Interview mit Dallas Green (City And Colour)

Hinter City And Colour verbirgt sich der kanadische Musiker Dallas Green. Für sein neuestes Werk „The Hurry And The Harm“ ging er in die Music City – nein, nicht L.A., sondern Nashville in Tennessee, USA. Die passende Umgebung für seinen Folk, Rock, Pop Sound. Wir trafen Green, um über sein Album zu reden und wie es ist, wenn man Songs für andere schreibt, aber dann selber behält, wie bei „Thirst“ geschehen. Und dann schwärmten wir noch von meinem persönlichen Lieblingsbassisten Jack Lawrence (The Raconteurs, The Dead Weather etc.), der mittlerweile auch live bei City And Colour mitmischt. Ein großartiger Typ, wie Green ihn beschreibt.

Viel Spaß beim Lesen!

Ich war fasziniert, als ich im Zuge meiner Vorbereitung auf das Interview festgestellt habe, dass „Thirst” ursprünglich für jemand anderen geschrieben wurde. Vorher waren deine Songs ja eher persönlicher Natur. Hat es etwas an deinem zukünftigen Schreiben geändert?

Ich denke, dass ich vermutlich immer noch auf die gleiche Weise wie immer schreibe. „Thirst“ hat mir das Selbstvertrauen gegeben, dass ich einen Song schreiben kann, nur um einen Song zu schreiben und es trotzdem noch Spaß machen kann und ich ihn nach wie vor mag. Ich genieße es ihn zu singen und wenn wir ihn jede Nacht spielen, ist er einer meiner liebsten Songs. Ich denke nicht, dass es zwangsläufig darauf hinausläuft, dass ich nur noch solche Songs schreibe, aber es ist gut zu wissen, dass ich es könnte.

Ist das Schreiben von so persönlichen Liedern – für mich fühlen sie sich so an – über die Jahre hinweg einfacher geworden oder denkst du manchmal noch „ooh, das geht doch zu weit, darüber sollte ich nicht schreiben“?

Es ist nicht schwer, weil ich mich frage, ob es zu persönlich ist. Es ist nur schwer, weil ich sicher gehen will, dass es gut ist und und dass ich mein Bestes gegeben habe, wenn ich über etwas Persönliches, über etwas in meinem Leben wie meine Familie schreibe oder auch über etwas, das ich durchlebe. Deswegen ist es härter. Ich mache mir nie zu viele Sorgen… Zwar tendiere ich dazu über Dinge zu schreiben, die persönlich sind, aber ich habe noch nie gedacht, dass sie es zu sehr seien. Ich versuche mindestens einen Song zu schreiben, bei dem man immer noch mitfühlen kann, auch wenn man mich nicht kennt oder worüber ich schreibe. Man kann ihn sich immer noch anhören und sich daraus ziehen, was man braucht.

Dachte deine Familie schon mal, dass es zu persönlich ist?

Bisher nicht.

Oder entdeckte eine andere Seite an dir?

Manchmal. Meine Mutter denkt, dass ich sehr traurig sei, wenn sie sich meine Musik anhört. Ich denke auch, dass sich diese falsche Wahrnehmung bei vielen Leuten einstellt wegen der Musik, die ich schreibe. Sie denken, ich sei deprimiert und traurig. Bis zu einem gewissen Grad bin ich das auch, aber ich bin auch glücklich. Allerdings fühle ich nicht das Bedürfnis Songs zu schreiben, wenn ich glücklich bin. Ich denke, manche Songschreiber – wie professionelle Schreiber – schreiben einfach einen Song und geben ihn weiter an wer auch immer ihn nimmt. Man kann dann über alles mögliche schreiben: Die Blume auf diesem Tisch, Freitagnacht, man kann darüber schreiben in einen Club zu gehen. Aber so gehe ich das Schreiben von Songs nicht an, habe ich auch noch nie. Wenn ich eine gute Zeit mit meinen Freunden habe oder meinen Hund ausführe oder glückliche Moment erlebe, dann fühle ich mich nicht nach Schreiben. Es sind die anderen Sachen, die ich aus dem System haben will.

In meiner Vorstellung muss es schwer sein, wenn man glücklich ist und dann anfängt sich darüber zu sorgen, dass man zu glücklich ist, um Musik zu schreiben.

Ja, so etwas habe ich definitiv schon gefühlt. Deswegen braucht es auch immer seine Zeit mit dem Texten – ich muss darauf warten, dass sich die Gefühle zeigen, anstatt einfach mich zu fragen worüber ich gerne schreiben würde.

Und für das nächste Album musst du wieder traurig werden?

Naja, wir werden sehen. „Thirst“ ist schon mal ein Beweis… ein weiterer Schritt in meinem Leben. Ich denke, ich habe genug Songs in meinem Leben geschrieben, dass ich es jetzt angehen kann, Songs von einer beobachtenden Position aus zu schreiben und mich trotzdem noch gut zu fühlen und nicht so wie sonst Angst davor zu haben über etwas zu schreiben, mit dem ich nicht verbunden bin.

Ich nehme an, das ist gut.

Ist es, weil ich in der Lage sein will, das alles so lange machen zu können wie ich will. Und ich will sicher sein, dass ich einen guten Song schreiben kann, den die Leute und ich auch mögen und der nicht von einer schweren Zeit in meinem Leben handelt. Jeder geht da durch und ich kann das Werkzeug nutzen, das ich mir beim Schreiben von vielen Alben aus meiner Perspektive angeeignet habe.

Für die Aufnahmen zu „The Hurry And The Harm“ bist du nach Nashville gegangen – hattest du geplant mit Musikern wie Jack Lawrence zu arbeiten oder war es eine spontane Idee vor Ort?

Naja, Alex Newport, der Produzent des Albums, hat die Jungs gefunden. Ich habe ihm alle Demos, die ich Zuhause selber aufgenommen hatte, geschickt. Ich habe vorher noch nie ein Album auf diese Weise gemacht, also einfach Leute auszusuchen. Es gab ein paar, die ich im Kopf hatte, aber ich wusste nicht wie sie finden sollte. Alex hat diese Leute ausgesucht, weil er dachte, sie würden den Songs gerecht werden. Glücklicherweise fand er Jack, der jetzt auch in der Band ist.

Ich liebe Jack! Ich habe ihn mal zusammen mit einer Freundin nach einem Raconteurs Konzert aufgelauert. Ich glaube, wir waren ihm etwas unheimlich.

Er ist sehr ruhig.

Und wir waren totale Fans.

(Lacht) Er ist großartig. Er ist einer der besten Menschen, die ich je getroffen habe. Ich bin sehr dankbar dafür, dass er auf dem Album gespielt hat, den die Bassparts sind mit meine liebsten Teile, und ein neuer Freund ist er auch. Die Wahl war also nicht gerade spontan, es war einfach ziemlich zusammengestellt. Der erste Tag im Studio war der erste Tag an dem ich Jack traf.

Wie merkwürdig ist es, mit Fremden zu spielen?

Ich dachte, es würde total merkwürdig werden. Aber mit Jacks Professionalität und weißt du, er ist eine großartige Person und das gleiche gilt für den Schlagzeuger Matt und Keyboarder und den anderen Schlagzeuger James, es war nicht komisch. Alle Leute, die wir ausgesucht haben, sind großartig. Wir sind einfach direkt miteinander klargekommen, obwohl wir uns nur ein oder zwei Tage kannten.

Lag das daran, dass ihr mit Musik eine Sache direkt gemeinsam hattet?

Ja, ich denke schon. Das ist eine unmittelbare Verbindung und dann hat man hoffentlich eine ähnliche Gesinnung, so dass du auch abseits davon ein anderes Wohlfühllevel findest und bei uns funktionierte es eben sofort. Ich hatte sehr, sehr viel Glück, dass dieses Erlebnis so gut verlaufen ist, insbesondere weil es das erste Mal war.

Haben sie an deinen Songs noch etwas verändert?

Die Songs waren vorher schon ziemlich fertig, bevor wir ins Studio gegangen sind, aber ich denke ihr natürliches Können veränderte das Resultat der Lieder. Natürlich könnte ich einen Teil auf meine Weise spielen oder schreiben, aber Jack wird ihn offenkundig auf seine Art spielen. Das gleiche gilt für Matt. Er ist ein unglaublicher Schlagzeuger. Ich kann ihm zwar eine kleine Richtungsangabe geben, aber sein Können übernimmt dann und ändert die Gestalt des Songs.

Auch eine Art etwas loszulassen. Hättest du das schon früher machen können?

Ich weiß es nicht. Ich denke nicht, da ich erst an diesen Punkt gelangen musste. Ich musste mich erst wohl genug mit mir selber und den Songs zu fühlen. Natürlich könnte ich mir nach diesem Erlebnis wünschen, es bei jedem Album gemacht zu haben, aber ich denke, dass ich dazu nicht in der Lage gewesen wäre.

Du bist ja sehr stolz auf „The Hurry And The Harm“. Wie lange hat es bei den Vorgängeralben gedauert, bis du etwasan ihnen ändern wolltest?

Ja, ich bin sicher, dass es bestimmte Sachen gibt, die ich mir jetzt anhöre und dabei denke, was ich besser machen könnte. Wenn ich mir jetzt das aktuelle Album anhöre, dann ist es genau das, was es sein soll und das ist gut. Jetzt kann ich hoffentlich weiterziehen und etwas besseres machen. Im Moment bin ich glücklich.

Musst du dich immer selber in Frage stellen um besser zu werden?

Ich denke schon, ja. Ich versuche es immer. Ich will immer besser werden. Besonders wenn man schreibt – das kennst du vielleicht selber – willst du nie denken, dass das gerade deine beste Arbeit ist. Du willst denken, dass ist das Beste im Moment, aber du willst in der Lage sein, dich zu verbessern. Ich will niemals feststellen, dass ich meinen besten Song geschrieben habe. Ich will hoffen, dass man immer anstrebt den besten Song zu schreiben, aber ihn niemals erreicht. Es ist ein endloser Prozess.

Vielen Dank für das Interview, Dallas!

Das wunderbare „The Hurry And The Harm“ erschien bereits im vergangenen Sommer. Jetzt spielt Dallas Green, City And Colour, zusammen mit seiner Band auf den Bühnen Deutschlands.

19.02., München, Tonhalle
21.02., Berlin, Huxley’s
22.02., Hamburg, Docks

https://cityandcolour.com/

Interview und Livephoto: Dörte Heilewelt