Interview mit Aloe Blacc

Es ist noch relativ früh am Morgen, als Aloe Blacc und ich uns im Berliner Soho House zum Interview treffen. Im nachtblauen Samtanzug mir gegenüber im jadegrünen Polstersessel wirkt er über die Maßen elegant – fast schon ein wenig wie nicht von dieser Welt. Im Frühjahr 2011, bei unserer ersten Begegnung, habe ich Aloe Blacc als zurückhaltend, aber angenehm professionell und aufmerksam empfunden. An diesem Morgen erscheint er mir noch ein wenig zugänglicher als beim letzten Mal. Obwohl er im Gespräch kaum eine Miene verzieht, mir nur selten ein Lächeln schenkt, macht es doch großen Spaß sich mit ihm zu unterhalten. Aloe Blacc ist ehrgeizig, hat Ziele und eine Vision von einer besseren Welt. Aber lesen Sie selbst.

Ich habe Dein aktuelles Album gehört.

Wie findest du es?

Im Gegensatz zu Deinem Erfolgsalbum „Good Things“ ist es diesmal kein striktes Soulalbum geworden. Und ehrlich gesagt vermisse ich das ein wenig.

Du vermisst den Soul.

Ein bisschen, ja. Zumindest geht es mir so, dass ich beim Hören die stärkste Verbindung zu den Songs herstelle, die diese Soul-Referenz haben, wie „Soldier In The City“ oder „Eyes Of A Child“, das so wunderbar an Marvin Gaye erinnert.

Das verstehe ich.

Als ich Dich das letzte mal getroffen habe, hast Du mir erzählt, dass es Dein Ziel war, mit „Good Things“ ein durch konzipiertes Soul Album zu kreieren. War es diesmal auch eine bewusste Entscheidung es nicht zu tun oder ist das bei der Arbeit passiert?

Es war eine absolut bewusste Entscheidung. Auf diesem Album wollte ich einen vielfältigeren Querschnitt der Musik präsentieren, für die ich mich interessiere. Das Ziel war, ein Album von einer Klangtreue zu schaffen, wie man sie zum Beispiel von Dr. Dre kennt. Seine Songs klingen groß und gut produziert. Gleichzeitig wollte ich die Ehrlichkeit eines Stevie Wonders. Jeder Song ist mit echten Musikern, großartigen Musikern, aufgenommen worden. Und ab und zu sollte es auch Raum geben für verzerrte Gitarren, wie bei Jimy Hendrix. Ein bisschen Psychedelic und Rock, vielleicht auch nur in der Attitüde – meine Kunst ist mir wichtig und ich lasse es euch wissen. Das war der Plan. Es kamen dann aber auch noch andere Einflüsse hinzu. Zum Beispiel war es die Idee meiner Plattenfirma, mit Pharell zu arbeiten. Das Album war quasi schon fertig, als er dazu kam. Ich habe es ihm vorgespielt und er meinte: „Ich sehe, dass dein Album fertig ist, aber ich würde trotzdem gerne etwas ausprobieren.“ Ich wollte eigentlich nur zehn Songs auf dem Album haben, aber natürlich wollte ich auch gern mit ihm arbeiten. So ist „Love Is The Answer“ entstanden, worüber ich sehr froh bin. Aber der Song klingt dadurch etwas anderes als der Rest des Albums. Insgesamt war es aber meine Absicht, so vielfältig wie möglich zu arbeiten.

Du sagst, dass es wichtig ist, mit guten Produzenten zu arbeiten. Viele Künstler haben Angst davor, einem Produzenten zu viel Einfluss zu geben, weil das die Persönlichkeit der eigenen Songs zerstören könnte.

Das ist mir natürlich auch schon passiert. Aber diese Songs haben es am Ende einfach nicht auf ein Album geschafft. Es gibt diese Figur, einen Charakter, den ich der Welt präsentieren möchte. Und wenn etwas, das ich ausprobiert habe, dazu nicht passt, bekommt es niemand zu hören. So einfach ist es.

Aber Du bist erst einmal grundsätzlich bereit es zu versuchen.

Ich bin absolut bereit, es auszuprobieren. Die Songs, die ich für das Album ausgewählt habe, sagen etwas genau so aus, wie ich es wollte. Auch wenn ich hier und da Kompromisse machen musste.

Was macht für Dich einen guten Produzenten grundsätzlich aus?

Ein guter Produzent sollte sich extrem gut in verschiedensten Musikstilen auskennen. Und er sollte mindestens ein Instrument spielen. Und natürlich sollte er wissen, wie man mixt und arrangiert. Er sollte Erfahrungen haben mit hunderten, hunderten von Songs. Nur wenn du einen riesigen Katalog von Musik in deinem Kopf hast – Jazz, Blues, Rock, Klassik, einfach alles – kannst du dich der Werkzeuge bedienen, die diese Musik ausmachen. Für mich macht es nur Sinn mit einem Produzenten zu arbeiten, der mehr über Musik weiß als ich.

Was ist mit deinen Hip Hop Wurzeln? Letztes mal hast Du mir erzählt, dass Du auch noch an deinem Projekt Emanon arbeitest.

Es ist so weit fertig. Jetzt müssen wir noch gucken, wie wir es veröffentlichen wollen. Wir haben 30 Songs, viel zu viele für ein Album. Das, was wir haben, ist die beste Arbeit, die ich je als MC gemacht habe. Ich bin immer noch dabei, meine Stimme als MC zu finden. Als Sänger denke ich, habe ich sie im Soul und Folk gefunden. Die Produktion drum herum kann im Prinzip alles sein.

Letztes mal haben wir natürlich auch über „I Need A Dollar“ gesprochen. Ich habe Dich gefragt, ob Du erklären kannst, wie man einen Hit schreibt, aber Du hast gesagt, es wäre nicht wirklich greifbar. Und trotzdem hast Du es mit „Wake Me Up“ schon wieder geschafft.

Ja… Ich habe es mal wieder nicht geplant, eine Antwort, die dir wahrscheinlich fast jeder geben wird, der je einen Hit geschrieben hat. Aber ich denke, dass ich trotzdem langsam weiß, wie man einen Hit schreibt. Planen kann ich es trotzdem nicht. Man kann sich mit einem bestimmten Song aber besonders gut fühlen. Vielleicht kennst Du das noch aus der Schulzeit – Du schreibst einen Test und bist Dir total sicher, dass Du alles richtig hast. Und am Ende kriegst Du doch eine schlechte Note. Gefühle und Ergebnisse können manchmal weit auseinander liegen. Aber als Künstler braucht man auch diese Verrücktheit, ein übersteigertes Egogefühl. Einfach das Gefühl, der Größte zu sein (lächelt). Sonst würde man nicht weiter machen.

Aber ist das nicht ein unfassbar tolles Gefühl? Einen Song zu schreiben, den Millionen von Menschen hören und lieben?

Es ist das beste Gefühl von allen. Sie hören ihn, sie lernen die Worten und singen ihn mit. Dabei fühlen sie, was ich beim Schreiben des Songs gefühlt habe und damit ausdrücken möchte. Ich habe nicht so viele Ziele als Songwriter. Eines ist, in die Songwriter Hall of Fame zu kommen. Ein weiteres ist, so viel zu geben, wie Michael Jackson in seiner Karriere gegeben hat. Mein drittes und wichtigstes Ziel ist es, Harmonie zu erschaffen. Musikalisch und wörtlich gesehen. Als jemand, der in der Welt da draußen eine Stimme hat, sehe ich es fast schon als meine Pflicht an. Ich möchte, dass die Menschen daran glauben, dass sie in Harmonie leben können. Ich versuche, es ihnen vorzuleben, mit meiner Musik und mit meinen Taten und hoffe, dass sie sich mir anschließen.

„Lift Your Spirit“ ist auch wirklich ein sehr harmonisches Album. Aber dann ist da am Ende dieser Song, „Ticking Bomb“. Der bricht plötzlich völlig die Harmonie, die Du im Vorfeld aufgebaut hast.

„Ticking Bomb“ ist ein politischer Song. Trotz aller Harmonie ist es mir wichtig, politisch und sozial relevante Themen anzusprechen. Der Song war aber bis zum Schluss auf der Kippe, es war nicht sicher, ob er es auf das Album schafft. Schließlich heißt es „Lift Your Spirit“ – macht es dann Sinn, so einen Song auf dem Album zu haben? Letztendlich war mir die Message aber zu wichtig. „Ticking Bomb“ handelt von den Konflikten im Kongo, dem Krieg um Rohstoffe, die Ausbeutung afrikanischer Länder zugunsten Europas seit Jahrzehnten. Inzwischen sind es ganze Unternehmen, die Kriegsherren dafür bezahlen, ganze Dörfer zu zerstören und ihre Bewohner zu töten, um auf diesem Land zu bauen – damit wir schöne Handys, Autos und Kleidung haben können. All diese Dinge nutzen wir täglich ohne zu realisieren, dass Menschen dafür mit ihrem Leben bezahlt haben. Als ich „Ticking Bomb“ geschrieben habe, hatte ich all das im Kopf und wusste, dass Leute, wie Du, mir dazu Fragen stellen werden. So kann ich das Bewusstsein der Menschen für solche Themen wecken. Und nur wenn du dir einer Sache bewusst bist, kannst du Entscheidungen treffen. Wenn du in Harmonie leben möchtest, musst du dich um solche Dinge kümmern. Und sobald du dich kümmerst, kannst du Dinge ändern. Finde heraus, woher die Sachen kommen, die du täglich nutzt! Boykottiere bestimmte Firmen. Nur so wird ein Leben in Harmonie möglich.

Interview: Gabi Rudolph
Fotos (c) Reid Rolls