Gesehen: „On The Road – Unterwegs“ von Walter Salles

Regisseur Walter Salles („Die Reise des jungen Che“) wärmt die Beat Generation für die Leinwand auf und will gleichzeitig Laune auf den 1957 veröffentlichten Roman von Jack Kerouac machen. Doch der Geruch der Freiheit, die pure Lust am Leben und der Geschmack von Jazz kann kaum den Zuschauer kaum berühren. „On The Road – Unterwegs“ stellt sich nach 124 viel zu langen Minuten als ein auf Hochglanz polierter Szenefilm mit vielen Schwächen, aber nichtsdestotrotz guten Erinnerungen an die guten alten Zeiten dar.

Die große Reise beginnt im Jahr 1947. Sal Paradise (Sam Riley, „Control“) hält nach dem Tod seines Vaters nichts mehr daheim, er will die Welt entdecken und begibt sich schließlich mit seiner neuen Bekanntschaft, dem charismatisch entrückten Dean Moriarty (Garrett Hedlund, „TRON: Legacy“), auf einen ausgedehnten Roadtrip kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Dabei lernt der wissbegierige Jungautor die zwei Lieben im Leben von Dean, Marylou (Kristen Stewart, „The Runaways“) und Camille (Kirsten Dunst, „Melancholia“), das Paar Old Bull Lee (Viggo Mortensen, „Eine dunkle Begierde“) und Jane (Amy Adams, „The Fighter“) sowie viele weitere außergewöhnliche Persönlichkeiten kennen. All die berauschten musikalischen, sexuellen und poetischen Exzesse stellen sich als nicht enden wollende Inspirationsquellen für sein Schreiben dar. Doch vor allem ist der Lebemann Dean der Dreh- und Angelpunkt seiner Beobachtungen. Sal verehrt ihn, ist fasziniert und kann die Augen einfach nicht von Deans chaotischem Leben abwenden.

Leider kann es die Verfilmung nicht mit Jack Kerouacs Roman aufnehmen. Dies wäre nicht weiter relevant, würde Walter Salles etwas Eigenständiges erschaffen, was aber nicht der Fall ist. Buchpassagen werden holprig für die jeweilig unpassenden Szenen schmerzhaft zurechtgestutzt und sprengen in ihrer Absonderlichkeit den Rahmen des zu frisch wirkenden Films. Wenn nicht gerade Kerouacs prosaische Worte in die gut geschminkten Münder der jungen Schauspieler-Riege gelegt werden, sondern Formulierungen des Drehbuchautoren Jose Rivera (half auch beim Drehbuch zu „Briefe an Julia“) vorkommen, so wirken sie aufgesetzt und beißend falsch. Auch zu der Auswahl der Darsteller lässt sich nicht viel Gutes sagen: wo Sam Riley sich die Seele aus dem Leib spielt, wie er es schon in „Control“ so beeindruckend tat, da erweist sich Garrett Hedlund als ein denkbar kleines Licht am strahlenden Himmel. Wie er sich stetig versucht schweißtreibend aus dem Schatten zu spielen, ist nicht das einzig Traurige. Die geradlinige Weichheit der Könnerin Kirsten Dunst will so gar nicht zu der schroffen Art von Kristen Stewart passen. Nimmt man nun noch die trockene Jazz-Musik sowie die fortwährend bedeutungslos eingestreuten Landschaftsaufnahmen hinzu, zeigt sich ein Gedeck mit viel zu vielen unterschiedlichen Gewürzen. Wo Kerouac – durch seine starken Worte, die die klarsten Bilder zeichnen – dem Unterwegssein bis in alle Ewigkeit für Jedermann die Romantik herbeigeschrieben hat, da fehlt Salles „On The Road – Unterwegs“ die Stringenz, die Liebe, die heiße Luft, die hierbei nur die sprichwörtliche ist.

Kinostart: 04. Oktober 2012

Gesehen von: Hella Wittenberg