Interview mit Courtney Barnett



Courtney Barnett
, die Indie-Heldin aus Australien, singt Lieder über den Alltag, so schön und unaufgeregt. Im Sommer ist ihre erste Doppel-EP „A Sea Of Split Peas“ erschienen, ein Album muss erst noch folgen. Aber schon jetzt ist überall von ihr zu lesen und zu hören. In ihren Songs geht es um Urban Gardening und allergische Reaktionen („Avant Gardener“), schlechte Gesprächspartner („Out Of The Woodwork“: „It must be tiring trying so hard, to look like you’re not really trying at all“), betrunkene, unvergessliche Nächte in „History Eraser“, Freundschaften in „Anonymous Club“ oder auch Selbstbefriedigung, wie in „Lance Jr“, mit dem sie live gern ihr Publikum begrüßt.

Vor ihrer Show am Abend sitzen Courtney Barnett und ich im noch leeren Magnet Club in der Ecke auf den Ledersitzen. Draußen stehen schon die ersten Leute an, aber Courtney selber ist total entspannt mit dicker Fellmütze auf dem Kopf und erzählt mir kurz vorm Soundcheck von ihrem Musikerleben.

Am Wochenende sind wir uns auf der Straße in Brüssel begegnet und jetzt sitzen wir hier! Leider konnte ich deine Show dort nicht sehen, weil wir extra für Jack White angereist sind und das Konzert zur gleichen Zeit stattfand. Im Publikum war es dort ein wenig ruhig, was etwas schade war. Wie war es in Brüssel für dich?

Brüssel hat mir super gefallen! Aber bei unserem Konzert war es auch sehr ruhig im Publikum. Vielleicht ist es dort eher so üblich? Das ist bei Auftritten aber immer etwas schwierig, weil man doch durch die Energie der Leute auch wieder mehr Energie produziert. Ich habe das dort auf der Bühne sogar kommentiert, weil es sehr auffällig war. Aber nach dem Konzert gab es super Feedback, anscheinend fanden die Leute es doch super. Fair enough. Es fällt mir allerdings schwer vor einem Publikum zu spielen, was den Anschein macht, keine Lust zu haben eigentlich dort zu sein.

Wie ist es in Europa zu sein? Für Australier ist es doch meistens eine Riesensache. Alles passiert in Europa und es scheint immer so fern. Jetzt bist du mittendrin.

Früher schien es immer wie ein unrealistischer Traum nach Europa zu kommen. Es ist so verdammt teuer und ich dachte immer, dass es nie passieren würde. Deswegen ist es jetzt umso cooler. Wenn man sich die Zeit nimmt darüber nachzudenken, überwältigt einen der Gedanke manchmal.

Vor allem, weil es ja nie wirklich so geplant war, oder?

Das stimmt. Es ist alles irgendwie einfach so passiert.

Über dich liest man so einige interessante Sachen im Moment. Hast du mitbekommen, dass du als weibliche Kurt Cobain oder Bob Dylan bezeichnet wirst?

(lacht) Ja, das habe ich sogar schon oft gehört. Das wirkt so komisch. Ich liebe Bob Dylan, aber ich würde mich doch niemals mit ihm gleichstellen. Manchmal wirken die Geschichten in den Medien surreal. Ich versuche nicht mehr so oft über mich zu lesen.

Also googlest du nicht manchmal deinen Namen?

Früher schon! Das war so cool zu sehen, dass Leute tatsächlich über einen schreiben. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem es nicht mehr so wichtig schien. Gutes oder Schlechtes, es verändert ja doch irgendwie wie man sich selber sieht. Wenn ich alles glauben würde, würde ich von all dem Lob entweder größenwahnsinnig werden oder mich vor lauter Kritik nur noch verstecken wollen.

Im Moment scheint es nur positive Kritik zu geben. Alle sind begeistert von dir.

Das ist ja aber auch irgendwie gefährlich. Das erlaubt einem sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Irgendwie ist es echt komisch. Aber gleichzeitig doch so schön, dass sich Leute für einen interessieren. Meine künstlerische Leistung möchte ich selber aber nicht beeinflusst von den Medien bewerten.

Dein Song „Avant Gardener“ hat mich etwas verwirrt. Überall lese ich etwas anderes: hast du in dem Song eine Panikattacke oder eine allergische Reaktion? Oder beides?

Es ist ja tatsächlich so passiert und keiner weiß, was es eigentlich war. Wahrscheinlich beides. Eine leichte allergische Reaktion hat eine Panikattacke hervorgerufen. Auf jeden Fall hatte ich überall Ausschlag, aber der Arzt hat keine wirkliche Diagnose stellen können. Und Panikattacken habe ich auch ab und zu. Also, ich würde sagen, es war beides kombiniert.

Wenn wir jetzt anfangen über Panikattacken zu reden, dann wird dieses Interview genauso wie du mal Interviews beschrieben hast: wie eine Therapiesitzung. Denkst du das, weil du so viel von dir Preis geben musst? Ist dir das nicht ganz geheuer?

Ich rede halt normalerweise einfach nicht so viel über mich oder meine Emotionen. Deswegen schreibe ich die Songs. Darin erzähle ich von Dingen, mit denen ich mich nicht unbedingt mit Freunden oder meinem Partner unterhalten würde. Die Fragen „Worum geht es in diesem Song?“, „Bist du deprimiert?“ sind manchmal schon hart. Da kommt es natürlich auch auf die Stimmung an. Wenn ich gerade einen schlechten Tag habe und solche Fragen gestellt bekomme, macht mich das traurig. Aber generell ist es ja gut den Inhalt eines Songs zu diskutieren. Dennoch sind sie auch offen für verschiedene Interpretationen.

Obwohl deine Song doch ganz schön direkt sind, sehr straight forward. In dem Song „Are You Looking After Yourself?“ geht es um die Frage deiner besorgten Mutter. Sorgt sie sich zu Recht? Are you looking after yourself?

(lacht) Ja! Meine Mutter wäre zufrieden. Gerade heute habe ich ihr eine E-Mail geschickt. Ich versuche ihr eigentlich immer zu sagen, dass alles in Ordnung ist. Sie schreibt mir sehr oft und fragt danach.

Du hast mal gesagt: „Money sucks.“ Ich bin total einverstanden. Es ist doch fast egal wie viel Geld man hat. Hat man mehr, gibt man mehr aus und hat man weniger, gibt man weniger aus. Gleiche Scheiße.

In unserer Gesellschaft dreht sich doch alles ums Geld. Abartig! Es macht nicht wirklich glücklich. So lange man sich selber versorgen kann, ist es ok. Wie unglaublich, dass an manchen Ecken tausende Dollars für Scheiß ausgegeben wird und auf der anderen Seite gibt es Leute, die kein Zuhause und kein Essen haben.

Nur weil es dir aber nicht um Geld geht, heißt das nicht, dass du keine Ambitionen hast. Was ist dir wichtig bei deiner Karriere?

Mein Ziel ist immer besser zu werden, in dem was ich gerade mache. Meine Kunst zu verbessen. Zu lernen bessere Songs zu schreiben. Als Künstler beständig zu sein. Mich nicht ständig um Geld sorgen zu müssen. Nicht Angst zu haben aus seinem Haus geworfen zu werden, weil die Miete nicht bezahlt wird.

Hast du manchmal das Gefühl, dass du nicht Sängerin sein solltest, sondern etwas anderes machen solltest?

Als ich jünger war, habe ich mir mehr Gedanken um die Erwartungen Anderer gemacht. In der Schule wird einem da ja sehr viel Druck gemacht etwas „Vernünftiges“ zu erreichen. Zur Uni zu gehen, einen Beruf zu lernen und ihn für immer auszuüben… Mittlerweile fühle ich mich sehr wohl mit dem was ich mache. Aber wie bei allem im Leben, frage ich mich natürlich manchmal, was ist denn eigentlich der Sinn der Sache? Was bringt es den Leuten, dass ich Musik mache? Wem hilft es? Ich könnte doch auch Ärztin sein und Leben retten. Das macht im Prinzip mehr Sinn.

Da würde ich aber dagegen argumentieren, dass Musik sehr wohl Leben retten kann.

Stimmt.

Du hast vorher schon so viele andere Jobs gehabt, hast sehr lange in einer Bar gearbeitet und erzählst oft wie langweilig es für dich war, immer das gleiche zu tun. Auf Tour zu sein, immer die gleichen Songs zu spielen, ist ja auch ein repetierender Ablauf. Wie geht es dir dabei?

Beim Touren kann es dir natürlich genauso gehen. Manchmal hat man Tage, an denen man sich fragt, was man da eigentlich macht. Und an anderen merkt man: Ah, deswegen!! Wenn dir jemand nach der Show sagt, wie besonders es war, das gibt einem ein sehr gutes Gefühl.

Heute bekommst du schon Vorschusslorbeeren. Draußen stehen nämlich schon die Ersten Schlange.

Shit. Das ist krass. Gestern habe ich auch erfahren, dass wir ja eine größere Venue bekommen haben, weil so viele Tickets verkauft wurden. Wow. Das ist aufregend.

Du hast auch schon auf riesigen Festivals gespielt: Lollapalooza, Coachella, Glastonbury….

Festivals machen so viel Spaß. Es ist so wild! Dieses Jahr haben wir das zum ersten Mal gemacht. Manche sind so riesig! Da wird man in so einem Golfauto backstage herumgefahren, weil man es zu Fuß kaum schaffen kann. Eine unreale Welt! Früher war ich oft auf Festivals als Besucher unterwegs, Big Day Out, Falls Festival, etc.

Gerade wurde Lollapalooza für Berlin angekündigt. Vielleicht bist du ja sogar dabei!

Das wäre sehr cool.

Interview: Christina Heckmann

www.courtneybarnett.com.au