Es ist das zweite Mal, dass ich Paul Smith und Duncan Lloyd von Maximo Park zum Interview treffe. Mit einem entscheidenden Unterschied: diesmal ist es ruhig und gemütlich. Wir verstehen, was der andere sagt. Denn letztes Mal kam ich quasi aus der Babypause in den Raum gestolpert, mit einem drei Monate alten Säugling auf dem Arm. Der machte seinem Frust über die ungewohnte Situation bereits nach wenigen Minuten Luft, und am Ende wusste keiner mehr so recht, was gefragt und was gesagt worden war. Egal, wir probieren es noch einmal. Und diesmal – mit Erfolg!
Hier sind wir wieder!
Paul: Hier sind wir wieder. Fast wie eine Zeitschleife.
Und es ist noch gar nicht so lange her, seitdem wir uns über Euer letztes Album „The National Health“ unterhalten haben. Gerade mal 1 1/2 Jahre.
Paul: Ja, für unsere Verhältnisse ist das nicht lange her. Es ist tatsächlich die längste Zeit, die wir gebraucht haben um ein Album aufzunehmen, aber gleichzeitig die kürzeste Zeitspanne, innerhalb der wir wieder von vorne angefangen haben. Es fühlt sich also sehr schnell an.
Ich habe auch gehört, dass Ihr mit diesem Album mehr zufällig angefangen habt.
Paul: Wir haben im Dezember 2012 angefangen. Oktober/November haben wir ein paar Songs geschrieben, nachdem die Tour zu „The National Health“ vorbei war. Wir wollten nur eine schnelle EP aufnehmen, ein paar Songs raus schicken, weil wir immer noch so viel Energie durch „The National Health“ hatten. Fünf Songs haben wir in anderthalb Wochen aufgenommen, ziemlich schnell. Zeit ist Geld, wir machen schließlich alles selber. Dann haben wir die Songs ein paar Freunden vorgespielt, und die meinten alle, dass sie so gut sind, dass wir ein komplettes Album draus machen sollen. Also dachten wir ok, machen wir ein Album! Brauchen wir ja nur noch fünf, sechs weitere Songs… (Duncan lacht) So hat es leider nicht funktioniert. Das Songwriting wurde irgendwie viel schwieriger, weil es plötzlich unter der Prämisse stattfand, dass wir an einem Album arbeiten.
Duncan: Insgesamt ist es trotzdem ein sehr spielerisches Album geworden. Weil wir als Initialzündung diese fünf Songs hatten, die wir einfach ohne Hintergedanken aufgenommen haben. Ein paar Songs gingen wahnsinnig schnell, wir haben sie einfach aufgenommen. Dann gab es andere, die mehr Zeit gebraucht haben. „Give, Get, Take“, jetzt der erste Song auf dem Album, war der letzte, der fertig wurde. Man muss einfach den Moment finden, an dem es Klick macht.
Paul: Aber es ist gut, dass es so unterschiedlich funktioniert. An manchen Songs hängt man einfach länger. Wenn ich mit Lukas an einem Song arbeite, kommt es zum Beispiel vor, dass er mich die Vocals immer und immer wieder einsingen lässt, bis er endlich zufrieden ist. Duncan hingegen ist schneller zufrieden (lacht). Man muss es akzeptieren: okay, der Song braucht vielleicht länger, bis er fertig ist, aber am Ende lohnt es sich, dass man dafür gekämpft hat. Und es gibt auch Songs, die muss man zur Seite legen, weil man feststellt, es funktioniert einfach nicht. So ist es nun mal.
Duncan: Ich glaube, wenn wir einen Song wie „Leave This Album“ vor ein paar Jahren versucht hätten aufzunehmen, hätten wir es aufgegeben. Heute mag es zwar viel Arbeit sein, aber wir fühlen, dass wir jetzt in der Lage sind, so etwas zu tun.
Ich erinnere mich noch, Paul, als wir damals über Dein Soloalbum gesprochen haben. Damals hast Du gesagt, dass eine Deiner Motivationen, ein Soloalbum zu machen, die war, dass Du ruhigere, langsamere Songs im Kopf hattest. Und dass diese im Maximo Park Kontext nicht funktioniert hätten. Da finde ich es interessant, heute einen Song wie „Leave This Island“ zu hören.
Paul: Ja! (lacht) Es ist wirklich seltsam, wie die Dinge manchmal laufen. Von allem, was man tut, lernt man. Ein neues Maximo Park Album – was gelernt. Ein Soloalbum – wieder was gelernt. Kollaborationen mit anderen Leuten außerhalb Maximo Park – und wieder was gelernt! Ich denke, dass ich mich viel wohler damit gefühlt habe, langsame Songs zu singen, nachdem ich mit meinem Soloalbum auf Tour war. Es kamen Leute, die hauptsächlich die Band kannten und trotzdem Lust hatten, sich solche Songs anzuhören. Das gibt einem Selbstbewusstsein. Ich kann vor Publikum Songs singen, die ich in meinem Schlafzimmer in ein Mikrofon geflüstert habe. Und hey, ich kann trotzdem den Ton halten! (lacht) Ich fühle mich jetzt wohler mit neuen Wegen für mich zu singen, wie zum Beispiel in „Brain Cells“, dieser leicht gehauchte Falsett Gesang. Es ist eine Entwicklung. Gleichzeitig hätte „Leave This Island“ niemals auf einem Soloalbum entstehen können. Der Song wird getrieben von einem Synthie-Riff, das Rhythmusmuster, verschiedene Elemente, das trägt alles die Handschrift von uns als Band.
Auf „Too Much Information“ habt Ihr Euch zum ersten Mal auch für den Einsatz elektronischer Elemente entschieden. Es polarisiert ja immer, wenn eine Rockband derartige neue Wege geht. Habt Ihr Euch darüber Gedanken gemacht?
Duncan: Wenn man einen Song schreibt, sind solche Gedanken zweitrangig. Ich erinnere mich aber daran, dass ich, als ich „Brain Cells“ geschrieben habe, darüber nachgedacht habe, ob dieser Song innerhalb der Band funktionieren wird. Ich bin ja eigentlich Gitarrist, aber „Brain Cells“ habe ich auf einem kleinen Moog Synthesizer geschrieben. Es hat Spaß gemacht, mal mit etwas anderem zu experimentieren. Ich habe mich nicht gefragt, was andere Leute darüber denken würden, aber was die Band dazu sagen wird, hat mich schon beschäftigt (lacht). Ich habe ihn deshalb auch erst einmal zur Seite gelegt. Als wir noch an der EP gearbeitet haben und klar war, wir brauchen noch ein, zwei Songs, habe ich ihn wieder hervor gezaubert. Und plötzlich fühlte er sich sogar wie eine Single an. Wir wussten, okay, er wird bestimmt polarisieren, aber lass ihn uns doch den Leuten umsonst geben, dann können sie sich eine Meinung bilden. Sorgen haben wir uns aber nicht wirklich gemacht. Wir hatten etwas Schönes, Anderes kreiert, und die Leute sollten es hören. Und wenn es die Meinungen teilt, dann ist es eben so. Das Album an sich ist so vielfältig, wenn man ihm eine Chance gibt, kann man seinen Weg hinein finden.
Paul: Ich glaube, Leute die sich unsere Alben bis jetzt aufmerksam angehört haben, werden gar nicht so überrascht sein. Sicher, es ist wahrscheinlich der größte Schritt in eine andere Richtung, den wir seit den Anfängen gegangen sind. Selbst die Songs mit den größten elektronischen Elementen sind immer noch Songs, keine Dancetracks. Sie sind poetisch, nehmen Dich wohin mit. Vom Aufbau her sind sie größtenteils immer noch typische Maximo Park Songs, nur der Sound hat sich geändert. Wenn man sich erst einmal vom größten Schock erholt hat (Gelächter), ist es immer noch Maximo Park. Es geht immer noch um Gefühle. Ein oberflächlicher Hörer spürt sie vielleicht nicht, weil er nur den einen oder anderen Song kennt, den er irgendwann im Radio gehört hat. Natürlich tut es ein bisschen weh, wenn man hört, dass es jemandem nicht gefällt. Aber in erster Linie kreiert man etwas für sich selber, und wenn man das Gefühl hat, es ist gut geworden, kommt das Bedürfnis, es mit anderen zu teilen. Wir haben Vertrauen in unsere Fans. Sie werden verstehen (lacht).
Interview: Gabi Rudolph
Fotos (c) Steve Gullick