Gehört: „Passive Me, Aggressive You“ von The Naked & Famous

MGMT meets The XX

thenakedandfamous-passivemeaggressiveyou2010Dass die noch immer aktuelle Retro-80s-Pop-Welle von Flecken wie Brooklyn oder London ausgegangen ist und geht, überrascht nicht. Schließlich besitzen die Kieze der Weltmetropolen ein so kreatives Umfeld, das genug Input liefert, um für entsprechenden Output zu sorgen. Wie Berlin erst für die Techno- und nun für die Electro-Szene. Doch nun kommt die hippste Entdeckung dieser Retro-Bewegung nicht aus Europa oder den USA, sondern aus dem beschaulichen Auckland, Neuseeland, und nennt sich unverblümt und frech The Naked & Famous.

Sängerin und Gitarristin Alisa Xayalith, Sänger Thom Powers und Aaron Short beginnen 2008 mit ihrem Band-Projekt und gründen die Formation The Naked & Famous. Noch im selben Jahr veröffentlicht das Trio zwei EP’s. 2009 finden die drei für ihre Liveauftritte Unterstützung durch Drummer Jesse Wood und Bassist David Beadle. 2010 erscheint in ihrer Heimat „Passive Me, Aggressive You“, das als Debütalbum Gold einholt. Nun wird das Album auch in Deutschland veröffentlicht. Und die Indie-Hipster-Szene steht Kopf.

Da „Passive Me, Aggressive You“ auf der Retro-Pop-Welle reitet, vernimmt man natürlich die Einflüsse und Elemente der 80er und frühen 90er. Synthi-Pop sowie verdrehte und entstellte Beats. Doch es gibt auch sorgenlosen und rebellierenden Indie-Pop-Spirit wie bei „All Of This“ oder „Punching In AN&F_1 Dream“. „The Wolf In Geek’s Clothing“ stellt die einzige Anomalie dar, zu übersteuert, zu krachig. All das verleiht dem Album einen chaotischen, ungezügelten und grenzenlosen Charakter.

Ob diese Einflüsse überhand nehmen oder „Passive Me, Aggressive You“ eine der innovativsten, einzigartigsten und visionärsten Platten diesen Jahres ist, liegt im Auge des Betrachters. Und über Sinn, Zweck oder Innovation eines „Yeah, Yeah, Yeah“-Chorus – ob einfallslos oder künstlerisch genial – kann man endlos diskutieren. Die teilweise übersteuerten, elektronischen Missklänge und verformten Gitarrenlaute fegen fesch und flott daher, erzeugen eine poppige Intensität. Bestes Beispiel: „Young Blood“.

Irgendwie scheint alles perfekt zu sitzen: vom vorzüglichen Opener „All Of This“, der mit seinem Minimalismus, dem zarten Beat und Gesang an The XX erinnert, dem stampfenden und leiernden „Jilted Lovers“ bis hin zum Piano-Zwischenspiel von „The Source“ oder der zerstörerischen Schönheit in „Frayed“.

Die Stimme von Front-Frau Xaylith deckt alle Spektren ab, süß und hoch, dann wieder kraftvoll und barsch. Powers Stimmer wirkt immer ein wenig verträumt und skurril, verschafft sich allerdings beim letzten Track „Girls Like You“ Raum.

An den Stellen, wo sich Müßiggang ausbreiten könnte, packen die Neuseeländer ausreichend Tricks aus, um nicht zu langweilen. Das mag gefallen. Überzeugen ist eine andere Frage. Innovativ wirkt „Passive Me, Aggressive You“ nicht wirklich, aber handwerklich verdammt gut.

Das intime Mädchen-Jungen-Zwischenspiel von The XX trifft auf den innovativen Electro-Pop MGMTs. Fehlt eigentlich nur noch ein Prise Dubstep à la James Blake und die Indie-Band 2011 käme aus Neuseeland und würde auf den gewagten Namen The Naked & Famous hören.

Gehört von: Sebastian Schelly

„Passive Me, Aggressive You“ erschient am 18. März.