Gesehen: „Cloud Atlas“ von Tom Tykwer, Lana und Andy Wachowski

Nicht zum schnellen Verzehr geeignet

Unsere Leben sind miteinander verbunden. Mit allem, was wir tun, formen wir unsere Zukunft und finden doch immer wieder zu unserem Kern zurück. Denn unsere Leben gehören nicht uns.
Als man am 5. November zur Europapremiere des opulenten Sci-Fi-Films „Cloud Atlas“ in Berlin lädt, lassen es sich einige der Hauptdarsteller sowie die Macher selbst nicht nehmen und stellen sich trotz anfänglicher Regenschauer und klirrender Kälte auf dem Roten Teppich vor dem Sony Center zur Schau. So lächeln Tom Hanks, Halle Berry, Hugo Weaving, Doona Bae, Ben Whishaw, James D’Arcy, Götz Otto sowie Tom Tykwer, Lana und Andy Wachowski Zähne zeigend in die Kameras der dicht an dicht gedrängten Fotografenmasse. Auch Prominenz wie Andreas Dresen und Wim Wenders erscheint gut gelaunt, um sich ein Bild von dem zu machen, was sich so schwer in Worte fassen lässt. Was steckt denn nun hinter solch einem mysteriösen Titel wie „Wolkenatlas“?

Der Versuch einer Inhaltsangabe: Es werden sechs Lebenswege gezeigt, wie sie verschiedener nicht sein könnten. Angefangen mit einem amerikanischen Anwalt (Jim Sturgess, „The Way Back“) auf hoher See im Jahr 1849. Es folgt 1936 die kreative Verschmelzung eines jungen talentierten Komponisten (Ben Whishaw, „I’m Not There“) mit einem ergrauten Musik-Genie (Jim Broadbent, „Die Eiserne Lady“). 1973 wird eine Journalistin (Halle Berry, „X-Men“) gezeigt, die an einer großen Enthüllungsgeschichte arbeitet und dann das Jahr 2012, in dem ein Verleger (Jim Broadbent) gar nicht mehr arbeitet, da ihn sein Bruder (Hugh Grant, „Mitten ins Herz“) ins Altersheim gesteckt und ihm damit seiner Freiheit beraubt hat. Die geklonte Kellnerin (Doona Bae, „The Host“) muss 2144 hingegen erst noch lernen, was das Wort Freiheit tatsächlich bedeutet. Und schließlich wird man in das Jahr 2346 katapultiert, in eine post-apokalyptische Welt, in welcher sich ein Einzelner (Tom Hanks, „Illuminati“) für sich und seine Landsleute gegenüber einer übernatürlichen Macht (in Form von Hugo Weaving, „Captain America: The First Avenger“) behauptet. Trotz der unterschiedlichen Lebenszeiten, Räume und Stile stehen all die Geschichten miteinander in Verbindung.

Hugo Weaving: „Der Film erzählt auf eine metaphorische Art und Weise wie Dinge und Strukturen immer wieder zurückkehren, wie Zivilisation zerstört wird und wiederkehrt, eingeschlagene Richtungen reflektiert werden, Ideen in der Zukunft in den Kopf einer Person gepflanzt werden können oder auch wie Stimmen durch die Zeiten hindurch widerhallen.“

Das schon viele Jahre befreundete Regie-Gespann Tom Tykwer („Drei“), Lana und Andy Wachowski („Matrix“-Trilogie) erschuf aus der Romanvorlage von David Mitchell ein intensives, genreübergreifendes Abenteuer. In den 172 Minuten werden nicht nur die waghalsigsten Fantasien in eine glaubhafte Umgebung gestellt, sondern es wird auch auf visueller Ebene eine facettenreiche Prägnanz ermöglicht. Hinter dem zunächst undurchsichtig erscheinenden Durcheinander verschiedenster Charaktere, steckt plötzlich eine Struktur, die zur Erleuchtung führt.

Tom Tykwer: „Wir sind wirklich sehr stolz auf den Film. Er ist so irre und lustvoll. Wir glauben, dass man sich lange daran laben kann. Man kann ihn nicht schnell verzehren. Ich denke, dass es Spaß macht nach dem Schauen Essen zu gehen und den ganzen Abend darüber zu reden. Trotzdem ist er auch unterhaltsam, tragisch und sehr lustig. Wir haben uns totgelacht beim Drehen. Alles ist darin enthalten, was ich am Kino toll finde. Trotzdem war der Stressfaktor hoch, da die Finanzierung ständig zusammengebrochen ist. Wir hatten keine starke Hilfe von Hollywood, weswegen wir lange kämpfen mussten und da ist es gut zu dritt zu sein. Außerdem bringt der Film so viele spezifische Themen zusammen, dass der konstante Dialog, den wir darüber hatten, unheimlich geholfen hat die Vision konzentriert zu halten.“

Auch die Schauspieler zeigten sich begeistert von der Zusammenarbeit mit dem Trio. 

James D’Arcy: „Wir hatten es mit großartigen Regisseuren zu tun, die sich sehr um uns kümmerten und uns unterstützten. Deshalb wirkte alles spielerisch und freudvoll. Es fühlte sich in keiner Weise so an als würde man zur Arbeit gehen, weil es so harmonisch verlief. Außerdem mochte ich das Drehbuch sehr. Es ist das beste, das ich jemals gelesen habe.“

Tom Hanks: „Es hat so viel Spaß gemacht jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Das ist wirklich das, was ich für meinen Lebensunterhalt tun möchte und es läuft besser als ich es mir je vorgestellt habe. Ich mochte es besonders den schmierigen Hotelmanager zu spielen, denn solche Rollen werden mir nicht oft angeboten.“

Götz Otto: „Man hatte es mit tollen Leuten zu tun. Es war unheimlich entspannt trotz dessen wir nicht wirklich wussten, was wir da eigentlich machen.“

Neben einer Produktionsbasis auf Mallorca und einer in Sachsen, drehte man einen Großteil im Filmstudio Babelsberg.

Halle Berry: „Ich habe die Arbeit in Potsdam geliebt. Es ist ein beeindruckendes, historisches Studio und wir sind alle froh sagen zu können, dass wir dort gearbeitet haben. Es war eine gute Erfahrung und wir haben uns alle sehr willkommen gefühlt.“

Doch neben all der Bauchpinselei sollte erwähnt werden, dass man als Zuschauer schon mal leicht den Überblick in all der Länge und den unzähligen Überkreuzungen verlieren kann. Nicht zuletzt auch aufgrund des sehr gelungenen Make-ups, das auf zauberhafte Weise eine jede Figur verschleiert, entstellt und neue Perspektiven ermöglicht.

James D’Arcy: „Ich mochte es besonders die alte Version von mir zu spielen und gleichzeitig habe ich es auch gehasst. Denn das Make-up war so gut, dass es sich wie eine echte Horror-Vision der Zukunft anfühlte. Ich habe dann sofort mit Yoga angefangen, um gegen das Altern vorzugehen. Aber das wird wohl auch nicht klappen.“

Ein zweites Betrachten des Films erscheint unabdingbar. In der Komplexität der Charaktere, der manchmal unterschwelligen und oftmals offensichtlichen Philosophie- und Moralanspielungen wirkt „Cloud Atlas“ tatsächlich nicht sehr bekömmlich. Vielmehr handelt es sich um ein 5-Gänge-Menü, bei dem man sich im Nachhinein nicht mehr ganz so klar darüber ist, in welcher Reihenfolge welche Speise gereicht wurde. Aber die Hauptsache bleibt am Ende des Tages doch, dass alle Beteiligten mit den Dreharbeiten und mit dem Resultat zufrieden sind und der Regen nach der Premierenveranstaltung langsam aber sicher für die nächtliche Sternen-Romantik Platz gemacht hat. Denn in der Weite des Himmels scheint alles möglich.

Kinostart: 15. November 2012

Gesehen von: Hella Wittenberg
Fotos (c) X-Verleih