2007 veröffentlichte die Hamburger Band Fotos ihr zweites Album „Nach dem Goldrausch“. Zeitgleich wurde das damalige Independent Label Mute dem Großkonzern EMI angeschlossen. Daraus, dass diese Entwicklung die Fertigstellung des Albums nicht gerade positiv beeinflusste, macht die Band heute kein Hehl. Drei Jahre später erscheint jetzt das dritte Album „Porzellan“ und ist das beste Beispiel dafür, dass auch weniger freudvolle Erfahrungen viel Gutes hervorbringen können.
Viel Wut hat sich in den vergangenen Jahren offenbar angestaut, dieser machen Fotos auf „Porzellan“ zum Teil auch unmissverständlich Luft. Aber offensichtlich hat diese Wut auch einiges bewegt. Denn vom gewohnten, in der Regel eher gut gelaunten Indie-Pop, mit dem sie bekannt geworden ist, bewegt die Band sich mutig weg, ohne dabei je zickig zu klingen. Stattdessen breitet sie einen ungewohnt atmosphärischen Soundteppich aus. Der Eröffnungssong „Alles schreit“ beginnt mit einem knapp zweiminütigen Intro, aus dem die kraftvoll einsetzenden Gitarren einen abrupt herausreißen. In Stücken wie „Nacht“ hingegen wird auch mal komplett auf die Gitarren als tonangebendes Instrument verzichtet.
Groß klingen Fotos, aber ohne eine Spur von Arroganz. Regelrecht mächtig ist ihr Sound, sowohl in den lauten Stücken als auch (oder besonders) in den ruhigeren wie „On The Run“ oder dem gerade mal zwei Minuten langen „Wasted“. Da bekommt selbst Tom Hesslers Stimme eine völlig andere Qualität, als habe ihn der Druck, unter dem sonst oft beim Singen zu stehen scheint, komplett verlassen. Und obwohl er betont, dass „Porzellan“ nicht als Singles-Album konzipiert ist, sind die Hit-Qualiäten der ersten Single Auskopplung „Mauer“ schlichtweg nicht von der Hand zu weisen – was jedoch in keinem Widerspruch dazu steht, dass „Porzellan“ tatsächlich als Großes Ganzes funktioniert, mit elf gleich starken Songs und einem in sich geschlossenen Spannungsbogen.
Nach dem EMI Desaster haben Fotos ihr neues Album komplett in Eigenregie produziert und selbst, mit Hilfe des Berliner Independent Label Snowhite, veröffentlicht. Fans der Vorgängeralben mögen beim ersten Hören ein wenig verwirrt sein. Dass sie sich dauerhaft der musikalischen sowie emotionalen Kraft des Albums entziehen können, ist aber schwer vorstellbar.
„Warum ich noch hier bin erscheint mir schleierhaft“, fragt Tom Hessler sich in „Alles schreit“. Ich hoffe, die Frage hat sich während der Arbeit an „Porzellan“ für ihn beantwortet. Wäre doch verdammt schade, wenn wir auf dieses tolle Stück Musik hätten verzichten müssen.
Gehört von: Gabi Rudolph