Gesehen: „Die drei Musketiere -D’Artagnan“ von Martin Bourboulon

Ist es nicht sonderbar, dass Alexandre Dumas‘ „Die drei Musketiere“ zweifelsohne zu den meist verfilmten Romanen aller Zeiten gehört (bei ca. 130 Million verschiedenen Bücher auf der Welt)? Seit der ersten französischen und US-amerikanischen Leinwandversion im Jahr 1921 gab es sage und schreibe über 25 Adaptionen. Nicht alle waren zum Scheitern verurteilt. Die letzte europäische Adaption verfilmte man 2011 (Regie: Paul W.S Anderson), wo man seit „Avatar“ (2009), verstärkt die 3D-Technologie als Allheilmittel einsetzt, um sich hinter beeindruckender Effekthascherei zu verstecken und das verstaubte Image jeweiliger Genres aufzupolieren. Die Version, die nun in den Kinos startet, „Die Drei Musketiere – D’Artagnan“, versucht ebenfalls, was auch sonst, diesen Staub vergangener Tage abzuschütteln und nach einem neunen Hauch von „Joie de Vivre“ des Mantel-und-Degen-Film Genres zu streben. Ein ambitioniertes Vorhaben des französischen Regisseurs Martin Bourboulon („Eiffel in Love“), der sich in seinem erst vierten Spielfilm zwar wacker schlägt und eigentlich alle Akkoladen eines historischen Abenteuerfilms erfüllt, im Endeffekt aber die kolportierten 60 Mio. Euro Budget in Schall und Rauch verpuffen lässt.

Zu sehr verliert er sich im Pomp des Spätmanierismus Frankreichs zu Beginn des 17. Jahrhunderts , welcher hier durch illustre Kostüme, actiongeladene Kampfsequenzen, pompöse Schauplätze und einen episch klingenden Soundtrack (von Guillaume Rousselverkörpert wird. Der Stoff Dumas’ wird wahrscheinlich zum (Alb)-Traum jedes Casting Teams, denn ein Star-Ensemble (18 handelnde Personen!) von internationaler Strahlkraft zusammenzusuchen, erfordert viel Fingerspitzengefühl, ist es doch bekannt, dass ein unabdingbarer Baustein für eine relevant bleiben wollende Neuverfilmung, die Chemie der Charaktere von- und zueinander ist. Die Gruppe rund um D’Artagnan (Francois Civil), Athos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmaiund Aramis (Romain Duris) versprüht einen frischen Hauch des sonst eher altbackenen Klischees von Männern zu Pferden, die zu Waffen greifen, um die Ehre von Frauen zu verteidigen. Klingt vielversprechend.

Der erste Teil der Erzählung entführt den Zuschauer sogleich in ein Paris voller Liebe und Intrigen, Loyalität und Freundschaft, Verrat und Rache, schmuddelige Gassen und düstere Wälder im Hintergrund, während goldene Buchstaben uns in die Handlung mit einbinden. Frankreich ist gespalten und befindet sich kurz vor einem Umbruch. Die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten erreichen einen Höhepunkt, während der machtlose König Louis XIII. (Louis Garrel) einem drohenden Krieg mit England gegenübersteht. Intrigen lauern an jeder Ecke. Der junge Charles D’Artagnan bricht auf, um in den Dienst des Königs zu treten. Doch auf dem Weg macht er Halt in einem kleinen Dorf, wo er in einen Kampf mit unbekannten Angreifern gerät, die eine adlige Frau überfallen. D’Artagnan wird angeschossen und scheint dem Tod nahe zu sein, doch er überlebt dank einer Bibel, die er in seiner Brusttasche trägt und die die Kugel abgewehrt hat. Er begegnet Athos, Porthos und Aramis, und obwohl es anfangs Spannungen zwischen ihnen gibt, werden sie schließlich zu einer eingeschworenen Gruppe. Als Athos verhaftet wird und ihm die Hinrichtung droht, schließen sie sich zusammen, um ihren Freund zu retten, während sie sich dabei in eine politische Verschwörung hineinmanövrieren, welche gleichzeitig über die Zukunft und Schicksal Frankreichs entscheiden soll. 

Die teilweisen Neuinterpretationen der Handlung bzw. Personen verleihen dem Film, cinematisch gesprochen, eine neue Wertigkeit und ein neues, dynamischeres Tempo, aber machmal erscheinen sie jedoch redundant. Athos zum Beispiel wird, anders als im Roman, als melancholischer älterer Mann mit einer düsteren Vergangenheit dargestellt, was ihn interessanter machen soll, verbringt dann jedoch große Teile des Films in Gefangenschaft. Constance Bonacieux (Lyna Khoudri), D’Artagnan’s Angebetete, wird zur Vermieterin anstatt zur Frau seines Vermieters. Kardinal Richelieu (Éric Ruf), der eigentliche Antagonist, glänzt durch seltene Auftritte, während die Femme fatale der Geschichte, Mylady de Winter (verführerisch gut, Eva Green), die Geschicke lenkt. Während der Anti-Climax verliert der Film an Spannung, nur um sich in den letzten Augenblicken wieder aufzurappeln und den Weg für eine (mögliche) Tetralogie zu ebnen. Teil zwei ist schon abgedreht und soll im Dezember dieses Jahres in die deutschen Kinos kommen. Ein Hoch auf Franchise-Filme. Wie originell.

Im Großen und Ganzen begeistert „Die Drei Musketiere – D’Artagnan“ mit seinem durchgehend grimmig-düsteren Ton, langen, schnittfreien Handkamera-Shots (DP Nicolas Bolduc), aufwendigen Kostümen, atemberaubenden Kulissen, klassischen Kampfszenen und dichterisch-explosivem Soundtrack. Leider trübt das medioker adaptierte Drehbuch die damit verbundene Filmlänge von 121 Minuten und leider, wenn auch nur teilweise, die schauspielerische Finesse einiger Filmstars im Ensemble. Dadurch entsteht das Bild einer insgesamt eher durchschnittlichen Neuverfilmung eines Klassikers, dessen Stoff man wohl eher in Zukunft besser nicht mehr aufgreifen sollte. Wie Porthos es an einer Stelle zu D’Artagnan so treffend sagt: „Du bist leichtsinning, arrogant, ungestüm und wirst noch vor Sonnenuntergang tot sein. Aber ich mag dich, Junge.“

Ja… Jeder mag ihn. Den Stoff. Das Abenteuer. Die Brüderlichkeit. Die Gefahr. Die Glorie. Den Mythos, ein Musketier zu sein.

„Die drei Musketiere – D’Artagnan“ startet am 13.04.2023 in den Deutschen Kinos.

Foto © Constantin