Gesehen: „Spoiler Alarm“ von Michael Showalter

Mit eindringlichen Klavierakkorden und Moll angehauchtem Streicherarpeggio, stellt „Spoiler Alert“ schon in den ersten Sekunden die Tiefe und Schwere der Thematik in den Vordergrund. Das pulsierende Geräusch eines Beatmungsgerätes und das Bild eines besorgten Mannes, der neben seinem sterbenden Geliebten auf dem Krankenbett liegt, während seine Voice-Over Stimme einleitende Worte an den Zuschauer richtet, stimmen uns auf eine tragische Geschichte ein. Während der Film unter der Regie von Michael Showalter („The Big Sick“, „The Eyes of Tammy Faye“) in seiner Struktur dem Genre der „terminal-illness-romance“ folgt – ähnlich wie „The Fault in Our Stars“ oder „Angels in America“ – hebt „Spoiler Alarm“ sich zum Glück nicht ausschließlich als AIDS-Drama ab, sondern erzählt vor allem eine ergreifende Liebesgeschichte zweier gleich-ungleicher Menschen. Darüber hinaus behandelt er auf intelligent-einfühlsame Weise Themen, die insbesondere für die queere Gemeinschaft unserer Gesellschaft von Bedeutung sind, wie beispielsweise die Fragen nach offenen Beziehungen, dem Outing gegenüber den Eltern, sowie der Akzeptanz der eigenen Sexualität und des eigenen Körperbildes. Somit spricht „Spoiler Alarm“ zwar direkt ein LGBTQAI+ -Publikum an, ohne aber dabei andere Zuschauerinnen und Zuschauer auszugrenzen. Vielmehr schafft er es durch seine geschickte Narrative, uns alle auf einer persönlichen und universellen Ebene zu vereinen.

In Anlehnung an die Memoiren des amerikanischen TV-Journalisten Michael Ausiello mit dem Titel „Spoiler Alert: The Hero Dies“ aus dem Jahr 2017, begegnen wir dem gleichnamigen Protagonisten (Jim Parsons, „Big Bang Theory“) als einem sympathisch-tollpatschigen und introvertierten homosexuellen jungen Mann. Aufgrund seiner Leidenschaft für alles rund um das Thema Fernsehen und Unterhaltung schaffen es die Drehbuchautoren David Marshall Grant („Snakebite“) und Dan Savage („Savage Love“) geschickt, Michaels Kindheit aus der Perspektive einer Sitcom der 80er Jahren zu beleuchten. Dabei unterbrechen sie den Film an wichtigen Stellen, um in Rückblenden zu verdeutlichen, wie Michaels Überlebensstrategien in seiner Adoleszenz, in der er häufig Opfer homophober Attacken wurde, sowohl seine Karriere als auch seine Vorstellung von wahrer Liebe geprägt haben. Diese Fokussierung auf das Medium Fernsehen hebt erklärend hervor, warum Michael so besonders introvertiert ist, eine Obsession für „Gilmore Girls“ und das Sammeln von Schlümpfen hat und zudem Schwierigkeiten, sich in der oberflächlichen Welt der New Yorker Dating-Szene zurechtzufinden. Als er schließlich auf Kit (Ben Aldridge „Knock at the Cabin“) trifft, ist Michael überwältigt von ihrer ersten körperlichen Interaktion und scheut sich nicht, ihm seine Wohnung zu zeigen. Diese Szene sorgt für eine amüsante Erkenntnis über Michaels eigenartige Schlumpfsammlung.  Aber eben durch solch subtile und aussagekräftige Momente der innigen Liebe zwischen den beiden, porträtiert „Spoiler Alarm“ eine zwar stark stilistisch-romantisierte, doch im Kern wünschenswert harmonische, normale und schonende Darstellung queerer Liebesbeziehungen in unserer heutigen, immer noch genderinkonformen Gesellschaft. Die mühelos-leichte Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern Jim Parsons und Ben Aldridge, die beide offen homosexuell sind, zieht den Zuschauer unweigerlich in ihre Leinwandbeziehung hinein. Ähnlich wie im eigenen Leben Aldridges’, leidet seine Figur Kit auch an der Tatsache, sich hinsichtlich seiner Sexualität noch nicht gegenüber seinen Eltern (Sally Field, Bill Irwin) geoutet zu haben. Die obligatorische Coming Out-Szene ist erfrischend gewöhnlich, klischeelos und zeigt, dass Eltern durchaus damit einverstanden sein können, dass ihre Kinder homosexuell sind. 

Man hat während des Films nie wirklich das Gefühl, Langeweile zu empfinden, was der häufigen Benutzung des Zeitsprunges zu verdanken ist. Bei einem gemeinsamen Weihnachtsessen treffen sich die über einem Jahrzehnt zusammen gewesenen, nun aber getrennten Michael und Kit zwar wieder und vermögen es, sich in rein platonischer, aber immer noch tief-verbundener Koexistenz zu begegnen. Diese Szene treibt den Film schließlich zum zentralen Punkt der Handlung voran – Kits Krebsdiagnose. 

Anstatt das Publikum mit ausführlichen Erläuterungen oder aufwändigen emotionalen Monologen zu überwältigen, zeigen Parsons und Aldridge die verheerende Realität durch non-verbale Konversationen. Der bewegendste Moment des Films ist die Szene, in der Michael und Kit nach der Diagnose schweigend in einem Diner sitzen. Durch die Stille beider spürt man förmlich die Tatsache, dass es manchmal keine Worte gibt, um das Ausmaß der empfundenen Traurigkeit und Verzweiflung auszudrücken. Obwohl Michael später in einem angenehm melodramatisch-humoristischen Moment darauf besteht, dass Kit ein Krankenhausbett bekommt und stolz zugibt, dass er dabei einen „Shirley MacLaine-Moment“ aus Zeit der Zärtlichkeit („Give my daughter the SHOT!“) anstrebt, liegt die eigentliche Stärke des Films zwischen der Stille und den ungesagt-gesagten Momenten beider Figuren. Was am Ende passiert, war zwar von Beginn an abzusehen, wird aber zum Glück nicht allzu niederschmetternd aufgelöst. In seinen letzten Tagen empfängt Kit das Leben mit offenen Armen, anstatt sich über das zu beklagen, was ihm genommen wird. Michael hingegen liebt Kit bedingungslos und unterstützt ihn bis zu seinem letzten Atemzug, ermutigt ihn sogar, loszulassen, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Emphatische Hoffnung statt nihilistischer Tristesse.

Eine erfrischende Perspektive, wenn man bedenkt, dass Filme und TV-Serien oftmals eine romantisierte Vorstellung von Partnerschaften, die entweder erhaben und glückselig oder unbeschreiblich tragisch sind, vermitteln. Hier wird aber zwischen den Extremen gelebt und geliebt, was dem Film die Scheu nimmt, schonungslos alltägliche Probleme aufzuzeigen, denen nahezu jedes Paar irgendwann einmal begegnet. Obwohl es traurig und bedauerlich ist, dass Kit und Michael kein Happy End vergönnt ist, schafft es „Spoiler Alarm“, ein ungemein bewegendes, sensibles Drama zu sein, das durch die großartigen schauspielerischen Leistungen von Parsons und Aldridge tief ins Herz trifft und dazu inspiriert, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und das Leben in vollen Zügen zu genießen, solange es gegeben ist.

„Spoiler Alarm“ startet am 04.05.2023 in den deutschen Kinos.