Interview mit Kid Kopphausen, Teil 1

Zwei Seelen wohnen, ach! in seiner Brust: Kid Kopphausen, dieser neue Typ, der da auf der deutschen Singer-Songwriter-Bühne erschien. Es gab viel Wirbel, viel Verwirrung um jemanden, der nach Klarheit sucht. In sich vereint dieser Bursche viele Mythen und Rätsel, denen wir mit geradezu investigativen Methoden auf den Grund gingen.

Kid Kopphausen, das sind Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch. Zwei Männer mit Gitarren, wie sie nicht besser harmonieren – und gleichzeitig unterschiedlicher nicht sein könnten. Gisbert zu Knyphausen, dieser eher ruhige und hoffnungsvolle Melancholiker, Gründer des Online-Labels und Künstler-Netzerkes OMAHA records, der zu Beginn solo, später jedoch vorwiegend mit Band musizierte, zeichnet sich generell durch einen Hang zu musikalischen Gemeinschaftsarbeiten aus. Nils Koppruch, dieser Großstadtfolker mit einer rauen Stimme voller Erlebnisse, war einst Kopf der legendären Band Fink und später auf musikalischen Solo-Pfaden sowie unter dem Namen SAM. als freischaffender bildnerischer Künstler unterwegs. Ihren gemeinsamen Weg pflasterten Sie in den letzten Jahren bereits mit der Split-Single „Die Aussicht/Knochen und Fleisch“ sowie gegenseitig unterstützenden und gemeinsamen Auftritten.

Zusammen schufen sie nun mit ihrer Band bestehend aus Alexander Jezdinsky (Schlagzeug), Felix Weigt (Bass, Klavier) und Marcus Schneider (Gitarren) ihr am 24. August bei Trocadero erschienenes Debütalbum „I“: Ein wenig antreibender Folk und ein wenig Melancholie, ein wenig Sinnsuche und ein wenig Charakterstudie, ein wenig Individualität und ein wenig Gemeinschaft. Eine Mischung aus in sich gehen und Antrieb, aus Herz und Kopf. Und insgesamt noch viel mehr. Das Beste und das Innerste zweier herausragender gegensätzlicher Künstler mit einer gemeinsamen Leidenschaft: Musik!

Im September begibt sich Kid Kopphausen auf deutsche Bühnen und wir sind stolz, diese Tour präsentieren zu dürfen (hier erfahrt ihr mehr). Die Vorpremierenkonzerte in Hamburg und Berlin waren innerhalb von 48 Stunden ausverkauft (hier entlang zum Artikel).

Im Juni dieses Jahres gestattete uns das glückliche Paar bei Kaffee, Limonade und Zitronentarte in einem Berliner Café tiefe Einblicke in das Werk Kid Kopphausen, zeigte uns seinen Humor und auch persönliche Ansichten. Im erstem Teil unseres Interviews erfahrt ihr, wer Kid Kopphausen ist, wie es zu all dem überhaupt kam, was euch im Album „I“ erwartet und was die beiden von dem Begriff „kauzig“ halten.


Gisbert zu Knyphausen, der mitteilungsbedürftige Melancholiker, der kein Cowboy sein will und Nils Koppruch, der malende Folk- und Blues-Troubadour, der kein Koch sein will. Das „Grand Hotel van Cleef-Traumpaar“ von 2010. Zusammen seid ihr jetzt Kid Kopphausen. Wie könnte man Kid Kopphausen beschreiben? Wer oder was ist Kid Kopphausen?

Gisbert: Kid Kopphausen ist eine Mischung aus unserer Musik. Es ist schon eine Band mit zwei gleichberechtigten Songwritern und Sängern, und drei fantastischen Mitmusikern. Und Kid Kopphausen als Typ ist glaube ich alles. Melancholisch. Ein Gangster. Bibelfest ist er auch, haben wir schon festgestellt.

Nils: Ich glaube das ist ein Typ. Das ist ein Mensch und der sucht nach seiner Identität. Ich habe mir die Platte angehört und habe gedacht: „Das muss ein Mensch sein und der sucht nach seiner Identität.“


Das ist mir auch gleich beim ersten Song aufgefallen. Da fragt ihr ja immer „Wer bin ich?“ und es scheint, als ob ihr da auf die berühmte und ewige Sinnsuche geht. Habt ihr inzwischen eine Antwort, wer ihr seid?

Nils: Wir haben das Codewort vergessen. (beide lachen) Die Antwort hat Gisbert ja im Prinzip gegeben, wenn du es als diese Metapher sehen willst. Wir sind eine Band mit zwei Sängern, mit zwei Songschreibern, mit drei Musikern.

Gisbert: Und was wir inhaltlich sind, da spiegelt für mich der erste Song eigentlich fast alles wider was sonst noch auf der Platte passiert, worüber die Typen da singen. Es sind ja sehr unterschiedliche Charaktere, die da Geschichten erzählen. Also eine sehr diverse Person eigentlich. Ein gespaltenes Universum.

Nils: Der Universalmensch, der das sein kann und das sein kann.

Gisbert: Ohje, ja, genau. (lacht)



Ich hatte mal gelesen, dass Kid Kopphausen eine Art Werktitel sein soll. Soll da nochmal was geändert werden? Ich hatte da auch was von „Kid Kopphausen und die Steinfeldvariation” gelesen.

Gisbert: Achso, das hatte ich mal in einem Interview gesagt, aber das ist schon eine Weile her.Das bleibt jetzt dabei. Zu dem Zeitpunkt, als ich das Interview gegeben habe, da war das noch nicht entschieden, deswegen hatte ich es mit Werktitel betitelt. Wir finden, dass es ganz gut funktioniert. Es ist zwar sehr naheliegend, natürlich, aus unseren Nachnamen ein Wort zu basteln, aber ich finde, es sieht geschrieben toll aus: Kid Kopphausen. Ich mag den sehr gerne.


Und es ist auch eine Alliteration …

Gisbert: Genau, das auch noch.

Nils: Und diese Steinfeldvariation, das hatte einen Grund, also dass das da stand. Wir hatten unsere ersten Treffen in einem Ort, der Steinfeld hieß, und das schien dann doch ein bisschen auszuufern. Ich finde es selbstverständlicher, wenn das so ist, als wenn man noch einen halben Roman darunter setzt.

Gisbert: Es gab auch mal die Idee, wir hatten da tausend verschiedene Bandnamen und einer davon war auch nur „Die Steinfeldvariation“. Und dann sind wir irgendwann von all dem abgekommen und wieder zurück auf Kid Kopphausen.

Nils: Auf den Universalmenschen.

Gisbert: Auf den Universalmenschen Kid Kopphausen.


Jetzt muss ich dich nochmal zitieren, Gisbert. Du hast in einem Interview Anfang des Jahres mal „Meine große Liebe Nils Koppruch“ gesagt.

(Gisbert lacht)


Wo und wie hat eure Geschichte denn begonnen?

Gisbert: Sie hat begonnen 2007, als eine Hamburger Journalistin, die für die Szene Hamburg geschrieben hat … ok, das führt jetzt zu weit, durch sie hat Nils meine Musik gehört und er hatte mich gefragt, ob ich für ein Konzert in Hamburg im Uebel und Gefährlich Vorprogramm machen möchte. Und dadurch haben wir uns kennengelernt. Das war ja noch die Kennenlernphase. Und dann haben wir uns immer mehr ineinander verliebt und jetzt haben wir geheiratet. (Nils lacht) Man kann das natürlich auch noch weiter ausführen.

Nils: Nachher haben wir wieder das Problem, Schatz. Wir kennen doch die Leute gar nicht. (beide lachen)


Ihr habt ja auch schon Songs zusammen gemacht und Konzerte zusammen gespielt. Wann kam der Punkt, an dem ihr dachtet: „Lass uns doch mal ein Album machen“?

Gisbert (zu Nils): Möchtest du das jetzt mal übernehmen?

Nils: Wir haben ja schon. Das erste Stück, das wir zusammen gemacht haben, ist ja für so ein Hamburger Obdachlosenmagazin gewesen und das hat super gut funktioniert und irgendwie stand da im Raum: Will man noch? Kann man nochmal mehr machen? Gibt es Zeit dafür, mehr zu machen? Will man das? Und dann habe ich eine Platte veröffentlicht und im Zuge dessen haben wir dann noch eine Split-Single gemacht, also ein Stück, an dem Gisbert noch mitgearbeitet hat, was auf meiner Platte mit „Knochen und Fleisch“ nochmal drauf war. Und dann sind wir zusammen auf Tour gefahren, dann war ich der Support für Gisbert und in Wien im Hotelzimmer 52 im schönen Hotel Fürstenhof haben wir gesagt: „Ja, ich wollte auch schon immer … dir sagen …“

Gisbert: Da haben wir uns tatsächlich entschieden, dass das nicht so ein besoffenes Daherreden ist: „Komm, wir machen mal was zusammen!“, sondern dass wir uns dann wirklich mal dran setzen und ausprobieren, ob das gut funktioniert.


Und wann wurde das konkret?

Gisbert: Konkret wurde es dann in dem Frühling darauf.

Nils: Also letztes Jahr im März.

Gisbert: Ja, letztes Jahr im März haben wir uns das erste Mal für drei, vier Tage in Steinfeld in so einem kleinen Häuschen auf dem Land eingeschlossen und … das kriegt alles so einen sexuellen Bezug. (beide lachen)

Nils: An sowas habe ich noch gar nicht gedacht.

Gisbert: Ja, da haben wir dann Instrumente mitgenommen und Computer zum Aufnehmen und da eigentlich das erste Mal zusammengesetzt und Ideen gesammelt. Und das hat so viel Bock gemacht, dass ab dann klar war, dass wir das jetzt zu Ende führen.


Was war denn euer Plan dabei und wie sahen eure Erwartungen an das Projekt Kid Kopphausen aus?

Nils: Meine Erwartungen waren, dass ich was lerne, dass dabei etwas herauskommt, was über meine eigene Arbeit hinausgeht, also was ich alleine nicht kann. Das ist die Summe der einzelnen Teile, das ist mehr wert als das, was ich alleine machen kann. Und wenn wir Glück haben, wird das vielleicht eine Summe aus der Qualität von beiden. Das waren meine Erwartungen. Und der Plan war dann zu sagen: Wie wollen wir das machen? Wollen wir das „Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen“ nennen? Soll das ein Duo-Projekt werden? Wollen wir uns mit Akustik-Gitarren da hin setzen und Lieder schrammeln? Oder wollen wir eine Band machen? Wollen wir das veröffentlichen? Wo wollen wir das veröffentlichen? Mit wem wollen wir zusammenarbeiten? Mit welchen Musikern wollen wir zusammenarbeiten? Das beinhaltet der ganz konkrete Fahrplan und das haben wir im Laufe des letzten Jahres alles zusammen entschieden.


Ich habe in Vorankündigungen zu eurem Album mal etwas von einem „Konzeptalbum“ gelesen. Gab es denn ein Konzept bzw. ist es für euch ein Konzeptalbum geworden?

Gisbert: Es gab am Anfang kein Konzept, zumindest inhaltlich. Aber wir haben im Laufe der Arbeit gemerkt, dass man das Ganze interpretieren könnte als eine Art, das klingt jetzt so hochgestochen, als Spiegelungen von verschiedenen Seiten des Menschen. Es fängt an mit dem Song „Hier bin ich“, da wird ja alles mögliche aufgezählt, was man sein könnte, oder was ein Mensch in sich trägt. Und im Laufe der Platte kommen ja sehr unterschiedliche Charaktere vor: Ein sehr Hoffnungsvoller bei „Das Leichteste der Welt“, ein Mörder bei der „Mörderballade“, ein totaler Zyniker bei „Im Westen nichts Neues“. Wir haben dann eigentlich im Nachhinein bzw. in der Endphase der Arbeit gemerkt, dass es sich irgendwie zusammenfügt, auch wenn es ein sehr loses, großes Konzept ist. Aber es war auf jeden Fall nicht so angelegt im ersten Moment.

Nils: Es hat ja durchaus nachher auch die Reihenfolge bestimmt, also wie die Songs auf der Platte sind. Es ist kein Konzeptalbum. Ich stelle mir dann immer sowas vor: Man macht sich zuerst am Reißbrett einen Plan und diese Punkte werden abgearbeitet. In dem Sinne ist es kein Konzeptalbum.

Gisbert: Das ist jetzt nicht wie Cursive, so eine amerikanische Band. Die hat sich eine Geschichte ausgedacht und vorher irgendwie so ein ganzes Theaterstück quasi entworfen, was er dann in Songs gegossen hat. Sowas haben wir natürlich nicht gemacht.

Nils: Es ist aber tatsächlich so, wie ich das scherzhaft am Anfang sagte. Ich glaube, es ist ein Mensch und die Frage „Wer bin ich“ oder die Frage nach Sinnsuche und nach Identitätsstiftung zieht sich ja quasi durch die komplette Platte.

Gisbert: Und das andere Konzept war: Spaß! Der Spaß am Musik machen und neue Sachen ausprobieren, die wir, was Nils vorhin auch meinte, die wir vielleicht auf unseren eigenen Alben noch nicht gemacht haben.


Was hat es denn mit dem Albumtitel „I“ auf sich? Steht es für den Buchstaben I oder für römisch 1, wie das erste gemeinsame Album?

Gisbert: Es steht für römisch 1, für das erste gemeinsame Album. Weil wir eigentlich schon Lust haben, irgendwann vielleicht nochmal eins folgen zu lassen.


Römisch 2?

Nils: Das ist der Ansporn.

Gisbert: Das ist der Ansporn für uns, genau. Wir setzen uns selbst unter Druck damit.

Nils: Ich finde aber auch, wenn man das als „I“ liest, finde ich es auch gut, wenn das „I“ heißt.


Ja, die Sinnsuche.

Gisbert: Ja, das stimmt eigentlich.

Nils: Das sind jetzt zwei Möglichkeiten.


In unterschiedlichen Kritiken wurden eure früheren Texte als kauzig beschrieben. Erreicht ihr zusammen jetzt den Kauzigkeits-Olymp?

Gisbert: Wahrscheinlich. (lacht)

Nils: Ich kann damit nichts anfangen. Ich weiß nicht, was damit gemeint ist. Ist damit gemeint, dass das nicht jeder sofort versteht, oder dass es mehrdeutig ist, oder dass es …? Ich weiß jetzt nicht so genau. Du musst das beantworten, Schatz!

Gisbert: Ich weiß auch nicht, wie man kauzig interpretiert, da gibt es schon Unterschiede. Aber natürlich sind unsere Texte nicht ganz so massenkompatibel, wie die Texte von, es ist immer so blöd, Namen zu nennen, aber wie bei Ich & Ich, oder so.

Nils: Da sind wir schon wieder beim „I“.

Gisbert: Also in dem Sinne, klar, kauzig, sperrig.

Nils: Ich glaube, die Texte beanspruchen den Hörer mehr, als viele andere Musik. Wenn das mit kauzig gemeint ist, ja, bitte.

Gisbert: Es ist auch so schwierig, selbst über seine eigenen Texte zu urteilen, ob das jetzt kauzig ist. Für mich sind die alle sehr klar. Aber das kann natürlich für den Hörer anders sein, der nimmt das ja ganz anders wahr.


Was haltet ihr denn überhaupt von dem Label „kauzig“? Nils, Du hast ja gesagt, dass du damit überhaupt nichts anfangen kannst. Hältst du kauzig für ungerechtfertigt?

Nils: Ich habe das natürlich auch schon gelesen, aber ich frage mich: Angenommen, es wäre keine Musik dabei, wäre der Text dann immer noch kauzig? Oder wenn das nicht im Popkontext stattfinden würde, wäre der Text dann immer noch kauzig? Oder was ist genau damit gemeint?


Also fragst du eher, was diese Bewertung bedeutet?

Nils: Die sagt ja nichts. Die sagt ja weder darüber etwas, ob das gut ist, ob das schlecht ist, oder besonders. Wenn du „besonders“ sagst, fühle ich mich geschmeichelt. Bei „kauzig“ weiß ich es nicht genau. Kauzig hört sich an wie: Das ist mal eben gemacht worden. Aber es handelt sich hier ja um eine Arbeit, wo zwei Leute, oder auch wenn man das allein macht, wo richtig Auseinandersetzung und Arbeit dahinter stecken. Wenn Leute sowas mit kauzig betiteln, dann wird das so weggewischt. Das ist mein Gefühl.

Gisbert: Ich habe da gar nicht so eine negative Assoziation dabei. Weil letztendlich sucht man als Schreiberling für die Musik immer irgendein Wort. Aber da können wir als Musiker mit den meisten Sachen nicht so viel anfangen, das ist ja klar. Man reflektiert das meistens ja auch gar nicht so viel, wie es derjenige tut, der darüber schreiben muss. Das ist jetzt ein Grundsatzding. Aber mir ist das egal, das darf man ruhig als kauzig benennen, oder als schleimig meinetwegen, oder als intelligent.



Wo liegt in euren Augen der Unterschied zwischen dem gemeinsamen Album und eurer bisherigen Musik? Habt ihr beispielsweise einen gemeinsamen musikalischen Nenner?

Nils: Komischerweise ist auf diesem Album so viel Koppruch drauf, oder Knyphausen. So rein musikalisch fällt mir das schwer im Moment zu beurteilen, weil das ja relativ frisch für uns ist. Auf meinen Platten sind bisher weniger Rockanteile gewesen zum Beispiel, weniger Chöre, weniger Mut zur musikalischen Lücke. Also ein Stück wie „Schon so lang“, wo es nur einen Chor gibt, wo der Sänger dann so lange drüber ist, habe ich auch noch nicht gemacht. Also es unterscheidet sich schon, aber ich habe keinen Universalbegriff dafür, wo sich das genau unterscheidet.

Gisbert: Für mich sind zum Beispiel viele von den Texten anders, als die, die ich auf meinen bisherigen Alben geschrieben habe, die ja viel mehr mit meiner Person direkt zu tun haben. Und hier habe ich an Texten mitgeschrieben, die vielmehr außerhalb von mir selbst stehen. Das ist für mich ein Unterschied. Und ansonsten musikalisch diverser, als mit meiner Band.


Im zweiten Teil unseres Interviews erhaltet ihr Einblicke in den Ablauf des Produktionsprozesses und wie sich die gemeinsame Zusammenarbeit gestaltete.


Von Anja Gebhardt