Hugo Helmig im Interview: “Das Problem an Social Media ist das fanatische Streben nach Perfektion”

„Please Don‘t Lie“ – dieses Jahr kann man sich diesem Hit nicht entziehen, und auch Hugo Helmigs aktuelle Single „Wild“ hat sich schnell zu einem der beliebtesten Radiohits diesen Sommers etabliert. Der 19-jährige Däne hat es quasi über Nacht zu einem der angesagtesten Newcomer des Jahres geschafft. Den sympathischen Hugo haben wir im Rahmen des diesjährigen SWR3 New Pop Festivals in Baden-Baden zum Interview getroffen und mit ihm über seine musikalischen Anfänge sowie die Chancen und Risiken sozialer Medien gesprochen. Derzeit arbeitet er mit Hochdruck an seinem Debütalbum, dessen Release wir mit Vorfreude erwarten. Wir sind uns sicher, dass man in Zukunft noch vieles von diesem talentierten Musiker hören werden.

Die letzten Monate waren für dich nicht nur in Dänemark, sondern auch hier in Deutschland extrem erfolgreich. Deine Songs laufen ständig im Radio und werden millionenfach gestreamt. Wie hast du diese Zeit erlebt?

Um ehrlich zu sein habe ich das noch gar nicht richtig verarbeitet. Das ist alles einfach wahnsinnig verrückt! Als „Please Don’t Lie“ in Dänemark so schnell durch die Decke gegangen ist, haben wir uns gesagt: „Warum probieren wir unser Glück nicht einfach auch mal in Deutschland?“ Also haben wir den Song auch hier rausgebracht, wir hätten aber niemals mit einem vergleichbaren Erfolg gerechnet. Doch er ist auch in Deutschland super angelaufen uns hat sich recht schnell in den Charts platziert. Eine gute Chartplatzierung in Deutschland zu erzielen ist schon krass und sehr schön. Ich finde es toll, hier zu sein und Festivals spielen zu können.

Dein Vater ist in Dänemark ein bekannter Musiker. Wie alt warst Du denn, als ihr angefangen habt gemeinsam zu jammen?

Relativ jung…Als ich 8 Jahre alt war, habe ich angefangen, Klavier zu spielen. Ich habe damals nicht übermäßig viel gespielt, aber das war der Anfang. Meine Mutter hat sich gewünscht, dass ich klassischen Klavierunterricht bekomme. Das ging dann ungefähr 2 Monate gut, aber es hat mir nicht sonderlich gut gefallen, so dass ich es im Endeffekt ganz geschmissen habe. Also habe ich angefangen, mir das irgendwie selbst beizubringen und meine eigenen Lieder zu spielen. Ab und zu griff ich aber auch zur Gitarre – je nach Lust und Laune. Mit 15 habe ich dann auf ein Internat gewechselt. Seitdem mache ich extrem viel Musik und schreibe viele eigene Songs. Ich habe eigentlich immer Schulen besucht, in denen Musik besonders gefördert wurde, meist waren das „normale“ Schulen mit einem musikalischem Fokus. Ich war zuletzt auf einer so genannten „freien Schule“ in meiner Heimatstadt Aarhus, in der zum Beispiel Samba gespielt und dazu getanzt wird, aber auch die gängigen Schulfächer wie Mathe und Englisch kommen nicht zu kurz. Die Musik steht aber mehr im Vordergrund als bei anderen Schulen.

Und erinnerst du dich an deinen ersten selbst geschriebenen Song?

Ich habe schon immer kleinere Stücke geschrieben, mal hier einen Vers oder eine Melodie. Meinen ersten richtigen Song habe ich tatsächlich für ein Schulprojekt an der freien Schule geschrieben. Ich musste für ein Jahresprojekt zwei Songs schreiben und im Studio aufzunehmen. Mein Vater hat mir dabei natürlich unter die Arme gegriffen als es dann an die Studiosessions ging.

Wovon handelten die beiden Songs?

In beiden Songs ging es um Liebe. Ich kann mich leider nicht mehr an die Songtitel erinnern, es ist schon eine ganze Weile her. (lacht) Ja ok, es sind eigentlich nur fünf oder sechs Jahre, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Es waren auch echt keine besonderes guten Lieder, sie waren total kitschig!

Haben alle deine Klassenkameraden für das Projekt zwei Songs geschrieben, die ihr dann am Ende performt habt?

Nein, man konnte im Prinzip wählen, was man wollte. Es war nur wichtig, dass das Ergebnis irgendeine Kunstform war. Manche meiner Mitschüler haben sich zum Beispiel für die Malerei entschieden und haben dann Gemälde angefertigt. Und meine damalige Freundin ein Kleid entworfen und genäht. An dem persönlichen Projekt haben wir dann circa 6 Monate lang einen Tag pro Woche gearbeitet. Am Ende gab es hunderte unterschiedliche Projekte, die bei einer Ausstellung Freunden und der Familie gezeigt wurden. Eine sehr schöne Sache eigentlich.

Aktuell arbeitest Du an Deinem Debütalbum. Wie läuft‘s? Kannst Du uns schon etwas darüber verraten?

Es läuft super! Wobei der eigentliche Aufnahmeprozess noch nicht sehr fortgeschritten ist, um ehrlich zu sein. Die Songs selbst stehen natürlich schon, aber die Aufnahmen, das Einsingen der Vocals und die Produktion fehlen noch. Die heiße Phase beginnt aber tatsächlich schon kommende Woche. Wir sind dann für vier Tage in Kopenhagen, dann verbringe ich das Wochenende mit meiner Freundin und meinem Hund und dann geht’s direkt wieder nach Kopenhagen. So wird das dann wohl für die nächsten zwei Monate gehen.

Das Album wird also in Kopenhagen aufgenommen?

Genau, wir arbeiten in Kopenhagen an dem Album. Ich prüfe jedoch gerade, ob mein Produzent eventuell auch mal nach Aarhus kommen kann, sodass ich etwas mehr Zeit zu Hause verbringen kann. Mein Hund ist noch ein kleiner Welpe und meine Freundin geht dort zur Schule, daher versuche ich so oft es geht in der Heimat zu sein. Auch wenn mir das Arbeiten am Album extrem viel Spaß macht, würde ich gerne mehr von zu Hause aus arbeiten.

Wie gehst Du beim Songwriting vor? Hast Du ein bestimmtes Schema, an das du dich hältst?

Nein, ein bestimmtes Schema habe ich da nicht, manchmal ist die Melodie das erste was ich im Kopf habe, manchmal ist es ein Lyric Part, den ich aus dem Nichts niedergeschrieben habe. Sonst jammen wir auf der Gitarre, bis wir eine tolle Melodie und/oder einen schönen Refrain finden, der uns alle begeistert. Diesen besonderen Moment zu erleben kann unter Umständen aber auch mehrere Stunden dauern. Für „Please Don’t Lie“ haben wir zum Beispiel erst die Bridge geschrieben, bevor der Refrain oder die Strophen standen.

In „Please Don’t Lie“ geht es darum, dass Social Media viel zu viel Zeit in unserem Leben in Anspruch nimmt. Wie gehst Du mit dem Thema um?

(lacht) Ich muss mir da selber an die Nase fassen. Aber ich arbeite an mir. Meine Freundin und ich waren im Sommer mit Familie und Freunden in Dänemark campen. Währenddessen haben wir alle unsere Smartphones weggepackt und sie während des ganzen Aufenthalts nicht benutzt. Das Camping selbst war eher einfach gehalten, wir haben das Essen über offenem Feuer zubereitet, sind im See schwimmen gewesen – also nicht wirklich ein Urlaub, bei dem man ein Handy benötigen würde. Das war sehr schön! Zurück aus dem Urlaub haben wir das Thema dann auch besprochen und seither versuchen wir verstärkt, nicht alle 10 Minuten aufs Handy zu schauen, um zu sehen ob es was Neues gibt. Denn: Natürlich gibt es nichts Neues! Klar muss man auf Nachrichten oder Emails antworten, aber das muss man nicht sofort machen. „Please Don’t Lie“ geht mich also genauso an wie alle anderen, weil auch ich viel zu oft am Handy hänge. Auch meine Mutter, meine Schwester, meine Freunde, wenn wir gemeinsam unterwegs sind – sie alle sind ständig connected. Social Media bietet einem als Künstler super Möglichkeiten sich zu präsentieren. Das Problem an der Sache ist jedoch das fanatische Streben nach Perfektion: wenn man anfängt, stundenlang Bilder zu bearbeiten zu retuschieren. Es sagt niemand etwas, wenn man Bilder leicht nachbearbeitet, aber wenn man sich nicht mehr wiedererkennt auf dem Foto, dann ist das bedenklich. Das eigentliche Problem sind somit nicht die sozialen Medien an und für sich. Social Media ist cool, nur sollten wir es weniger und überlegter nutzen.

Du wirst oft mit Sängern wie Shawn Mendes verglichen. Wie fühlt sich das an? Kannst du das als Kompliment ansehen?

(lacht) Klar sehe ich das als Kompliment, ganz sicher sogar! Gerade Shawn Mendes, er ist gutaussehend und dazu auch noch sehr talentiert. Er macht grandiose Musik, super Pop-Songs und er hat eine kristallklare Stimme mit dem gewissen Biss. Der Gesang auf seiner neuen Single „There’s Nothing Holdin‘ Me Back“ ist umwerfend! Genauso wie bei „In My Blood“. Ich mag seine neue Platte sehr! Ich glaube, ich finde es ganz cool mit Shawn Mendes verglichen zu werden, auch wenn ich überhaupt nicht so aussehe wie er und auch anders klinge als er. (lacht)

Mit wem würdest du denn gerne mal zusammenarbeiten?

Oh, da gibt es viele Leute, mit denen ich sehr gerne arbeiten würde. Lasst mich überlegen… eigentlich wollte ich schon immer mal einen Song mit Justin Bieber machen. Das wäre super! Ich finde ihn sehr cool und verfolge seine Karriere seit seiner frühen YouTube Zeit, als er „One Less Lonley Girl“ veröffentlicht hat und er noch die langen Haare hatte. Ja das ist echt schon eine Weile her. (lacht) The Weeknd oder Zara Larsson wären aber auch echt cool. Aber das sind alles unerreichbare Superstars…

Welche Songs finden sich derzeit in deiner Playlist? Kannst du uns was empfehlen?

(zückt sein Smartphone) Ja, das können wir jetzt direkt checken. Ich habe da diese eine Playlist, die ich regelmäßig höre, ich habe sie „Good Music“ genannt – sie ist genial! Von Busta Rhymes’ Hip Hop Songs über Shawn Mendes bis hin zur neuen Single von den Backstreet Boys. „I Like Me Better“ von Lauv, „Love Someone“ von Lucas Graham und „The Man Who Can’t Be Moved“ von The Script habe ich zuletzt hinzugefügt. In der Playlist finden sich aber auch viele ältere Songs wieder. Kenn ihr zufällig Jordan Rakei? Seine Musik ist mehr Indie, aber genial! Wen sich die Leute aber wirklich anhören sollten ist Majid Jordan. Ganz großartig! Er ist bei Drake’s Label gesigned. Einer meiner Lieblingssongs von ihm ist „King City“. Das müsst ihr Euch wirklich mal reinziehen! Sehr cool.

Sprichst Du denn etwas Deutsch? Wenn ja, was kannst Du sagen?

Nur sehr wenig! Ich kann „Erdbeere“ sagen. Fragt mich nicht wieso! (lacht) Ich hatte in der Schule Deutschunterricht, aber ich war nicht besonders gut darin mich hinzusetzen und mich zu konzentrieren. In Englisch war ich ganz gut aber Deutsch und Mathe waren nicht wirklich meine Stärken, da man dafür einfach viel lernen musste. Was kann ich denn noch sagen? Dann kann ich natürlich bis zehn zählen (zählt perfekt auf 10) und ich glaube aber, dass ich eine sichere Aussprache und keinen starken Akzent habe.

Zum Ende haben wir noch ein paar „Entweder-Oder“-Fragen: Sommer oder Winter?

Oh, das ist schwierig! Ich mag beide Jahreszeiten so gerne, aber ich entscheide mich für den Sommer.

Party oder lieber zu Hause relaxen?

Zu Hause relaxen. Ganz klar!

Fliegen können oder Gedanken lesen?

Ich denke, wenn ich Gedanken lesen könnte, würde das wahrscheinlich böse enden. Man würde unter Umständen komische Dinge erfahren…Die Gedanken von Menschen lesen zu können stelle ich mir auf Dauer sehr anstrengend vor. Wenn man es jedoch ein- und ausschalten könnte wäre es vielleicht eine Option. Aber konstant Gedankenlesen? Nein Danke! (lacht) Ich nehme das Fliegen.

Interview: Mirjam Baur & Marion Weber
Foto: Mirjam Baur

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