Gesehen: „Hitchcock“ von Sacha Gervasi

Zunächst herrscht Verwirrung. Ein Film der sich „Hitchcock“ nennt, den „Hannibal“-Darsteller Anthony Hopkins mit einem riesigen Messer bewaffnet auf dem blutroten Cover zeigt und letztlich beim Sichten der 98 Minuten doch erstaunlich wenig Horror, dafür aber viel Romantik, offenbart. Wo soll dieser Spaß bloß hinführen?

Es ist das Jahr 1959 und Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins, „Das Schweigen der Lämmer“) ist auf einem Erfolgskurs, den er nicht genießen kann. Er steht nicht hinter seiner Arbeit, ist zudem gelangweilt und möchte endlich etwas radikal Neues versuchen. Da kommt ihm das schauerliche Buch „Psycho“, das von dem schizophrenen Serienkiller Ed Gein handelt, sehr gelegen. Sofort verbeißt er sich in den Gedanken das Werk für die Leinwand zu adaptieren und ist drauf und dran, sich mit diesem filmischen Risiko selbst zu verschulden. Denn seine derzeitige Produktionsfirma Paramount hält wenig von seiner Film-Idee. Doch da seine Frau Alma Reville (Helen Mirren, „Die Queen“) vollkommen auf seiner Seite steht, empfindet er die nötige Kühnheit, das Projekt mit Janet Leigh (Scarlett Johannsson, „Vicky Christina Barcelona“) als Hauptdarstellerin auf eigene Faust anzugehen. Dabei entgeht seiner Frau nicht, dass die unermüdliche Leidenschaft ihres Mannes nicht allein dem Stoff, sondern auch der jungen Schauspielerin gilt. Während sich Alma kaum beachtet fühlt und deshalb immer mehr die Nähe zu dem Drehbuchautoren Whitfield Cook (Danny Huston, „Der ewige Gärtner“) sucht, verfällt Hitchcock seinerseits in eine Sinnkrise voller Fantasien rund um Ed Gein und das mögliche Fremdgehen seiner Frau. Um „Psycho“ bis zum Schluss stemmen zu können, benötigt er – auch wenn er es nicht unbedingt zugeben möchte – neben der Unterstützung seines Agenten Lew Wasserman (Michael Stuhlbarg, „A Serious Man“) und der Sekretärin Peggy Robertson (Toni Collette, „Little Miss Sunshine“) auch den hundertprozentigen Beistand seiner cleveren Ehefrau. Nur so kann er seinen Ängsten und den Geistern seiner Träume entkommen.

Mit der gleichen Leidenschaft, mit der er 2008 die Band Anvil in der Dokumentation „Anvil: The Story of Anvil“ darstellte, blickt Regisseur Sacha Gervasi nun auch auf den „Master of Suspense“ Alfred Hitchcock. Für Gervasi ist bei diesem Film das Besondere, dass er sich selbst mit der Geschichte sehr verbunden fühlt. Auch er stellte sein eigenes Geld für die Anvil-Doku zur Verfügung, steckte all sein Herz und Überzeugung hinein, so dass es sich auch überaus positiv auf das Endresultat übertrug. Beide Werke sind liebenswürdige Charakterisierungen, die eine andere Sichtweise auf die exzentrischen Außenseiter eröffnen. Anthony Hopkins ist in seiner Kostümierung sowie Maskierung kaum wiederzukennen. Auch die Redensart sowie die dazugehörigen Mundbewegungen des 1980 verstorbenen Filmemachers interpretiert Hopkins auf eine so gekonnte Weise, dass es der Biografie neben der gewünschten Glaubwürdigkeit zudem eine prickelnde Ironisierung einverleibt. Helen Mirren ist dabei der perfekte weiche, beflügelnde Gegenpart. Diesen beiden Größen beim Spiel zuschauen zu dürfen, ist abseits der kleinen, aber runden Story, ein wahrer Genuss.

„Hitchcock“ überzeugt (auch ganz ohne Brutalität und tropfendem Blut) als lustvolle Hintergrundgeschichte zur Entstehung von „Psycho“, die mit Gänsehaut erzeugenden Horror-Träumereien zum Serienmörder Ed Gein gewürzt ist, und außerdem auch als außergewöhnliche Liebesgeschichte, die nur so vor Humor und intellektueller Hingabe sprudelt.

Kinostart: 14. März 2013

Gesehen von: Hella Wittenberg