Gehört: Pale Waves „Who Am I?“

„Who Am I?“ Diesen Namen trägt das neue Album der britischen Indie-Rock Band Pale Waves, und es handelt von genau dem Thema, welches der Titel bereits verrät. Mit ihrem Debütalbum „My Mind Makes Noises“ legte die vierköpfige Band vor drei Jahren den Maßstab für die Qualität ihrer Musik sehr hoch.  Auf ihrem Sophomore Album kombinieren Pale Waves nun Pop-Rock, wie wir ihn von ihnen kennen und lieben, mit poppigen Akustik Gitarren und Early-2000 Vibes. Durch die Ehrlichkeit und Tiefe der Lyrics wirkt es trotz der Pop-Elemente ein Stück erwachsener als alles, was wir zuvor von Pale Waves hören durften. „Who am I?“ ist eine Ode an das Erwachsenwerden, die Suche nach sich selbst, Sexualität, die Komplexität mentaler Gesundheit und Liebe für und zwischen Frauen.

Das sind Themen, die Heather Baron-Gracie, Frontfrau der Band, nicht zum ersten Mal in ihren Texten aufgreift. Dieses Mal nimmt sie jedoch kein Blatt mehr vor den Mund. Trotz Zweifel, die immer und immer wieder in Pale Waves‘ Songs thematisiert werden wird deutlich, dass Heather Schritt für Schritt mehr zu sich selbst findet und stolz darauf ist. Dies wird besonders im Song „She’s My Religion“ klar. Heather machte bislang nicht wirklich ein Geheimnis aus ihrer Sexualität, jedoch besang sie ihre Liebe für Frauen noch nie so explizit wie auf diesem Album. 

Trotz der Verwundbarkeit, die den Großteil der Lyrics ausmacht, schwebt das Wort „Hoffnung“ über allem. „Tomorrow“ wurde bereits während Pale Waves‘ letzter Tour als Hymne der Fans betitelt. Der Track beinhaltet all die Dinge, die wohl jeder, so auch die vier Mitglieder der Band, wohl gerne beim Erwachsenwerden gehört hätten. Mentale Gesundheit ist auch hier ein großes Thema. Doch unterm Strich zählt nur eins: „there’s always tomorrow“.

Ähnlich wie „Tomorrow“ ist „Odd Ones Out“ ein wahrer Hoffnungsträger. Ein Song, der uns an die wahre Liebe glauben lässt, oder auch ein Liebeslied, wie es sonst nur Taylor Swift schreibt. Er ist sanfter und poppiger als wir es sonst von Pale Waves kennen. Doch es spricht für die Band, da sie sich offensichtlich nicht mehr auf ein Genre oder eine Nische fixieren muss um einen Song zu schreiben, der funktioniert und überzeugt. 

Ein Song, der definitiv nicht unerwähnt bleiben sollte, ist „You Don’t Own Me“ – ein Track, der von Punk-Einflüssen und Heathers geradlinigen Worten lebt. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar geworden ist, dass Pale Waves ihre Fans dazu auffordern wollen kompromisslos zu sich selbst zu stehen, dann ist es nun soweit. „You Don’t Own Me“ ist jedoch nicht nur ein Aufruf dazu, an der eigenen wahren Identität festzuhalten und belanglose Kritik Außenstehender links liegen zu lassen, sondern auch eine Hymne der Frauenbewegung und ein Tritt in das Gesicht der alltäglichen Misogynie. 

„Who Am I?“ kommt mit dem gleichnamigen Track zum Ende, der es definitiv würdig ist, titelgebend zu sein. „Who Am I?“ ist ein Hilferuf, hinter dem sich stiller Optimismus versteckt. Anders als gewohnt führen uns ein Klavier und eine sanfte Gitarre durch den Song, der uns in die Köpfe der beiden Songwriterinnen Heather Baron-Gracie und Ciára Doran, der Schlagzeugerin der Band, schauen lässt. Die Verzweiflung und die Einsamkeit sind laut, aber der Gedanke daran, dass sie mit dieser Ehrlichkeit dem Gefühl des „Alleinseins“ ihrer Hörer*innen entgegen steuern können, ist lauter. Besonders die Zeile „gotta find that love myself“ spricht für sich.

Mit „Who Am I?“ zeigen Pale Waves, wie sie in den letzten Jahren an und mit ihrer Musik wachsen und reifen konnten. Sie sagen das, was sich die meisten nicht trauen in den Mund zu nehmen und machen vor allem eins deutlich: Sich zu verstecken bringt nichts, sich selbst treu zu sein schon.