Gesehen: „Total Recall“ von Len Wiseman

Is it real? Is it recall?

Am 13. August 2012 zog es zahlreiche Schaulustige rund um das Sony-Center am Berliner Potsdamer Platz. Neben dem üblichen Touristen-Andrang sorgte das Erscheinen von einem Teil der „Total Recall“-Crew für Neugier, Vorfreude und gezückte Kameras. Um kurz nach 19 Uhr sollte es dann auch so weit sein: nacheinander wurden Hauptakteur Colin Farrell („Alexander“), die weiblichen Hauptdarstellerinnen Jessica Biel („Valentinstag“) und Kate Beckinsale („Underworld“) sowie der Regisseur des Action-Films Len Wiseman („Underworld“) in schwarzen Limousinen vorgefahren. Es wurde gekreischt, gelacht, die Lieblings-DVD zum Signieren vorgestreckt. Doch ist der Hype des Remakes von Paul Verhoevens 1990er „Total Recall“ mit Arnold Schwarzenegger als Protagonist überhaupt gerechtfertigt?

Auch die neue Verfilmung orientiert sich an der Kurzgeschichte „We Can Remember It For You Wholesale“ von Philip K. Dicks, dessen geistreiche Stories bereits die Basis für Genre-Klassiker wie „Blade Runner“ und „Minority Report“ darstellten. Doch hinsichtlich der ersten Adaption für die Leinwand gibt es eine wichtige Veränderung zu vermelden: Len Wiseman lässt seine Leute über Realität und Erinnerung nicht auf dem Mars grübeln, sondern auf der Erde. Und da wird ein gewisser Douglas Quaid (Colin Farrell) immer wieder von demselben verwirrenden Alptraum geweckt, welcher ihn auch tagsüber partout nicht loslassen will. So beschließt er nach getaner Arbeit in der Fabrik schließlich der Event-Firma „Rekall“ einen Besuch abzustatten. Seine Frau Lori (Kate Beckinsale) rät ihm zwar vehement davon ab, mithilfe dieses futuristischen Betriebes seine Träume als echte Erinnerungen erfahren zu lassen, aber für Douglas gibt es kein Zurück mehr. Nur geht sein Wunsch, auf ein Abenteuer als Spion geschickt zu werden, gehörig schief. Aufgrund einer Fehlfunktion befindet er sich plötzlich in einem echten Horrorszenario wieder. Sein Name ist mit einem Mal nicht mehr Douglas Quaid, sondern Carl Hauser. Er wird von unzähligen Polizisten und selbst seiner geliebten Frau gejagt. Nur die Rebellin Melina (Jessica Biel) steht ihm zur Seite und möchte ihn zum Anführer der Untergrund-Widerstandskämpfer (Bill Nighy, „Best Exotic Marigold Hotel“) führen, um so gegen Kanzler Cohaagen (Bryan Cranston, „Breaking Bad“), der das Kommando über die ihn verfolgende Polizeischar hat, etwas ausrichten zu können. Doch wie lässt sich dieser einfach nicht enden wollende Alptraum wirklich beenden? Oder handelt es sich gar die gesamte Zeit um die tatsächliche Realität?

Wisemans Neuinterpretation des im Jahr 2084 spielenden „Total Recall“ wartet mit einem fantastischen Set-Design und gleichwertigen Effekten auf. Selbst die 3-brüstige Frau, welche schon ihren Weg in die Verhoeven-Verfilmung fand, ist mit von der Partie. Aber das sollte es dann auch schon an Lob für den Science-Fiction-Streifen sein. Die Möglichkeiten, die in der futuristischen Kurzgeschichte von Philip K. Dick stecken, im Besonderen die philosophischen Aspekte, wurden nicht ausgeschöpft. Vielmehr beschränkte man sich auf eine temporeiche Verfolgungsjagd, die so lange keinen Schluss finden will, bis man sich als Zuschauer aufgehört hat die Frage zu stellen, was eigentlich der Sinne der Sache ist. Über die schauspielerische Leistung kann man deshalb auch wenig sagen, außer dass sich die drei Hauptakteure physisch sehr verausgabt haben, dies hübsch anzusehen und deshalb auch zu honorieren ist. Bill Nighy sowie Bryan Cranston vermögen aber leider keinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, da ihren Charakteren kaum Spielraum gegeben wird. Auch für Humor und ein wenig Verspieltheit, wie in der ersten Verfilmung, fehlte offensichtlich die Zeit oder der Blick dafür. So stellt sich „Total Recall“ als karges, unbeseeltes aber technisch spektakuläres Action-Spektakel dar.

Nach den wenig informativen Gesprächen mit der Presse über Spiel, Spaß und Spannung am Set (Farrell fühlte sich geehrt, dass er Beckinsale, die Frau des Regisseurs küssen durfte und war ganz begeistert von dem an das Film-Set erinnernde Design des Potsdamer Platzes) zieht es letzten Endes die glamourös gekleideten Prominenten in das plötzlich so klein wirkende Sony-Center. Auch dieser schon etwas schmuddelige rote Teppich wird schnell wieder eingerollt. Es kehrt Ruhe ein und die Aufregung sowie die Erinnerung an „Total Recall“ verschwimmen. 

Kinostart: 23. August 2012

Fotos und Artikel: Hella Wittenberg