Interview mit DragonForce

DragonForce haben am 13.10. in der Live Music Hall in Köln eine Show abgeliefert, die keine Wünsche offen lässt. Trotz des oft schwindelerregenden Tempos der Stücke, spielt die Band mit absoluter Präzision. Jedes noch so komplizierte Solo klingt wie auf Platte. Und bei diesem hohen technischen Anspruch ist dennoch jede Menge Bewegung auf der Bühne. Ununterbrochen wechseln die Bandmitglieder – bis auf den Schlagzeuger – die Positionen und posen mit ihren Instrumenten. Sam Totman und Super-Virtuose Herman Li ballern sich mit ihren Gitarren gegenseitig ein Solo nach dem anderen an die Backe und drüber hinaus stimmt auch noch der Sound. Was wünscht man sich mehr. Und dazwischen: Der neue Sänger Marc Hudson, der nach zwölf Jahren Bandgeschichte ZP Theart ersetzt hat. Meine Bedenken, dass er sich nicht so optimal bei DragonForce einfügen könnte, sind mit einem Mal wie weggewischt. Sein Gesang überzeugt live und auch zwischen seinen Kollegen macht er eine gute Figur, wie er pathetische Posen zum Besten gibt. Vor dem Konzert hatte Marc Zeit für ein heiteres Interview, in dem er uns von seinem Beitritt zu DragonForce und seiner persönlichen Einstellung zu Fantasy-Texten im Heavy Metal berichtet.

Hi, Marc. Wie geht es Dir?

Mir geht’s gut. Aber sind wir alle ganz schön müde, denn wir sind seit Anfang September auf Tour, haben in Südamerika angefangen und jetzt schon 22 Shows gespielt. Und wir touren noch bis zum achten Dezember. Ziemlich abgefahren! Und davor waren wir auch schon in Nordamerika unterwegs …

Du bist vor eineinhalb Jahren bei DragonForce eingestiegen.

Ich kann mich nicht mal mehr erinnern. Ja, vor eineinhalb Jahren.

Was hast Du vorher gemacht?

Da hab ich in Oxford, wo sie den Mini machen, bei BMW gearbeitet. Ich habe sieben Jahre lang an der Elektronik für die Air Bags gearbeitet. Hat also nichts mit Singen zu tun gehabt.

Und wie fühlt es sich dann an, plötzlich in einer großen Metalband zu singen? Und dann auch noch gute Kritiken zu bekommen?

Es fühlt sich verrückt an. Als ich die Nachricht bekommen habe, dass ich echt vom Singen leben können werde, war es schon überwältigend. Es ist komplett weird, dass ich diese ganzen Jahre studiert habe, und dann brauche ich als nicht mal. (lacht) Aber es ist trotzdem großartig! Es ist wirklich cool. Die Fans haben DragonForce zwölf Jahre lang mit dem gleichen Sänger gehört. Für jemanden, jetzt neu dazuzustoßen und dann auch noch gute Kritiken zu bekommen, ist wirklich, wirklich gut! Denn ich habe eher damit gerechnet, dass ich dauernd „Nein! Wo ist der alte Typ?!“ zu hören bekomme. Insofern bin ich echt zufrieden.

Aber Du hast doch vorher auch in Bands gesungen oder?

Ja, ich hatte davor eine Rockband, in der ich hauptsächlich Gitarre gespielt habe. Aber ich war auch der Sänger. Ich singe jetzt seit ungefähr sechs, sieben Jahren. Seit ich bei DragonForce bin, hatte ich auch ein paar Gesangsstunden, damit ich mir meine Stimme nicht kaputt mache.

Ach, Du spielst auch Gitarre? Bist Du dann nicht total eifersüchtig auf Deine Kollegen mit ihrem unglaublich virtuosen Spiel?

Ja, bin ich! Wenn wir Soundcheck machen, will ich immer Gitarre spielen, aber nach fünf Minuten schicken sie mich immer weg. (lacht)

Du hast nur zwei Monate, nachdem Du zu DragonForce gestoßen bist, die ersten Shows gehabt. Da musstest Du ja ganz schön viel pauken. Hast Du anfangs nicht total viele Fehler gemacht?

Ja. Die alten Songs sind ja für meinen Vorgänger geschrieben worden. Da ist es wirklich schwierig reinzukommen und die Songs zu deinen eigenen zu machen. Und natürlich ist es auch schwer, sofort ein Gefühl für den Song zu bekommen und sich die ganzen Texte zu merken. Aber wir hatten ein paar Warm Up Shows, bevor wird als Headliner aufgetreten sind, und danach war es ok.

Wo wir gerade bei den Texten sind – viele Heavy Metal Bands singen Fantasy-Texte, die von Schwertern, Kriegern, Kämpfen und Erobern handeln. Aber diese Bands werden irgendwie nie gefragt, warum Sie so komische Inhalte transportieren. Was ist denn Deine persönliche Beziehung zu den Texten von DragonForce?

Gute Frage… (lacht) Also für mich persönlich ist es schwer die Verbindung zwischen den Texten und der Weise … (überlegt) …, wie man etwas ausdrückt, zu finden. Aber ich denke, auf dem neuen Album sind die Texte viel wirklicher und machen mehr Sinn. Zum Beispiel der Song „Seasons“, den Fred geschrieben hat, dreht sich um seine Beziehungsprobleme, die er letztes Jahr hatte. Aber mir ist schon klar, dass da eine Menge Fantasy auf dem Album ist, ja. Ich weiß nicht … mir macht es schon ziemlich Spaß so was zu singen, auch wenn es vielleicht nicht die Texte sind, die ich mir aussuchen würde.

Schreibst Du dann in Zukunft deine eigenen Texte?

Ja! Wir hatten erst gestern ein Band Meeting. Da ging es um neue Songs, für die wir nur noch Texte brauchen. Deshalb entscheiden wir demnächst über Themen, denn wir wollen den Liedern mehr Bedeutung geben. Es wird sich zwar immer noch wie DragonForce anhören, aber mitunter könnten wir uns auch mal von Drachen und so Zeug wegbewegen und ein paar ernstzunehmende Sachen bringen.

Was denkst Du? Wie kann es sein, dass die meisten Heavy Metal Fans nette Leute sind, aber trotzdem Musik mit Texten hören, in denen es darum geht, sich gegenseitig abzuschlachten?

(lacht) Ich weiß, was Du meinst! Es ist schon eine komische Sache. Ich weiß nicht. Ich denke, bei diesen Texten ist es die Weise, wie sie gesungen werden, was die Leute daran fesselt. Worum es geht, ist eher unwichtig, es geht darum, wie es ausgedrückt wird.

Wirst Du ab dem nächsten Album auch am Schreiben der Musik beteiligt sein?

Eigentlich denkt sich ja Sam die ganze Musik aus. Er komponiert alles, schreibt die Texte, sogar die Drums – ist halt sein Ding. Das kann dann schon mal lange dauern. Das letzte Album hat vier Jahre gebraucht, bis es fertig war. Und jetzt mit mir als neuem Mitglied wollen wir versuchen, etwas schneller zu schreiben. Deshalb werden wir jetzt mal Ideen zusammen schmeißen, insofern werde ich dann auch am Songwriting beteiligt sein.

Und welche Musik beeinflusst Dich? Was hörst Du so?

Also für DragonForce inspirieren mich Helloween, Skid Row ein wenig, selbstverständlich Iron Maiden … Und dann sind da noch ein paar Power Metal Bands, von denen noch niemand gehört hat: Lost Horizon, Vision Devine … Zeug, das ich gerne höre, mich aber in Bezug auf DragonForce nicht beeinflusst, ist Dream Theater, Rush, Yes und so progressiver Kram eben.

Ich habe auch bei dem aktuellen Album „The Power Within“ das Gefühl, als klinge es irgendwie mehr nach dem klassischen Heavy Metal der 80er Jahre. Da hast Du zwar noch nicht dran mitgeschrieben, aber liegt es trotzdem an Dir, an Deiner Stimme? Oder war das eine bewusste Entscheidung der Band, in diese Richtung zu gehen?

Ich weiß nicht … Aber ich weiß, was Du meinst. Ich höre es ja auch. Die Songs sind kürzer und direkter, möglicherweise klingt es dadurch mehr back to the roots. Ich weiß nicht, woher das kommt. Beim Singen denke ich an Helloween und so … vielleicht kommt es ja auch daher.

Hier in Köln-Ehrenfeld steigt heute das „Ehrenfeld-Hopping“, ein großes Besäufnis. Habt ihr eigentlich auf der Tour mal Gelegenheit, rauszugehen und einen zu trinken?

Ja, aber ich hatte gerade die Grippe, deshalb kann ich wegen der Stimme im Moment gar nicht trinken. Normalerweise kann ich mir mal ein oder zwei Bier gönnen, das war’s dann. Insofern ist es eigentlich ein ziemlich langweiliger Job, weißt Du? Man muss früh schlafen gehen und so (lacht).

Aber auch ohne viel zu trinken, seid Ihr doch alle befreundet, oder?

Ja, total!

Du bist jünger als Deine Bandkollegen. Und die sind schon ewig im Geschäft. Macht sich das manchmal irgendwie bemerkbar?

Ja, ich bin ungefähr fünf Jahre jünger als der Nächstjüngere. Wir haben letztes Jahr bei einer Show den Support für Iron Maiden gemacht. Und da hat es niemand verstanden, dass das für mich total beängstigend war. Ich dachte nur: Ah! Iron Maiden! (lacht) Es ist schon verrückt! Die anderen touren seit zehn Jahren und haben eine ganz andere Geisteshaltung. Aber für mich ist das ok, alles bestens.

Aber so langsam hast Du Dich doch daran gewöhnt.

Nee, immer noch nicht. (lacht) Ich habe jetzt so ungefähr 40 Shows gemacht und ich mach mir immer noch in die Hose. Jede Nacht fange ich, mir Sorgen zu machen.

Na, dann wünsch ich Dir mal alles Gute. Vielen Dank, Marc.

Ich danke Dir.

Interview: Axel Berking
Fotos: Helge Winter