Ach die guten alten 90er, Oasis und die Zeiten, als das musikalische Great Britain noch groß und britisch war. Das sind die ersten Eindrücke des „Beady Eye“ Debüt-Albums.
Beady Eye: Schon mal gehört, ach ja… Oasis, nur irgendwie anders.
Bei Beady Eye handelt es sich um die neue Formation, die Liam Gallagher nach dem Abgang seines älteren Bruders Noel um sich geschart hat. Der verließ 2009 endgültig Oasis, als sein kleiner Bruder während einem Konzert in Paris, exzentrisch wie eh und je, die Gitarre des Liedermachers hinter der Bühne zerstörte. Nach einer erfolgreichen Dekade, 70 Millionen verkaufter Alben und etlichen legendären Auftritten folgte die letzte Konsequenz: Ein finaler Bruch im permanenten, sich zuspitzenden Brüderzwist. Der Ausstieg Noels. Und die Musik-Welt erhitzte sich das Gemüt darüber, wie es wohl weiter gehen würde. Gibt es Oasis 2.0? Oder legt einer der beiden Brüder eine Solokarriere hin?
Beady Eye machen weiter. Die Band ist fast die gleiche und die Musik auch – bis auf den älteren der Gallagher-Brüder musiziert die altbekannte Kombo. „Different Gear, Still Speeding“ eben. Wer hätte nach Noel’s Ausstieg – der in den 90ern die Welt zum Singen brachte – gedacht, dass sein jüngere Bruder die alte Mannschaft um sich herum versammelt, große Töne spuckt und ungerührt weitermacht.
Bei Oasis waren die Rollen klar verteilt. Der ältere Bruder schrieb die Songs und der jüngere sorgte für mediale Aufmerksamkeit, charismatisch und tough. Das hat sich jetzt geändert. In Interviews ließen die vier Briten verlauten, wie viel Freude das gemeinsame Song-Schreiben mache und man hört, da ist ein neuer Schwung, wohltuende Frische. Fetzige Up-Beats und spaßige Melodien. Große Riffs, einfach Bass-Läufe und ein stampfendes Schlagzeug. Doch werden Beady Eye wahrscheinlich für immer mit dem übergroßen Oasis-Schatten zu kämpfen haben. Oder nicht?
Ausgewogener und behänder als die letzten Oasis-Platten
Und nun die Eine-Millionen-Euro-Frage. Eine Mischung aus Autounfall-Voyerismus und zaghaftem Optimismus. Gelingt es Liam, ohne die Führung seines großen Bruders eigenes zu schaffen? Ja. „Different Gear, Still Speeding“ ist ein weit ausgewogeneres und flinkeres Album als die letzten Oasis-Platten. Die erste Single-Auskoplung „Bring The Light“ mit hämmerndem Piano und Vintage-Rock’n’Roll Elementen hat zu Recht die Vorfreude angeheizt.
Es gibt aber auch ein paar Enttäuschungen. Frei nach dem Motto „business as usal“ ist der Opener „Four Letter Word“ eher was für eingefleischte Fans und Liebhaber des Orchestral-Rock. Meint man da noch die Streicher von Led Zeppelin’s „Kashmir“ zu erkennen, gibt es beim folgenden „Millionaire“ dann Gitarren-Geklampfe aus den folkigen Tagen der Band, der eine einzigartige Mischung aus Hard-Rock, Blues und Folk gelang. Vieles erinnert an diese Musik der 70er Jahre und die der Stones oder Beatles, wie „The Beat Goes On“. Ein Stück der Sgt. Pepper-Ära (das als eines der ersten Konzept-Alben immer noch ein Meilenstein der Musik-Geschichte ist). Verspielte psychedelische und barocke Töne. Ist das die Musik, die John Lennon heute machen würde? Vielleicht. Trotz der vertraut wirkenden Klänge ist es ein autarkes Album. Nicht abgekupfert, sondern inspiriert.
„Different Gear, Still Speeding“ besitzt nicht die Neuerungen, aber die Energie eines guten Albums. Wer hätte gedacht, dass es ein derart gutes Debüt wird. Wahrscheinlich niemand. Außer Liam Gallagher. In diesem Sinne: Cheers mate!
Gehört von: Sebastian Schelly
„Different Gear, Still Speeding“ erscheint am 25. Februar.