Gesehen: „Bugonia“ von Yorgos Lanthimos

Während einer Pressekonferenz bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig, bei denen „Bugonia“, der neue Film des Kultregisseurs Yorgos Lanthimos Premiere feierte, wurde Hauptdarstellerin Emma Stone gefragt, ob es ihr leicht gefallen wäre, sich für die Rolle der Michelle Fuller die Haare abrasieren zu lassen. Stone antwortete sinngemäß: „Oh, das ist leicht, man nimmt einfach den Rasierer und rasiert sie ab.“ 

Es ist leider bezeichnend, dass dies nach wie vor die Art von Fragen sind, die Schauspielerinnen, vor allem solche, die so konventionell attraktiv wie Emma Stone sind, im Bezug auf herausfordernde Rollen gestellt bekommen. Dabei gibt es so viel mehr, was an Stones Darbietung Aufmerksamkeit und Respekt verdient – allem voran, wie nahezu erschreckend und gleichzeitig wunderbar glaubwürdig sie als Michelle ist. Eine CEO eines Pharmaunternehmens, die von einem Schwurbler entführt wird, weil er sie für eine gefährliche Außerirdische hält, die Teil einer elitären Weltverschwörung ist – wer wenn nicht Emma Stone? Gut, ein bisschen fragt man sich inzwischen schon, ob Lanthimos und Stone irgendwie in eine Art cineastischer Co-Abhängigkeit geraten sind, und ob es beiden nicht gut tun würde, mal wieder mit jemand anderem zu arbeiten. Aber in „Bugonia“ beweisen sie sich wieder einmal als absolutes Dream Team. Man möchte sie einfach so weiter machen lassen. 

Denn das Beste sei vorweg genommen: nach dem inhaltlich etwas vor sich hin mäandernden Episodenfilm „Kinds of Kindness“ und dem moralisch teilweise fragwürdigen Fantasy-Drama „Poor Things“ zeigen sich Yorgos Lanthimos und sein Cast (zu dem ebenfalls Lanthimos-Wiederholungstäter Jesse Plemons gehört) in „Bugonia“ endlich wieder in Bestform. Das liegt mit Sicherheit auch an dem Drehbuch von Will Tracy, das auf dem koreanischen Kultfilm „Save the Green Planet!“ basiert. Es bereitet für den Film ein stabiles Fundament aus messerscharfen Dialogen, zeitgemäßer Beobachtungsgabe, schrägem Humor und überraschenden Wendungen. Auf Basis dessen toben sich alle Beteiligten im besten Sinne aus. 

Jesse Plemons spielt Teddy, der in der Versandabteilung des Biomedizinunternehmen Auxolith arbeitet und plant, mithilfe seines Cousins Don (Aidan Delbis), Firmen-CEO Michelle Fuller zu entführen. Er macht sie nicht nur dafür verantwortlich, dass seine Mutter nach einer experimentellen Entzugstherapie im Koma liegt, sondern hält sie auch für eine Alien-Königin und sie und ihr Volk als Verursacher von weit schlimmerem, wie zum Beispiel dem Bienensterben. Sie rasieren ihr den Kopf (um zu verhindern, dass ihre Spezies über die Haare Kontakt zu ihr aufnehmen), ketten sie in einem Kellerverlies an und foltern sie mit Stromstößen. Bis zur nächsten Mondfinsternis soll sie mit ihrem Volk Kontakt in Kontakt treten und dessen endgültigen Abzug von der Erde garantieren. Aber Michelle, der wir zu Anfang des Films bereits zusehen durften, wie sie sich mit hartem Training und optischer Selbstoptimierung gegen eventuelle Angriffe jeder Art wappnet, erweist sich nicht als leichtes Opfer. 

Zum Glück reduziert Lanthimos Teddy nicht auf die Karikatur eines vertrottelten Verschwörungstheoretikers. Seine Not, so absurd sie sein mag, ist echt und sitzt tief. Das spürt selbst Michelle und schätzt den Ernst der Situation, in der sie sich befindet, entsprechend richtig ein. Und Emma Stones ätherische Kraft, ihre Widerstandsfähigkeit und ihr Erfindungsreichtum rücken sie immer mehr in die Nähe des vermeintlichen Ailiens. Die Dringlichkeit, die dadurch im Schlagabtausch zwischen den beiden entsteht, trägt den Film mühelos bis zum großartigen Finale. „Bugonia“ ist modernes, brachiales Kino mit hohem Unterhaltungsfaktor von einem eingespielten Team in Bestform. 

„Bugonia“ startet am 30. Oktober 2025 in den deutschen Kinos.