In einer Zeit, in der die politische Weltlage so unstabil und aufgewühlt ist, ist dem britischen Regisseur Alex Garland mit seinem vierten Spielfilm definitiv die Faszination, oder zumindest die Aufmerksamkeit der Kinobesucher sicher. Anstatt eines weiteren fiktiven, dystopischen Action-Thrillers setzt sich “Civil War” konkret mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den Vereinigten Staaten auseinander, etwas, das von Jahr zu Jahr weniger abwegig erscheint.
Gesetzt in die nahe Zukunft, gerade weit genug entfernt, als dass der Film, laut Aussage des Regisseurs, noch als Science-Fiction-Allegorie für die aktuelle, explosive politische Lage durchgehen kann, portraitiert “Civil War” ein Amerika, in dem Demokratie oder Verfassung längst nicht mehr greifen. Es herrscht ein offener Krieg zwischen den Streitkräften des US-Präsidenten (Nick Offerman), der in Washington, D.C. im Weißen Haus seine dritte Amtszeit angetreten hat und den sogenannten Western Forces, ein militärischer Zusammenschluss aus Texas, Kalifornien und siebzehn weiteren westlichen Bundesstaaten.
Trotz alltäglichen Hindernissen, wie Wasserknappheit und Stromausfällen, dokumentiert die renommierte Journalistin Lee Smith (Kirsten Dunst) gemeinsam mit ihrem Partner Joel (Wagner Moura) die Ausschreitungen und Straßenkämpfe mit unerschütterlicher Professionalität. Als die Western Forces ankündigen am 4. Juli, dem US-amerikanischen Unabhängigkeitstag, das Weiße Haus unter ihre Kontrolle bringen zu wollen, setzen die beiden es sich als Ziel, vorher mit dem US Präsidenten das erste Interview nach monatelangem Schweigen zu führen. Doch dafür müssen sie mit dem alternden Journalisten Sammy (Stephen Henderson) und der jungen Jesse (Cailee Spaeny, „Priscilla“), die sich mit Lee als Vorbild das Ziel gesetzt hat, selbst Kriegsfotografin zu werden, über 1000km nach Washington D. C. reisen, vorbei an den Frontlinien des Bürgerkrieges. Ein Wettlauf gegen die Zeit und eine Selbstmordmission, denn das Weiße Haus lässt jedes Pressemitglied erschießen, das sich nähert.
Die Kulisse, die schauspielerischen Leistungen und die Effekte in “Civil War” machen das Ansehen im ersten Moment unglaublich beeindruckend. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack von Enttäuschung zurück, denn der Film ist eben nicht so konkret wie erhofft. Wir werden zu einem Zeitpunkt in die Geschichte geworfen, in dem der Bürgerkrieg bereits in vollem Gange ist. Dabei wird weder etwas über die Eskalation, den Auslöser und den Beginn des Krieges, noch über dessen bisherigen Verlauf erzählt. Diese gewissermaßen cineastische Faulheit macht es anfangs schwer, das Ausmaß der Katastrophe, den Ernst der Lage und die bisherigen Vergehen und Handlungen der jeweiligen Parteien einzuschätzen, wodurch es schwer fällt, sich seine eigene Meinung über das Geschehen zu bilden und mit jemandem zu sympathisieren. Weder im militärischen Geschehen noch bei der Hintergrundgeschichte unserer Hauptcharaktere wird wirklich in die Tiefe gegangen, was bei diesem Star Cast meiner Meinung nach verschenktes Potential ist.
Der vermutlich noch am besten herausgearbeitete Aspekt ist der Faktor der unglaublichen Weite Amerikas. Die Absurdität, dass es Menschen und teilweise ganze Städte gibt, die sich einbilden, sich aus dem Geschehen und den politischen Umwälzungen vollständig heraushalten zu können, einfach dadurch, dass sie hunderte Meilen vom tatsächlichen Kriegsgeschehen entfernt sind. Und auch die Verworrenheit, die dadurch entsteht, dass hier Amerikaner gegen Amerikaner kämpft, von denen, egal ob mit militärischem Hintergrund oder nicht, fast jeder eine Waffe besitzt, und in abgelegenen Gebieten bald keiner mehr weiß, wen man erschießen und wen man verteidigen soll.
Abgesehen davon bleibt “Civil War” leider sehr vage, verlässt sich auf Action reiche Bilder und Szenen, die den Film aber nicht sonderlich von fiktiven, dystopischen Actionfilmen abheben. Durch die Ansprüche, die er an sich selbst stellt, erweckt er die Erwartung, eine politisch konkrete, sozial komplexe Hypothese von möglichen Ereignissen aufzustellen, die er leider nicht erfüllen kann.
“Civil War” erscheint am 18. April in den deutschen Kinos.