicher Hinterhof-Atmosphäre samt musikalischer Untermalung redet es sich schließlich recht entspannt über das im April erschienene Debütalbum, den einschüchternden Produzenten Joe Chiccarelli und die Zukunftspläne.
Ist es Magie, einen Popsong zu kreieren oder schlichtweg das Wissen darum, wie ein guter Popsong funktioniert?
François: Ich denke, es ist eine Mischung aus Glück und einem grundlegenden Verständnis von dem Begriff Popmusik. Solange man eine gute Struktur hat, kann da alles hineingelegt werden, woran auch immer man interessiert ist. Es ist sehr schwer zu definieren, wie man so etwas genau zu Stande bringt. Viele Leute verbringen ihr gesamtes Leben damit, nach der richtigen Formel zu suchen. Wenn man also mal einen Popsong kreiert, kann man sich sehr glücklich schätzen.
Mit eurem Debütalbum habt ihr in jedem Fall ein Glanzstück der Popmusik erschaffen.
Eric: In unseren Augen ist unser Album sehr weit von Perfektion entfernt. Wenn wir das Album genau jetzt noch einmal aufnehmen würden, wären die Songs viel besser und viel stärker.
François: Das ist die Schwierigkeit beim Musik machen. Man ist nie zufrieden und könnte immer weitermachen mit dem Hinzufügen. Der Trick ist wirklich zu wissen, wann man aufhören muss. Unserem Erachten nach haben wir an einem guten Punkt aufgehört, es weiter zu verfeinern. Sonst wäre es vielleicht zu sehr Dance oder in eine andere Richtung zu viel geworden. Zu wissen, wann man die eigene Musik los lassen muss, ist definitiv der härteste Teil.
Könnt ihr noch Gänsehaut bei euren eigenen Songs bekommen, wenn ihr sie jede Nacht auf der Bühne reproduzieren müsst?
Eric: Ja, ich denke es hat viel mit der Situation zu tun. Wenn zum Beispiel das Publikum sehr empfänglich ist, hat die Show ein ganz besonderes emotionales Gewicht für uns. Wir kennen unsere Songs so gut, dass wir sie spielen können wenn wir krank, glücklich oder schlecht gelaunt sind. Dennoch klingen sie am allerbesten, wenn wir bester Laune sind. Und wenn dies dann noch mit einem uns positiv gestimmten Publikum zusammenkommt, ist das großartig. Das sind die Nächte, an die wir uns erinnern und gemeinsam ein gutes Gefühl haben, weil wir alle diese Elektrizität gefühlt haben.
Sucht ihr oft in den Gesichtern des Publikums nach Reaktionen?
François: Das ist unterschiedlich. Ich mag es schon, in die Gesichter zu schauen, um zu sehen, wie sie reagieren. Manchmal fühle ich mich aber auch nicht so wohl und dann bin ich eher introvertiert. So ist das wahrscheinlich beim Rest der Band auch.
Eric: Eigentlich blicke ich immer ins Publikum und versuche besonders, nicht durch sie hindurch zu schauen, weil ich so etwas schrecklich finde. Manchmal schaut man dann jemanden für eine längere Zeit an und das kann sehr amüsant sein. So bekommt man auch schon mal ein Lächeln aus den Leuten heraus, aber es kommt auch vor, dass die Leute davon sehr genervt sind. Jedenfalls macht das Spaß!
Habt ihr noch immer keinen Tourbus?
François: Nein, haben wir nicht. Ich glaube, eine Menge Bands besitzen keinen Tourbus in Europa, weil es auch einfach sehr schwierig ist, damit überall hin zu kommen. Aber in den USA wäre es wirklich schön, endlich einen Tourbus zu haben, da es sich meist um ziemlich lange Fahrten handelt und das ein ums andere Mal. Glücklicherweise können wir wahrscheinlich bei unserer Herbsttour einen Tourbus unser Eigen nennen.
Eric: Juhu!
François: Es ist zwar teuer, aber wenn man so viel unterwegs ist, kann so ein kleiner, stickiger Tourbus zum Zuhause werden. Man ist ja sonst quasi obdachlos. Naja, aber wir sind schon oft in echt schönen Hotels untergebracht, es könnte also schlimmer sein.
Kann die Routine auf Tour die Inspiration zerstören?
Eric: Da es jeden Abend immer der gleiche Kram ist, kann es schon sehr mechanisch werden. Gleichzeitig ist die Möglichkeit, jeden Tag eine andere Stadt zu sehen viel inspirierender als nur zu Hause zu sein und von dort aus zu schreiben. Also komme ich jetzt mit neuen Inspirationen nach Hause, von all den interessanten Orten, wo wir so waren. Das Touren hilft in dem Sinne auch beim Songs schreiben.
François: Das ist unsere erste Headliner-Tour in Europa und damit beginnt auch jetzt erst die Entwicklung einer Routine. In den USA sind wir an alles schon ein bisschen mehr gewohnt, obwohl wir nun insgesamt in größeren Venues spielen und einen Zugang zu mehr Leuten haben. Das lässt uns mit der Monotonie brechen. Manchmal ist es schon sehr anstrengend, wenn wir jede Nacht ein Konzert geben müssen und das drei Wochen hintereinander. Dann beginnt das alles Einheitsbrei zu werden. Doch wir hoffen, dass der Rest des Jahres sehr aufregend wird.
Geht es danach direkt weiter mit der Arbeit an Album Nummer 2?
Eric: Bei unserem Debütalbum lief das so ab, dass wir zuvor kaum auf Tour waren. Also haben wir begonnen, an den Songs zu schreiben und dann tourten wir ein wenig in den USA, um die Songs live zu testen und zu verbessern. Danach gingen wir direkt ins Studio und nahmen das Album auf. Das war eine gute Variante für uns. Dieses Mal kommen wir nur sehr kurz nach Hause, aber das muss dann reichen, um einige Ideen zusammen zu bekommen. Also wir werden sehen.
Seht ihr euch auch andere Bands auf Tour an?
François: Ja, sehr oft sogar. Das ist das Großartige am Künstler Dasein, man kann sich oft Shows ansehen. Livemusik ist so interaktiv, so fantastisch. Ich benötige immer die Möglichkeit, so etwas sehen zu können, gerade auch weil es so eine große Inspiration ist.
Eric: Da wir auch einige Nebenprojekte haben, sind wir umso mehr unterwegs, gucken uns die Bands von Freunden an und so was.
Was ist der beste Ort, um Musik zu hören?
Eric: Ich höre Musik am liebsten sehr laut, wenn ich im Bett liege. Und dann R’n’B!
François: Als wir zusammengewohnt haben, konnten wir aber auch nicht immer so laut Musik hören. Ich mag jedenfalls Musik in großen, offenen Räumen, wenn man jedes Detail genau hört und in sich aufnehmen kann. Aber Musik ist auch immer ein guter Hintergrund für Sachen wie den Abwasch machen oder zum Joggen.
Eric: Ja, François und ich haben immer zur gleichen Zeit Lust auf dieselbe Musik. Zum Putzen haben wir uns oft Xzibit angemacht, als wir noch zusammen gewohnt haben. Hör dir Xzibit an und die Arbeit geht wie von selbst! Und zum Kochen höre ich sehr gern Jazz Musik. Zu jeder Situation passt eben andere Musik und ich mag auch eine ganze Menge.
Was ist der beste Ort, um an Musik zu arbeiten?
François: Wir haben uns immer gesagt, dass wir überall Musik machen können. Aber als wir dann in diesem kleinen Übungsstudio mit den weißen Wänden, grellem Licht und einem wirklich ekelerregenden Teppich waren, haben wir gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, in so einer Atmosphäre etwas zu schreiben. In dem Fall haben wir dann ein bisschen Farbe an die Wände gebracht und dazu noch Poster an die Wand geklebt. Solche Kleinigkeiten helfen erheblich. Als wir dann nach Los Angeles und in dieses große Loft gezogen sind, hatten wir plötzlich immer all unsere Instrumente um uns. Es war, als würde man jeden Morgen in einem Aufnahmestudio aufwachen, was eine konstruktive Arbeitsweise ermöglicht hat.
Verlief die Arbeit mit eurem Produzenten Joe Chiccarelli problemlos?
Eric: Wir wurden schon zu Freunden, aber gleichzeitig war er teils auch sehr streng mit uns. Da muss man schon mal Kompromisse machen. Meiner Meinung wird ein Produzent auch zu einem Bandmitglied.
François: Naja, es war unsere erste Platte und dann bekamen wir sofort diesen großen, etablierten Produzenten. Davon waren wir schon ein bisschen eingeschüchtert. Ach nein, das stimmt nicht. Ich weiß, dass wir verdammt eingeschüchtert von ihm waren und das machte es schon etwas schwierig. Zum Teil hatten wir andere Vorstellungen von einem Song, aber dann haben wir uns gedacht, dass wir keine Grammy-Gewinner sind wie er. Das klingt vielleicht lächerlich, aber das zählte für uns in diesem Moment. Mit jemanden von diesem Kaliber zu arbeiten, half uns immens und deshalb ist es auch all den Stress wert gewesen. Ohne ihn würde das Album nochmal ganz anders klingen.
Eric: Obwohl wir schon auch eine Menge allein gemacht haben. Generell hören wir aber eher weniger polierte Musik und das war auch ein Anliegen der Band für das Debüt. Wir sind nicht ganz so glücklich darüber, wie sauber und poliert es letztlich durch die Arbeit mit Joe geworden ist. Auf der anderen Seite ist es toll, dass man jedes Instrument so genau heraushören kann. Live mögen wir es jedoch aggressiver.
François: Wir hatten eher so einen Garage-artigen Sound wie The Strokes ihn machen im Kopf, als wir ins Studio gingen. Aber so klingt es auf jeden Fall eher live. Das sollte man sich also nicht entgehen lassen!
Eric: Auf eine bestimmte Art und Weise haben wir auch unseren Live-Sound mit Joe eingefangen. Schon allein, weil wir das Album live aufgenommen haben. Ich habe jedenfalls sehr viel durch die Arbeit mit Joe gelernt, ich habe zuvor auch noch nie ein Album aufnehmen dürfen. Deshalb wusste ich nicht genau, welchen Ton ich haben wollte und mein eigener Ton war noch nicht so richtig klar. Beim nächsten Album möchten wir wahrscheinlich noch mehr selbst machen.
François: Wir wissen nun wie wir klingen wollen und können das auch benennen, aber trotzdem brauchen wir noch jemanden, der das umsetzen kann, weil wir nicht über das technische Wissen verfügen. Wenn wir also jemanden bekommen könnten, der offen für unsere Ideen ist und damit arbeitet, wäre das wahrscheinlich die beste Situation für uns.
Wie habt ihr die Songs ausgesucht, die es dann letzten Endes auf das Album geschafft haben?
François: Oh Mann, wir hatten so viel mehr Songs als die, die nun auf dem Album sind! Aber da kamen einige Sachen zusammen, die die Auswahl beeinflusst haben. Sicherlich hatten das Label und auch das Management mitzureden. Sie haben alle Songs, denen sie sehr zugetan sind und die deshalb mit auf das Album mussten. Für uns gilt natürlich das Gleiche. Außerdem überlegten wir, wie lang die Platte werden sollte und versuchten, mit all diesen Ansatzpunkten ein rundes Album zu machen. Das Album ist sehr tanzbar geworden, es geschieht vieles darauf. Aber es ist eben kein großes Monument, wo es den Leuten schwer fällt, durchzuhalten. Mit dem, was aus dem Dialog zwischen dem Management, Label und uns entstanden ist, können wir schon sehr glücklich sein.
Wie ist dabei euer Albumtitel zu verstehen?
François: Als wir mit der Musik begonnen haben, hießen wir noch The Jakes und dann haben wir uns erst umbenannt in Young The Giant. Deshalb haben wir auch das Album nach der Band benannt, weil einfach sonst zu viele Namen umhergeschwirrt wären und das verwirrend sein kann. Der Name ist ziemlich mutig von uns. Und cool. (lacht)
Eric: Außerdem sind François, Payam und ich keine Originalmitglieder von The Jakes gewesen. François und ich kamen aber am gleichen Tag zur Band. Ich wollte unbedingt in der Band sein, um mal ein paar Shows zu spielen und Musik zu schreiben. Jedenfalls war es deshalb auch gut, den Namen zu ändern.
Wie könnt ihr entspannen?
Eric: Großartige Frage! Äh, mit Eiern und Käse! (lacht)
François: Wir versuchen dafür noch ein Mittel zu finden. (lacht)
Interview und Foto: Hella Wittenberg