Goose, Rosi’s Berlin, 24.11.2012

Kann sich noch jemand an den Drew Barrymore-Film „Roller Girl“ erinnern? Da gibt es diese Szene, in welcher es zum ersten Mal mit den Rollschuhen auf der Bahn so richtig zur Sache geht. Die Protagonistin muss beweisen was sie drauf hat. Frau gegen Frau. Ellen Page schiebt sich aufgeregt ihren Mundschutz rein und Juliette Lewis geht grimmig guckend in die Hocke. Dann geht es los. Goose werden gespielt. „Black Gloves“ vom 2007er Erstlingswerk „Bring It On“ macht dem Publikum des Derbys, den Rollergirls sowie dem Zuschauer ordentlich Feuer unter den Hintern. In solchen Momenten scheint es die perfekte Symbiose von Musik und Film tatsächlich zu geben. Diese Komposition inmitten eines Coming-of-Age-Streifens, der noch ewig und drei Tage nachhängen wird. Das ist wahre Kunst. Solch eine erinnerungswürdige Abreibung in einem recht durchschnittlichen Film kann nur ein Quartett wie Goose auf die Beine stellen. Hut ab dafür.

Auch am Samstagabend des 24. Novembers versucht man die Belgier in ein Kostüm der unterschiedlichsten Möglichkeiten zu zwängen. Die „Factory“-Partyreihe macht Halt im Friedrichshainer Rosi’s. Die Mädchen tragen dazu glitzriges Make-up, die Jungs Bart mit Brille. Hier wird heute also Elektronisches mit bekannten Namen geboten. Finckobot bittet zum Eröffnungstänzchen, Bodi Bill greifen die Übriggebliebenen nach dem Goose-Gig ab und irgendwo dazwischen wollen noch u.a. I Heart Sharks und Wasted Ruffians ihre Lieblingsstücke unterbringen. Wenn das nicht wie Schnitzel mit Mischgemüse klingt! Also ein Abend für viele. Ein paar Stunden zum Woche vergessen, wegschwitzen und glauben, das die nächste Woche anders wird.

Goose stellen zum Gehirn durchpusten schon mal sicherheitshalber drei Synthesizer auf die mickrige Bühne, um dann ein dem Anlass entsprechendes Potpourri aus leicht mitsingbaren, basslastigen Stücken zum Besten zu geben. Für rund sechzig Minuten versucht die Band um Sänger Mickael (die Stimmungskanone muss irgendwie fortwährend zur Anfeuerung einen Arm in die Höhe recken, nett) mit Songs wie „Can’t Stop Me Now“, „Control“ oder auch „Words“ den muchtigen Schuppen in seine kläglichen Einzelteile zu zerlegen. Dabei bleibt die Beleuchtung reduziert, Stimme und Beats passen sich der Düsterheit in all ihrer verführerischen Wirkung an. Das ist wild. Das ist heiß. Und bedeutet blaue Flecken von der zuckenden Menge. Die Möglichkeit eines Andenkens für den Nachhauseweg. Für eine kurze Zeit gibt es tatsächlich das Gefühl von Verschmelzung des eigenen Individuums mit der restlichen, glühenden Masse, der Band und dem nicht wiederholbaren Moment. Die Perfektion. Und doch wird es wohl für einen Großteil keine unvergessliche Nacht bleiben. Denn nach der leider viel zu knapp bemessenen Zeit für Goose wird der musikalische Ramsch- und Alkoholpegel erheblich erhöht. Es wird einem Wochenendtag angemessen gebechert bis der Arzt kommt und man selbst der Hauptdarsteller in seiner eigens erschaffenen Fiktion wird. Bis zum totalen Filmriss und dem folgenden Versuch die zerstückelten Teile von Raum und Zeit wieder passend zusammenzukleben. Noch mal von vorn bitte!

War dabei: Hella Wittenberg