Wir lieben Kanada. Wir lieben Künstler wie Arcade Fire oder Kevin Drew aus diesem weiten, grünen Land. Grund genug uns endlich mal ein bisschen intensiver mit diesem Land und seinen Künstlern zu beschäftigen. Den Anfang machen vier kernige Herren aus Saskatoon, Saskatchewan. The Sheepdogs sehen aus wie das Klischee eines Kanadiers. Ihre Musik ist da schon softer, so ein bisschen Wohlfühl-Rock für die Gute Laune.
Sänger Ewan Currie stand mir Rede und Antwort während sich Gitarrist Leot Hanson und Bassist Ryan Gullen in der Hotellobby herumtrieben…abgesehen von Schlagzeuger Sam Corbett, der saß mit uns zusammen und hat kein Wort gesagt.
Als ich euer Album zum ersten Mal gehört habe, wusste ich sofort, dass ich ein Interview mit euch machen will und dann habe ich erst herausgefunden, dass ihr als erste Band ohne Label auf dem Cover des Rolling Stone wart.
Ewan Currie: Du gehst den umgekehrten Weg. Wir haben einen Wettbewerb gewonnen.
Ich mag euer Album, weil es so einfach ist zuzuhören. Ich denke, man muss nicht zu viel über eure Musik nachdenken.
Manchmal reden die Menschen darüber, dass Musik eine Herausforderung ist oder etwas dergleichen, aber ich bevorzuge es, wenn sie einfach ist.
Warum?
Weil es die Musik ist, die ich mag. Ich mag Musik, die eine instinktive Reaktion produziert, etwas worüber man nicht nachdenken muss. Ich mag es, wenn man sie einfach erfahren kann – man sie direkt fühlt und dich einfach trifft, dein Herz oder deinen Kopf. Es kann einfach eine natürliche, biologische Reaktion sein. Wir haben es auf diese Art von Musik abgesehen.
Ist das auch der Grund, wieso ihr keine Texte im Booklet zur CD habt?
Ich mag es, wenn die Leute die Texte missverstehen. Ich mag ein kleines Geheimnis. Manchmal schreiben Leute die Texte online aus und es sind Fehler drin. Ich denke, dass das amüsant ist. Die Fehler sind auch interessant. Ich mag es, dass sie ihr eigenes Ding draus machen. Ein berühmtes Beispiel ist ja „Hey Jude“ von den Beatles: Paul schrieb über das eine, John dachte es sei was anderes und so weiter. Ich mag es, wenn Musik offen für Interpretationen ist.
Einer eurer Einflüsse sind die Beatles, das ist in einigen Teilen des Albums wie zum Beispiel dem Song „While We’re Young“ ziemlich offensichtlich. Ich fand es ganz interessant bei diesem Song, dass ihr am Anfang ziemlich nach den Beatles klingt, aber sobald du anfängst zu singen, sind es die Rolling Stones. Normalerweise ist man ja entweder für die eine oder andere Band – war das Absicht?
Nein, aber es ist ganz offensichtlich, dass wir beide Bands lieben. Wir verehren ältere Rockbands – ob es nun die Beatles, Rolling Stones, The Kinks, The Band oder andere sind. Der Schlüssel ist, nicht nur eine Band nachzuahmen. Das wollen wir nicht machen. Wir versuchen nicht wie die Beatles zu klingen. Wir nehmen uns von jedem Künstler ein kleines Stückchen und dann nimmst du all diese Stücke und packst sie zusammen. Das ist wie kochen. Du nimmst all diese Zutaten und mischt sie zu einem großen Eintopf. Das führt dann hoffentlich zu deinem eigenen Ding. Aber die Menschen mögen es sich etwas herauszupicken und dann zu sagen, das klingt wie T. Rex oder so.
Ich mag euren Old School Sound, er ist sehr behaglich. Er macht dein Hirn nicht kaputt.
Nein, das nicht. Es ist wie comfort food. Habt ihr das Konzept hier? In Amerika ist das so etwas wie Kartoffelpüree…
Ich glaube, das ist einfach normales Essen hier. In Deutschland lieben wir Kartoffeln und alles was daraus gemacht werden kann. [alle lachen]
Es ist einfaches, leckeres, nicht kompliziert zu kochendes Essen, das jeder mag und deine Mama für dich an verregneten Tagen kocht.
Bist du Koch? [Gelächter] Du benutzt all diese Essensbilder…
Ich mag kochen, aber aus irgendeinem Grund ist das meine Lieblingsanalogie wenn es um Musik geht. Das geht schon eine ganze Zeit so, ich weiß gar nicht wieso. Manchmal benutze ich auch Sport.
Was hat sich für euch verändert, als ihr das aktuelle Album unter einem Majorlabel aufgenommen habt?
Es war anders. Der Hauptunterschied war, dass wir das letzte Album in einem kürzerem Zeitraum aufgenommen haben. Vorher hatten wir kein Label, wir sind nicht so viel getourt wie jetzt und waren deswegen auch in der Lage uns Zeit zu lassen. Dieses Mal hatten wir einen vollen Terminplan. Wir hatten dann so zweieinhalb bis drei Wochen im Januar 2012 Zeit um wirklich ins Studio zu gehen. Davor waren wir für ein Jahr nonstop unterwegs. Da gibt es nicht viel Zeit einfach herumzusitzen. Songs zu schreiben beinhaltet, viel ruhig rum zu sitzen und Akustikgitarre oder Piano zu spielen. Davon gab es viel weniger, es gab mehr Soundchecks, Gigs, zum nächsten Konzert fahren und all das Zeug.
Ist es schwerer oder einfacher einen festen Zeitrahmen zu haben?
Es geht in beide Richtungen. Mit viel Zeit experimentierst du vielleicht und versuchst verschiedene Dinge. Aber es gibt unzählige Bands, die sich die Zeit nehmen, die sie wollen, um ein Album zu machen und das nächste was du weißt ist, dass drei Jahre vergangen sind und nichts wurde veröffentlicht. Wir versuchen so zu denken, dass wir nur eine bestimmte Menge an Zeit haben. Das zwang uns dazu, dass wir hart gearbeitet haben und konzentriert blieben. Manchmal ist es gut Strukturen zu haben. Es gibt ja verschiedenste Arten ein Album aufzunehmen. Led Zeppelin haben zu Beispiel ihr zweites Album aufgenommen, in dem sie Ideen zusammenwarfen und hier und da während der Tour und in verschiedenen Studios gingen. Wir waren offen gegenüber der Idee, etwas in einem engen Zeitrahmen aufzunehmen.
Wann war der Zeitpunkt, an dem ihr nicht mehr DIY arbeiten konntet?
Es gibt keine Möglichkeit, unseren momentanen Zeitplan ohne Unterstützung zu schaffen. Wir haben Agenten, Management und Labels. Es gibt zu viele E-Mails… Im Sommer 2011 gerieten wir an die Grenzen der Belastbarkeit. Es waren nur wir vier auf Tour, kein Tourmanager oder ähnliches. Wir sind völlig durchgedreht. Wenn wir bei einem Festival ankamen und rannte eienr sofort zu Merchandise, der nächste musste herausfinden, wo wir hin müssen und so weiter. Das war einfach zu viel für uns.
Wir habt ihr eigentlich mir der Band angefangen?
Für eine kurze Zeit waren Sam, Ryan und ich eine dreiköpfige Band. Es ist die alte Geschichte: Wir spielten im Keller zusammen, fingen dann mit Gigs in unserer Stadt an und Leot kam zur Band. Daraufhin fingen wir an durch Kanada zu touren. Das ist ziemlich hart, weil es so groß ist. Wir sind oft zuerst Richtung Osten gefahren und waren acht Stunden unterwegs bis zum ersten Halt. Wenn du das von Berlin aus machst, könntest du vermutlich in drei verschiedene Länder fahren, richtig?
Ja, aber du könntest auch in Deutschland bleiben und nach München fahren… Was bevorzugt ihr – live oder Studio? Ist eure Musik live anders?
Ein wenig. Es gibt eine andere Energie, sie ist roher – das ist für ein Konzert besser. Wenn man zu einem Konzert geht, will man keine perfekten Kopien der Songs auf dem Album hören. Du bekommst eine verschwitztere, fleischigere Version der Lieder. Wir haben auch ein paar sanfte Sachen und wir haben meinen Bruder Shamus mit dabei. Er spielt seit zwei Jahren mit uns. Er spielt Keyboard und fügt die ganzen Extras hinzu. Es ist also etwas anders.
Ich habe in einem anderen Interview gelesen, dass ihr euren Stil nicht zu sehr verändern wollt. Wieso?
Ich denke, es gibt diese Idee in Rock Musik in den letzten 50 Jahren, diese Entwicklung von Country über Folk, dann sowas wie Bluesrock, Psychedelic und dann Punk. Das ist zwar nett für die Geschichte, aber wir sind nicht wirklich daran interessiert Rock zu nehmen und es in irgendein neues Genre zu pushen. Wir mögen schöne Tunes, ein gutes Rockkonzert und einfache Dinge. Wir versuchen nicht, das Rad neu zu erfinden. Wir versuchen nur einen Weg zu finden unsere eigene kleine Insel zu kreieren und gute Rockmusik zumachen. Wenn es um genre-ism geht, sind wir nicht besonders ehrgeizig. Es sind einfach wir. Wir wollen ein paar gute Songs und gute Konzerte spielen. Ich sage nicht, dass wir uns nicht ändern wollen. Ich meine nur, dass wir Rock spielen wollen.
Vielen Dank für das Interview, Ewan!
Interview: Dörte Heilewelt