Interview mit Blood Red Shoes

Eigentlich würde Laura-Mary Carter wahnsinnig gern Metronomy sehen, wie sie sehnsüchtig bemerkt, als die Band im Hintergrund zu spielen beginnt. Sie und ihr Partner Steven Ansell haben ihren Auftritt beim diesjährigen Hurricane Festival schon zur Mittagszeit hinter sich, aber statt Bands gucken stehen Interviews an. Aber ein wirklicher Beinbruch scheint es nicht zu sein, die beiden umtriebigen Engländer sind es nicht anders gewöhnt. Seit bald zehn Jahren touren sie als Blood Red Shoes unermüdlich durch die Weltgeschichte, ihr inzwischen viertes Album im Gepäck. Auf dieses sind sie besonders stolz, denn während einer intensiven Zeit in Berlin entstand es quasi ohne jeglichen Einfluss von außen, allein von Laura-Mary und Steven wurde es geschrieben und aufgenommen. Mit einem Beinah-Gastauftritt von Earth Wind And Fire. Laura-Mary erzählt mir, wie es dazu beinah gekommen wäre und noch vieles anderes.

Euer Auftritt war wirklich toll. Besonders für einen so frühen Spot am Tag, bei strahlendem Sonnenschein…

Ja, wir waren selber total überrascht, wie viele Leute da waren. Ich hoffe, es war okay. Wir haben uns selber kaum gehört. Es ist manchmal nicht leicht auf Festivals zu spielen, wenn man keinen richtigen Soundcheck hat, schnell alles einstöpselt und dann los legt. Dafür war es, glaube ich, ganz gut.

Ich habe euch schon ein paar Mal live gesehen und hatte den Eindruck, dass da noch mal eine neue, spannende Energie bei euch auf der Bühne entstanden ist.

Das freut mich zu hören. Wir wissen selber immer nicht so recht, was rüber kommt, besonders bei eher schwierigen Festival Shows. Es fängt schon damit an, dass es hart ist, eine Setlist zusammen zu stellen, wenn man vier Stunden Material hat und nur eine halbe Stunde spielen kann. Aber ich denke, dass wir insgesamt mit den Jahren immer besser werden. Es ist schön, wenn das so wahr genommen wird.

Ihr seid nun ja auch schon seit geraumer Zeit als Band unterwegs. Ich bin immer beeindruckt davon, vor allem, wenn man nur zu zweit ist. Wie hält man es so lange miteinander aus?

Oh, wir haben uns manchmal ganz schön satt. Es kann wirklich hart sein. Was Steven und mich aber zusammen hält ist, dass wir nie zufrieden mit uns sind. Wenn man irgendwann zu zufrieden mit sich selbst ist, muss man wahrscheinlich aufhören. Auch an einem Tag wie heute, wo wir schon gespielt haben, denke ich, wir könnten noch so viel mehr tun. Das hält uns bei der Stange. Wenn wir ein paar Tage am Stück frei haben, wirft uns das regelrecht aus der Bahn. Ich habe dann ganz absurd Angst, ich könnte das Gitarrespielen verlernen, lauter so verrückte Sachen (lacht).

Sieht auch nicht so aus, als würdet ihr euch viel frei nehmen, wenn man sich ansieht, wie viel ihr in den letzten Jahren allein auf Tour wart.

Nein, tun wir nicht. Obwohl es uns natürlich gut tut. Man hat mehr Energie nach einer Pause. Aber das Gefühl, immer mehr geben zu wollen, ist unsere größte treibende Kraft.

Ist das auch der Grund, warum ihr euch entschieden habt, euer aktuelles Album komplett im Alleingang aufzunehmen, ohne Hilfe von außen?

Ja, es fühlte sich einfach wie der natürlichste Weg an. Für unser drittes Album haben wir erst einmal selber viele Demos aufgenommen, bevor wir mit unserem Produzenten an die Aufnahmen gegangen sind. Am Ende haben wir viele von den Demos genau so übernommen. Das haben wir daraus gelernt, dass es schwierig sein kann, den ursprünglichen Moment wieder herzustellen. Er mag vielleicht nicht perfekt sein, der Sound nicht ideal oder der eine oder andere Ton daneben, aber das spielt keine Rolle. So sind wir ja auch live, wir machen natürlich Fehler auf der Bühne. Es geht um unsere Energie, unseren Vibe, das bedeutet uns mehr als Perfektion. Dabei haben wir es noch nie gemacht, dass wir ein Album einfach live eingespielt haben. Das ist auch etwas, für das man erst einmal das entsprechende Selbstvertrauen entwickeln muss. Ich glaube auch nicht, dass wir es ab sofort immer so machen werden, aber ich denke, jeder Band würde es gut tun, es zumindest einmal gemacht zu haben.

Wart ihr denn wirklich komplett allein oder gab es jemanden, dem ihr zwischendurch Material geschickt habt, um eine andere Meinung zu hören?

Wir waren tatsächlich die meiste Zeit ganz allein in einem Raum in Berlin, da gab es nur uns, unser Equipment und ein Klavier. Wir wollten es auch nicht Zuhause in unseren Räumen machen, es war uns wichtig, woanders zu sein, daraus wieder Inspiration zu ziehen. Als wir schon fünf bis sieben Songs aufgenommen hatten, dachten wir, niemand hat das bis jetzt gehört, vielleicht ist es ja auch ganz furchtbar, was wir da machen. Okay, wir fanden es gut, aber es besteht die Gefahr, dass man sich als Band in einem Moment verliert, der einem selber gerade gut tut. Also haben wir ein paar Songs an unser Management geschickt und sie haben uns versichert, dass wir auf einem guten Weg sind. Dann haben wir die Leute von unserem deutschen Label zu uns ins Studio eingeladen, haben was zusammen getrunken und ihnen ein paar Songs vorgespielt. Wir sind sehr eng mit ihnen befreundet und sie haben das Gleiche gesagt. Da wussten wir, wir können so weiter machen.

Habt ihr in all den Jahren mal daran gedacht, Soloprojekte zu machen oder auch mit anderen Bands zusammen zu arbeiten?

Ja, immer mal wieder. Vor allem in letzter Zeit, es gibt viele neue, spannende Bands, auch in unserem Freundeskreis, mit denen wir gerne etwas machen würden. Auch als wir in Berlin waren, haben wir überlegt, ob wir nicht jemanden ins Studio einladen sollten, der ein bisschen mit uns jammt. Es stellte sich aber heraus, dass niemand in der Gegend war (lacht). Normalerweise kommen ja tierisch viele Bands nach Berlin, aber in der Zeit war wirklich niemand da. Dann stellte sich raus, dass die einzige Band, die verfügbar gewesen wäre, Earth Wind And Fire waren. Die wären sogar vorbei gekommen.

Wirklich?

Ja! Die sind sehr unternehmungslustig und jammen mit so ziemlich jedem, der anfragt. Wir haben kurz überlegt, aber das sind so großartige Musiker… und wenn man mal ganz ehrlich ist und das große Ganze betrachtet, sind wir im Vergleich zwei Punks, die in ihrem Leben nie wirklich gelernt haben ein Instrument zu spielen. Ich weiß im Prinzip gar nichts über Gitarren, ich kann die Akkorde spielen, habe aber keine Ahnung wie sie heißen. Meine erste eigene Gitarre habe ich gekauft, da gab es die Band bereits vier Jahre. Steven hat ewig auf einem geliehenen Schlagzeug gespielt. Die Vorstellung, mit einer derart legendären Band zu jammen, war also eher beängstigend (lacht). Wir sind ja eigentlich bereit, alles auszuprobieren, aber da hatten wir dann doch Angst, sie könnten uns auslachen…

Mal davon abgesehen beinah mit Earth Wind And Fire gejammt zu haben – gibt es noch etwas, wovon ihr sagt, das hätte euch so nur in Berlin passieren können?

Das ist eine gute Frage… mir fällt nur leider gerade gar nix ein. Boah, bin ich langweilig! (lacht) Aber die Tatsache, dass wir in einer fremden Stadt waren, gemeinsam in einem Raum, in dem wir 24 Stunden lang Lärm machen konnten, das war schon etwas Besonderes. Ich finde, dass die Menschen in Berlin unglaublich offen und entspannt sind, wenn es um Kunst und Kreativität geht. Es waren schon Leute dort ringsum, die gearbeitet haben, aber sie waren cool und haben sich nicht an uns gestört. Ich glaube, das gibt es so nirgendwo sonst auf der Welt. Ich finde, in Berlin wird man viel mehr als sonst wo als Erwachsener behandelt. Das mag komisch klingen, aber ich bin in London aufgewachsen und alles, was man dort tut, wird irgendwie beobachtet. Es gibt für alles Regeln. Dass man in Berlin zum Beispiel auf der Straße Alkohol trinken kann – es hat durchaus seine Gründe, warum das in London verboten ist! Ich bin mir sicher, es würde in totalem Chaos enden, weil jeder es bis zum absoluten Extrem treiben würde.

Ich danke dir für das Gespräch! Auch wenn du wegen mir jetzt Metronomy verpasst hast.

Das ist okay. Es war nett, wir haben uns ja mehr unterhalten. Das ist eine sehr angenehme Abwechslung.

Ich hatte schon überlegt, mir einen Spaß zu erlauben und das Interview mit euren zwei „Lieblingsfragen“ zu eröffnen: Erstens, woher kommt eurer Name? Und zweitens, was haltet ihr davon mit den White Stripes verglichen zu werden?

(lacht laut) Das hätte tatsächlich das kürzeste Interview aller Zeiten werden können. Vor allem wenn Steven dabei gewesen wäre. Er wäre wahrscheinlich raus gerannt und hätte die Tür hinter sich zugeknallt.

Interview: Gabi Rudolph

www.bloodredshoes.co.uk