Gesehen: „Finsterworld“ von Frauke Finsterwalder

Rund um die Uhr Sonnenschein, gut gekleidete Menschen so weit das Auge reicht und eine Fülle an sinnigen Gesprächen. All das und noch viel mehr hat Frauke Finsterwalders Spielfilm-Debüt „Finsterworld“ zu bieten und ist doch alles andere als ein weichgekochtes Deutschland-Märchen.
Während Cat Stevens „I listen to the wind, to the wind of my soul“ singt, nimmt sich ein Einsiedler (Johannes Krisch, „360“) einem Raben an. Von nun an werden sie viele gemeinsame Stunden mit einander verbringen. Eine ältere Frau (Margit Carstensen, „Sonnenallee“) fühlt sich dagegen einsamer denn je im trostlosen Altersheim. Ihre einzige Freude besteht in dem Besuch des Fußpflegers Claude (Michael Maertens, „Die Vermessung der Welt“), der immer auch ein Päckchen selbstgebackener Kekse für sie bei sich trägt. Die Familie (Bernhard Schütz, „Halt auf freier Strecke“, und Corinna Harfouch, „Was bleibt“) der alten Dame kriegt im Gegensatz dazu vielmehr Depressionen, wenn sie an Oma denkt und vergnügt sich lieber in schönen Hotels, schönen Autos, schönen Orten. Ihr Sohn Maximilian (Jakub Gierszal, „Yuma“) hat an diesem Tag, mitsamt seiner Schulklasse, eine KZ-Gedenkstätte als Reiseziel. Und dann ist da noch die Dokumentarfilmerin Franziska (Sandra Hüller, „Requiem“), die verzweifelt versucht etwas Besonderes in Bild und Ton festzuhalten. Und dabei merkt sie nicht einmal, dass allein ihr Freund Tom (Ronald Zehrfeld, „Barbara“), der Polizist, mit seinem kleinen Geheimnis ein ziemlich gutes Filmprojekt sein könnte.

Episodenfilme. Sie neigen dazu, dem Zuschauer ein großes Paket namhafter Schauspieler zu präsentieren und damit die Erwartungshaltung zu erhöhen, um dann mit ungalanten Schnitten, vielen Szenenwechseln und wenig Handlung und Dialog zu enttäuschen. Doch „Finsterworld“ ist anders. Ganz anders. Frauke Finsterwalder schrieb das Werk mit ihrem Mann, dem Autoren Christian Kracht („Faserland“). Herausgekommen ist eine Gesellschaftsstudie in leuchtenden Farben und bissigen Ton. Momente des Einklangs, der Liebe und der Harmonie gibt es in den 91 Minuten zu Hauf – man nehme nur die Tanz- und Knuddellzusammenkunft von einer Gruppe von Leuten, die sich wie überdimensional große Kuscheltiere verkleidet haben. Doch selbst während der sogenannten Happy Ends bleibt einem eher das Lachen im Halse stecken.

„Es ging mir darum, die unheimlichen Klappen unter dem Sichtbaren zu öffnen, die Essenz der Gefühle zu betrachten. Es ging darum, sich den Figuren positiv zu nähern, sie voller Liebe zu zeichnen, nicht von oben herab und sich von diesem im Deutschen Film vorherrschenden, trockenen Realismus vollends zu verabschieden. Für mich ist Kino im Grunde immer eine Überhöhung.“ (Frauke Finsterwalder)

So ist der Regisseurin das Kunststück gelungen, einen Film zu kreieren, der nicht nur auf Hochglanz poliert ist, voller Finesse und Geschmack steckt und dialogischen Witz sowie Tiefgang besitzt, sondern zudem vor trauriger, gemeiner und auch ekliger Wahrheiten strotzt.

Kinostart: 17. Oktober 2013

Gesehen von: Hella Wittenberg