Nach einer langwierigen künstlerischen Blockierung bei Sänger und Songschreiber Kurt Wagner wird nun als Befreiungsschlag der elfte Tonträger namens „Mr. M“ von der aus Nashville stammenden Band Lambchop hinausposaunt, der nur so vor innovativen Ideen und einem sicheren Gespür für die schöne Schlichtheit in Klang und Text sprüht. Schon mit dem Opener möchte man sich zurücklehnen, die Augen schließen und dem eigenen assoziativen Denken voll und ganz hingeben. Man beginne…
Ich sitze in einer verrauchten Bar, starre vor mich hin. Es ereilt mich das Gefühl, dass ich zu alt für den Moment bin, das Leben eine zu große Bürde ist. Er säuselt mir zu niederschmetternd ins Ohr – entweder muss ich mir nun eingestehen, dass das alles keinen Sinn mehr macht oder ich betrete die Tanzfläche. Die Wahl fällt bei Song Nummer 2, „2B2“ eben auf die 2. Wahl. Ich bewege mich schwerfällig, kenne aber instinktiv den Rhythmus. Als hätte ich das schon einmal gehört. In einem früheren Leben? Song „Gone Tomorrow“ will mir davon erzählen. Hebt mir zärtlich den Kopf hoch.
„Sometimes I find things on the streets.“
Ist dort das Glück verborgen? In einer Kleinigkeit wie in der richtigen Musik im falschen Augenblick? Er scheint von der anderen Seite der Bar wissend herüber zu nicken und zückt die Streicher zur Untermauerung. Man möchte schnurren wie eine Katze beim Anblick einer Schale voll lauwarmer Milch.
Es wird eine Nacht der Geschichten – von früher, von heute – von dir und mir. Doch auch wenn ich einzuschlafen drohe, merke ich bald, dass sie sich zu wiederholen scheinen. Zwar finden die schönsten Synonyme ihren Platz am Horizont der schlichten Melodien, aber der Argwohn wächst.
So endet nach der Hälfte des Albums die Trance, die vorher so gegenwärtige Magie. Man befindet sich mit einem Mal in der Endlosschleife. Gerne möchte man Kurt Wagner glauben, dass die durch den Tod des langjährigen Freundes Vic Chesnutt hervorgerufene Schreibblockade mit diesem Album das Ende erreicht hat. Schließlich malte er sich seine Sorgen zuerst von der Seele (das Albumcover ist ein Indiz dafür), doch der Schmerz drückt noch. Es fällt schwer den Atem zu behalten, doch die Bilder festigen sich bei jedem Hören mehr und mehr und schmeicheln schließlich dem Zuhörer zu sehr, um schlecht über das allzu lyrische Gesamtkunstwerk abwertend zu urteilen.
VÖ: 24. Februar 2012
Gehört von: Hella Wittenberg