Mit der Absicht ein glaubwürdiges Charakterdrama zu fertigen, führt Regisseur Jim Sheridan ein Cast erstklassiger Jungschauspieler zusammen, die auf der Leinwand ihr Potential entfalten.
Das Drama und Familienportrait „Brothers“ aus der Feder von Drehbuchautor David Benioff („Der Drachenläufer“) ist ein Remake des dänischen Films „Brødre“. Tobey Maguire stellt Captain Sam Cahill dar, einen erfolgreichen US-Marine, verheiratet mit seiner Highschool-Liebe Grace (Natalie Portman) und Vater von zwei Töchtern. Jake Gyllenhaal spielt eindringlich Tommy Cahill, das schwarze Schaff der Familie. Vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen, schlägt sich der Bruder auf seine nonchalante Art durchs Leben. Sam Shepard gibt den Vater des ungleichen Brüderpaars. Ein Vietnam-Veteran, der keinen Hehl daraus macht, wen er von den beiden bevorzugt – nämlich den stoischen Jungfamilienvater. Sheridan beweist abermals sein Gespür für die Dynamik innerhalb einer Familie wie schon in „The Boxer“ oder „In America“.
Der junge Soldat tritt dann auch recht bald zu seinem vierten Afghanistan-Einsatz an. „Es ist schon komisch“ hört man Maguires Stimme aus dem Off, „es fühlt sich fast wie Nachhausekommen an“. Doch die „Heimkehr“ ist keine angenehme. Denn Sams Helikopter wird von Taliban-Kriegern abgeschossen und da man keine Spur von der Besatzung findet, wird diese für tot erklärt. Brothers thematisiert aber nicht die Unmenschlichkeit des Krieges – mit der absoluten und schonungslosen Härte – wie „Die durch die Hölle gehen“. Der Krieg den die US-Marines führen, wird hier nur in den nötigsten Zügen skizziert, um das Verhalten seiner Figuren zu erklären.
Ein Versuch in Zeiten der Krise Mainstreamkino mit Tiefgang und Anspruch zu schaffen. Hollywood siecht vor sich hin. „Toy Story 3“, „Spiderman 4“, „Harry Potter 7“. Disney hat sein Arthouse-Studio Miramax verscherbelt und Dreamworks vertraut sich seinen indischen Finanziers an. Das Kino der Mutlosen.
Jim Sheridan wagt hier dennoch den Spagat zwischen Popcornkino und Kammerspiel. Dieser gelingt nicht immer. So hätte man auf die Nebengeschichte von Sams Gefangenschaft getrost verzichten können, die von comichaften und stereotypen Hollywoodtalibans bevölkert wird. Es wäre vielleicht besser gewesen den Zuschauer, ebenso wie Ehefrau und Bruder, im Dunklen über das Schicksal des Soldaten zu lassen. Grundsätzlich gilt, je weniger man über „Brothers“ im Vorfeld ließt, desto besser entfaltet sich der Plot im Kino.
Nach Sam’s vermeintlichen Ableben, tauschen die Brüder unfreiwillig ihre Rollen ein. Der Wandel von Gyllenhaals Charakter scheint aber weniger dessen Psychologie, sondern den Vorgaben des Drehbuch zu entspringen. Generell hinterlassen die Figuren den Eindruck mehr aus Ideen, als aus Fleisch und Blut zu bestehen.
Regisseur Jim Sheridan befasst sich mit den Einflüssen von Krieg und Schuld auf einen Menschen. Doch geht es nicht um die Auswirkungen vor Ort, sondern vielmehr um das, was sich im Leben zu Hause ereignet. So kommt Brothers ohne Heroismus, Kriegsgräuel oder Argumente über das Für und Wider, einen Sinn des Krieges, aus. Ein apolitscher und ruhevoller Film. Im Mittelpunkt steht der Kampf der durchschnittlichen Familie um emotionales und existenzielles Glück.
Der verschlossene, wütende und ungeliebte Bruder wird durch tragische Umstände ein fürsorglicher, verantwortungsvoller Mann. „Brothers“ erzählt die Geschichte einer Familie inmitten dieses schmerzhaften doch auch schönen Chaos. Am Ende sind die zwei grundverschiedenen und trotzdem ähnlichen Brüder die Einzigen auf die Verlass ist, die einander retten können. Und vielleicht springt ja eine Oscar-Nominierung – wie etwa in der Kategorie „Beste/r Nebendarsteller/in“ – für einen der drei Jungschauspieler heraus.
Gesehen von: Sebastian Schelly
Brothers kommt am 27. Januar in die deutschen Kinos.