Auf seine alten Tage weiß Woody Allen ein ums andere Mal mit lockerleichten Filmperlen zu überraschen, die durch eine bitterböse, witzige oder auch äußerst ernsthafte Beinote im Gedächtnis bleiben. So auch mit „Blue Jasmine“ geschehen – einem Film, der vor allem durch seine Ausnahmedarstellerin Cate Blanchett überzeugt.
Jasmine (Cate Blanchett) hat das Schicksal hart getroffen. Nach vielen Jahren des Zusammenlebens findet sie heraus, dass ihr Mann Hal (Alec Baldwin) sie betrügt. Als wäre dies nicht schon genug der Demütigung, ist Hal auch in seinem Job ein Betrüger und muss genau aus diesem Grund für eine ganze Weile ins Gefängnis gehen. Nun sitzt Jasmine quasi auf der Straße. Eine Situation, mit der sie so gar nicht umzugehen weiß. Einen Nervenzusammenbruch später landet sie dann schließlich bei ihrer Adoptivschwester Ginger (Sally Hawkins, „We Want Sex“) in einer gemütlichen, kleinen Wohnung – ständig neuen Annäherungsversuchen der Männer und keiner Perspektive ausgesetzt.
Nach „Match Point“ (2005) oder auch „Midnight in Paris“ (2011) widmet sich der Herrscher über den klugen Dialogwitz, Woody Allen, ein weiteres Mal dem Clash der Milieus.
„Sie muss ihre gewohnte Umgebung verlassen, und das ist jenseits ihrer Vorstellungskraft. Sie betritt ein völlig unbekanntes Terrain, reist von der Ostküste an die Westküste, wechselt […] die soziale Klasse.“ (Cate Blanchett)
Jasmine hat all die Vorzüge einer reichen Vorzeigedame und Ginger die schlichte Besonnenheit einer Mittelklasse-Klischee-Frau. Doch wer hier im Ring nach den rund anderthalb Stunden besser abgeschnitten hat, ist schwer auszumachen. Vielmehr mag der Schwermut der festgefahrenen Situation für sich einzunehmen. Cate Blanchett, welche die erste Wahl des Regisseurs (und wie immer auch Drehbuchautors) für diese verlorene Figur darstellte, bringt den Inhalt von Allens Werken auf den Punkt:
„Er zeigt Menschen, die total von der Ernsthaftigkeit ihres Lebens überzeugt sind – was völlig absurd ist.“
So sieht Blanchett auf Dauer eher nach Bob Dylan mit Tränensäcken („I’m Not There“) als nach Galadriel in „Der Herr der Ringe“-Trilogie aus. Trotz Chanel, makelloser Haut und ebenso makellosen Manieren: diese Frau ist gebrochen. Sie zittert, spricht mit sich selbst und befindet sich noch immer in der Illusion jemand auf der Park Avenue zu sein.
„Von Anfang an ist klar, dass Jasmine verloren ist.“ (Woody Allen)
Jasmines gespreizte Art, ihre stetigen Erfindungen sowie Überhöhungen ihrer selbst werden dem Zuschauer mit Sicherheit ein Dauergrinsen ins Gesicht zaubern können. Ein Beispiel für die amüsante Kompliziertheit von Jasmines Gedankengängen ist ihr Wunsch, Interieurdesignerin zu werden. So will sie zunächst einen Computerkurs belegen, um so Interieurdesign online studieren zu können. Und um dafür das nötige Kleingeld zu haben, jobbt sie zusätzlich in einer Zahnarztpraxis – ein großes Kuddelmuddel! Aber Allen erreicht bei all der guten Unterhaltung mit „Blue Jasmine“ auch eine Emotionalität, mit den Situationen, in welche er seinen fragilen Hauptcharakter völlig überfordert hineinsteckt, die weit über die seiner Filme in den letzten Jahren hinaus geht und somit noch Wochen nach dem Schauen bittersüß nachhallt.
Kinostart: 07. November 2013
Gesehen von: Hella Wittenberg