Gesehen: „Empire of Light“ von Sam Mendes

Kindness (zu Deutsch: Freundlichkeit, wenn auch nicht im vollen Umfang des Wortes) bedeutet zuhören, Vertrauen aufbauen, Unterstützung anbieten und Verständnis zeigen, ohne Urteile zu fällen oder Vorurteile zu haben. Kurzum: Freundlichkeit ist eine Tugend von zeitloser Bedeutung. So auch die Liebe. Vor allem aber: die Einsamkeit. Wo besser kann man all diesen Gefühlen begegnen als auf der Leinwand eines Kinotheaters. Mit „Empire of Light“ entführt uns Oscar-Preisträger Sam Mendes in eine doch recht intime und fragile Welt, voller Nostalgie und Reminiszenzen. In sein ganz eigenes, aus persönlichen Jugenderinnerungen stammendes, jedoch fiktionalisiertes Cinema Paradiso sozusagen. Obwohl der Titel des Films auf René Magrittes ironische Illusionen anspielt, fehlt dem Film selbst die satirische Komponente und die offensichtliche Freude an Täuschungen, die in Magrittes Kunstwerken zu finden sind. Stattdessen konzentriert er sich auf eine großartige, nostalgische und sentimentale Huldigung an die Kunst der populären Filme. Dabei verzichtet Mendes bewusst auf Ironie, Geschichtsbewusstsein oder kritische Reflexion über die Kunstform selbst. Somit ist „Empire of Light“, nach Blockbustern wie „Skyfall“„Spectre“ oder „1917“, in eine ganz besondere, autobiographisch-künstlerische Richtung der Werke Mendes’ zuzuordnen. Anders als Quentin Tarantino oder Christopher Nolan, markiert dieser Film Mendes‘ erstes, selbstverfasstes Drehbuch. Kurios, möchte man sagen, wenn man bedenkt, dass er mit „American Beauty“ nur einer von sechs Regisseuren ist, dem es gelang, mit seinem Debüt-Film den Oscar für Beste Regie einzuheimsen. Willkommen in der exklusiven Riege der Autorenfilmer, Maestro Mendes.

„Finde Licht, wo Dunkelheit herrscht“, prangt in großen Buchstaben gleich zu Beginn des Filmes im Foyer des „Empire“, einem schon in die Jahre gekommenen, in einer kleinen, englischen Hafenstadt gelegenen Kinotheaters Anfang der 1980er. Die abermals brillierende Oscar-Preisträgerin Olivia Colman spielt Hilary Small, die rechte Hand des Theaterleiters Mr. Ellis (Oscar-Preisträger Colin Firth), die für den Verkauf von Süßigkeiten und Popcorn zuständig ist und nach Dienstschluss dem verheirateten Chef hinter verschlossenen Türen zur „Hand“ gehen muss. Ihre Besuche beim Arzt und die Einnahme von Lithium lassen vermuten, dass sie unter Schizophrenie leidet und dementsprechend von ihren Kollegen vorsichtig und mit Sorge behandelt wird. Als der junge Stephen (2020 BAFTA Rising Star Gewinner Micheal Ward) zum Team stößt, fühlen sich die beiden missverstandenen Außenseiter voneinander angezogen und beginnen eine intime Beziehung. Sie fühlt sich trotz Hautfarbe und des deutlichen Altersunterschiedes zu ihm hingezogen, er hingegen muss sich jedoch als schwarzer Mann im rassistischen Kent von 1981 an den Rand des Lebens drängen lassen, das er eigentlich als Architekturstudent führen möchte. Hilary hat derweil, in einem Anfall von jugendlicher Verliebtheit, ihre Medikamente abgesetzt. Trotz all der zärtlichen Berührungen mit Stephen, der in ihr im Übrigen das erste Mal in ihrem Leben einen Menschen, genauer, eine zu begehrende Frau sieht, wie auch des zusammen erlebten Feuerwerks zu Neujahr, sowie des Ausflugs an den Strand, ist ein neuer Zusammenbruch der unter Schizophrenie leidenden Frau nicht zu verhindern. Dieser kulminiert dann bei einer hochkarätig-besuchten Premiere im Empire, wo sich Hilary vor den Augen aller Gäste bloßstellt und Mrs. Ellis die Untreue ihres Mannes offenlegt. Dieser wiederum, in unnachahmlich-trockener Colin Firth Manier, geifert unverhohlen zurück, dass sie niemals aus der Klinik hätte entlassen werden sollen und dass er sie nur als Mittel zum Zweck eingestellt hat, um seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Um jenen Geschehnissen Buße zu tragen, lässt sich Hilary einweisen.

Unterdessen haben es weiße Nationalisten im Ort auf Stephen abgesehen und ihn attackiert. Eine wieder genesene Hilary weicht dem Schwerverletzten nicht von der Seite. Aber wohin soll diese ungleiche Verbindung denn schließlich führen? Schweren Herzens beendet Stephen die „Beziehung“ und zieht nach Bristol, um Architektur zu studieren. In einem letzten Akt der Freundlichkeit, entzieht er der ihn noch liebenden Hilary den Rückfall in die Einsamkeit mit den Worten: „Life is a state of mind. No excuses. Live it to the fullest. Every day. Do not always rely on the kindness of strangers. Just be kind and it’ll reciprocate. You are not alone in this world.“

 Mit „Empire of Light“ wirft uns Regisseur Sam Mendes subtil die Frage zu, was Kino für uns sein kann. Ein Zufluchtsort, eine Oase der Kultur, ein sicherer Hafen für Freundschaft oder ein universeller Klebstoff gemeinschaftlicher Erinnerungen. Wer sich also einsam fühlen sollte oder einfach mal wieder die Magie der mit Licht durchfluteten Leinwand spüren will, sollte sich diese Ode an das Cinema definitiv nicht entgehen lassen.

Foto © 20th Century Studios