Dermot Kennedy im Interview: „Wenn jemand zu meiner Show kommt und sich wohl fühlt, dann möchte ich das einfach nur verfestigen und dieses Gefühl verstärken“

Dermot Kennedy zählt mittlerweile zum Who is Who der internationalen Musikszene. Mit seinen gefühlvollen Songs hat sich der irische Singer-Songwriter weltweit in die Herzen seiner Fans gesungen. Im September 2023 gab er beim SWR3 New Pop Festival in Baden-Baden ein umfeiertes Homecoming Konzert. Nachdem wir es zeitlich nicht geschafft hatten, uns beim Festival persönlich zu treffen, stand Dermot mir etwas mehr als eine Woche später via Zoom Rede und Antwort und gab Einblicke in seinen Songwriting Prozess und in die besondere Verbindung zu seinen Fans bei seinen Liveshow.

Vor eineinhalb Wochen bist du nach Baden-Baden zurückgekehrt, um beim New Pop Festival dein „Homecoming“ Konzert zu spielen. Es war das zweite Mal, dass du bei diesem Festival gespielt hast. Ich hatte das Glück, bei beiden Auftritten dabei zu sein. Wie hat es sich für dich angefühlt, dorthin zurück zu kehren? 

Es war ein schönes Gefühl, weil ich seitdem so viel erreicht habe und weil seitdem so viel passiert ist. Aber ich gebe  auch immer mein Bestes, um an jede Show gleich heranzugehen. Ich denke, als ich vor vier Jahren auf dem Festival gespielt habe, kam ich mit der richtigen Einstellung und einem guten Maß an Selbstvertrauen in das, was ich tue, und in die Songs, die ich spiele. Aber ich war auch einfach nur glücklich, dort mit dabei zu sein, mit all den anderen Künstler*innen. So war es auch in diesem Jahr, ich war einfach nur glücklich, dort zu sein. Und allein die Tatsache zu sehen, dass das Theater ausverkauft war, ist für mich immer noch ein tolles Gefühl. Also ja, es war sehr schön.

Ja, die Atmosphäre war großartig. Wo wir gerade bei deiner Musik sind – wenn Leute versuchen, deine Musik zu beschreiben, beschreiben sie diese immer als eine Mischung aus verschiedenen Genres. Nehmen wir mal an, jemand hat noch nie einen deiner Songs gehört. Wie würdest du selbst dieser Person deine Musik beschreiben? 

Ja, das passiert mir in Amerika immer. Ich werde oft gefragt: Was machst du denn so? Und ich sage: Ich mache Musik. Und sie fragen: Wie klingt sie denn so? Und ich bin dann erstmal verwirrt und sage: Ich weiß es nicht wirklich. Ich höre zu 90% Hip-Hop. Und ich weiß, dass das meine Musik ein wenig beeinflusst, insbesondere was die Art und Weise angeht, wie ich schreibe, aber meine Musik ist kein Hip-Hop. Ich bin eine Art akustischer Singer-Songwriter, der seine ganze Zeit damit verbringt, Rapmusik zu hören. Und das beeinflusst sie natürlich ein wenig. Aber es ist immer noch eine Art von Singer-Songwriter, akustischer Musik.  

Wenn du neue Musik schreibst, würdest du sagen, du hast ein bestimmtes Muster, dem du folgst? Kannst du diesen Prozess beschreiben? 

Ich glaube, die besten Ergebnisse erziele ich, wenn ich einfach am Klavier oder an der Gitarre sitze. Ich weiß nicht, ob ich jemals etwas geschrieben habe, was ich wirklich liebe, bei dem wir mit der Produktion angefangen haben. Ich glaube, meine Lieblingsideen haben alle akustisch angefangen. Ich habe sie mir auf der Gitarre oder am Klavier ausgedacht, und dann haben wir darauf aufgebaut. Das bringt mich dazu, mich auf eine Melodie und eine Idee festzulegen, von der ich überzeugt bin. Wenn ich in einer Bar stehe und einen Song nur mit meiner Gitarre spielen kann, dann fühlt sich das für mich solide an, es ist eine gute Grundlage. So teste ich das normalerweise aus. Und manchmal ist die Grundlage einfach nicht da. Die Leute fragen mich immer, ob ich zuerst den Text oder die Musik schreibe. Aber ich denke, für mich ist es am besten, wenn beides Hand in Hand geht, und das eine vom anderen beeinflusst wird. Ich schreibe die Texte nicht einfach aus dem Nichts heraus. Und ebenso schreibe ich nicht einfach Musik ohne eine emotionale Richtung. Ich denke also, dass all diese Dinge gleichzeitig passieren müssen. 

Wie du gesagt hast, sind deine Texte meist sehr tiefgründig, sehr persönlich und emotional. Und irgendwann teilt man diese Songs, diese Texte mit dem Publikum und im besten Fall findet dieses dann eine Connection dazu. Und ich denke, das gelingt dir wirklich gut. Passiert das denn ganz natürlich oder stellst du dir beim Schreiben eines Songs vor, wie du auf der Bühne stehst?  

Das habe ich in der Vergangenheit tatsächlich getan. Ich habe mir immer vorgestellt, wie es bei einer Show sein würde. Aber in letzter Zeit versuche ich, das immer weniger zu tun, nicht weil es für mich nicht wichtig ist, sondern ich denke, wenn ich mich darum kümmere, den Song so gut wie möglich zu machen, dann überträgt sich das ganz automatisch auf die Bühne. Wenn ich im Studio mein Bestes gebe, wird es auch live funktionieren. Und ich glaube, in der Vergangenheit habe ich mir zu viele Gedanken darüber gemacht, was die Leute darüber denken werden oder wie es live wirken wird. Ich arbeite also gerade aktiv daran, weniger darüber nachzudenken.

Gibt es einen Song, bei dem du überrascht bist, wie positiv das Publikum darauf reagiert? Einen Song, den du für dich selbst geschrieben hast, der aber live super funktioniert?

Ich habe einen Song namens „An Evening I Will Not Forget“, und der fühlt sich ganz danach an, weil es ein Song ist, der ganz leise anfängt und sich dann immer weiter aufbaut und dann zu diesem großen Moment wird. Es gibt keinen Refrain und er besteht quasi nur aus langen Textpassagen, so dass man sich wirklich darauf konzentrieren muss. Und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass die Leute das tun, dass sie während des ganzen Songs bei mir bleiben, denn die Songstruktur ist nicht wirklich gewöhnlich. 

Wenn du an all die Songs denkst, die du je geschrieben und veröffentlicht hast, würdest du sagen, du hast eine bestimmte Botschaft, die du den Leuten vermitteln möchtest durch deine Musik?  

Ich habe definitiv ein paar. Ich meine, ich möchte nie Dinge sagen wie: Ich will nur, dass meine Musik die Leute glücklich macht, weil es nicht nur das ist. Man möchte, dass die Leute die ganze Bandbreite an Emotionen empfinden, und man möchte, dass die Leute sich ganz unterschiedlich fühlen. Und deshalb bin ich immer etwas zurückhaltend, wenn es darum geht, zu sagen: Oh, ich will nur, dass die Leute eine gute Zeit haben. Ich denke, das Wort, auf das ich immer wieder zurückkomme, ist „hoffnungsvoll“. Wenn ich den Leuten ein Gefühl der Hoffnung geben kann, wenn jemand zu meiner Show kommt und sich wohl fühlt, dann möchte ich das einfach nur verfestigen und dieses Gefühl verstärken. Ich glaube, dass alle Emotionen, die ich in meinem Leben gefühlt habe, in diesen Shows zu sehen sind, ob es nun um Trauer oder Liebe geht, ich denke, es ist ein breites Spektrum an Emotionen. Und so glaube ich, dass jeder, der sich die Show ansieht, die Gewissheit hat, dass wir alle dasselbe durchmachen. Wir haben alle schlechte und gute Tage. Und ich denke, ich möchte einfach jedem versichern, dass es nicht für immer hart sein wird, auch wenn es im Moment vielleicht schwierig ist.  

Für viele Leute, mich eingeschlossen, sind Konzerte so etwas wie ein Safe Space. Sie gehen auf ein Konzert und vergessen alles und können sich ganz auf den Moment einlassen.  

Ja, absolut. Ich habe eine Gesangslehrerin, mit der ich kürzlich erst darüber gesprochen habe, und ich sagte, dass Konzerte für die Leute einfach eine Flucht aus dem wirklichen Leben sein sollen. Und sie sagte zu mir: Ja, aber das ist so real, wie es nur sein kann. Am realsten ist das Leben, wenn man in diesem Moment da ist und einen Song fühlt und er irgendwie die tiefsten Teile von einem anspricht. Ich glaube, nichts ist echter als das, verstehst du? Letzten Endes will man den Leuten das Gefühl geben, präsent zu sein, denke ich. Denn das ist es, was ich empfinde, wenn ich auf der Bühne stehe. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich die Emotionen ganz direkt fühle, anstatt einen Schleier über die Dinge zu legen. 

COVID hat es für eine ganze Zeit lang unmöglich gemacht, Live-Shows zu spielen. Wie bist du damals mit dieser Situation umgegangen? Und wie glücklich bist du, wieder auf der Bühne zu stehen?

Ich habe da ganz unterschiedliche Gefühle, weil wir so viel getourt hatten, dass es für mich am Anfang, auch wenn es global gesehen eine verwirrende Zeit war, nicht das Schlimmste auf der Welt war. Denn ich brauchte sowieso eine Pause. Ich denke, zu dieser Zeit war es ein Silberstreif am Horizont. Wenn wir bis heute nicht aufgehört hätten zu touren, weiß ich nicht, was das mit meinem Kopf gemacht hätte. Aber dann, als die Zeit verging, wurde es irgendwie ziemlich beängstigend, oder? Niemand, ehrlich gesagt, absolut niemand hatte eine Antwort darauf, wann Live-Musik wiederkommen würde, ob sie wiederkommen würde. Und ich glaube, ich hatte in vielerlei Hinsicht Glück, denn wir kamen im März 2020 von der Tournee nach Hause, als es gerade erst richtig losging. Und dann spielten wir unsere erste Show nach dem Ausbruch der Pandemie, ich glaube, Ende Juli 2021. Ich glaube, ich hatte in dieser Zeit wirklich Glück.  

Lass uns noch einmal ganz, ganz weit zurückgehen. Was war, was ist deine erste musikalische Erinnerung überhaupt? Wie bist du zur Musik gekommen? 

Meine allererste musikalische Erinnerung was das Singen und die Beschäftigung mit Musik angeht, ist, dass meine Schwester Klavier spielte und ich dazu sang, als wir klein waren. Ich erinnere mich, dass ich nicht singen wollte, wenn jemand anderes dabei war, niemand durfte mich dabei ansehen. Und das war alles sehr intensiv, weil ich ein sehr schüchternes Kind war. Aber ich merkte, dass es etwas war, was mir großen Spaß macht. Von da an ging es einfach weiter. Und irgendwann bekam ich eine Gitarre. Ein paar Jahre danach habe ich angefangen, Songs zu schreiben. Und hier bin ich nun.  

Sehr cool. Und mittlerweile hast du schon zwei Studioalben veröffentlicht.  Arbeitest du schon an neuer Musik? Kannst du uns davon erzählen? 

Ja, absolut. Das tue ich. Ich habe irgendwie nie wirklich aufgehört, an Musik zu arbeiten. Ich werde bald neue Musik herausbringen und bin sehr gespannt auf die Reaktionen. So aufgeregt wie jetzt war ich schon lange nicht mehr. 

Wird noch dieses Jahr etwas Neues erscheinen?

Ja, es wird nicht mehr lange dauern.

Das ist aufregend! Alles Gute dafür. Offensichtlich bist du in deiner Karriere viel getourt. Gibt es einen bestimmten Ort, der für dich etwas ganz Besonderes ist und zu dem du gerne zurückkehrst? 

Ich weiß nicht. Es klingt kitschig, aber ich liebe eigentlich jeden Ort aus verschiedenen Gründen. Als ich zum Beispiel durch Amerika getourt bin, hatte ich wirklich das Gefühl, ein riesiges Land zu erforschen, weil ich denke, dass man das letztendlich auch tut, aber man fährt durch so viele Wüsten und Berge und überquert so viele Staatsgrenzen, dass man sich wie ein Entdecker fühlt, was verrückt ist. Und das ist wirklich schön. Aber auch, wenn wir in Europa sind, vor allem in Deutschland, Belgien, Holland, der Tschechischen Republik, an all diesen Orten… Was ich daran liebe, in Europa zu spielen, ist, dass das Publikum dort wirklich höflich ist. Die Leute achten sehr auf die Texte. Und ich habe das Gefühl, dass in diesen Songs, an denen ich so lange schreibe und die ich immer wieder anpasse und an denen ich all diese winzigen Details ändere – Wenn man in Europa spielt, dann zählen diese Dinge noch ein bisschen mehr, weil die Leute wirklich auf jede Sekunde achten. Und so schätze ich verschiedene Teile der Welt aus verschiedenen Gründen. 

Vor ein paar Tagen hast du in deiner Insta-Story einige Berichte von Fans geteilt, die erwähnten, wie lange sie gereist sind, um eine deiner Shows zu besuchen. Oftmals nicht nur Stunden, sondern Tage, was wirklich verrückt ist. Wie fühlt sich das für dich an? Oder ganz allgemein die große Begeisterung deiner Fans für deine  Kunst?  

Ich fühle mich in vielerlei Hinsicht gut dabei. Es ist ein schönes Gefühl und es berührt mich, dass den Leuten meine Musik so viel bedeutet. Und für mich ist es auch irgendwie verrückt. Ich fühle mich in gewissem Maße verantwortlich, denn ich möchte nicht, dass jemand einen Flug nimmt, dann den Bus, dann ein Auto mietet, all diese Dinge, und dann eine Show sieht und enttäuscht ist. Ich möchte, dass die Show ihren Erwartungen entspricht und dass sie sich so fühlen, wie sie es sich erhoffen. Ich tue mein Bestes, um den Leuten dies zu ermöglichen. Und ich versuche, mich immer wieder daran zu erinnern, denn wenn man in die Menge schaut, ist es wichtig für mich, daran zu denken, dass da wahrscheinlich Leute sind, die eine weite Reise gemacht haben, um dich zu sehen. Und deshalb denke ich, dass ich viel Mühe und Leidenschaft in die Shows stecke, denn man weiß ja nie. Ich denke, manchmal könnte jemand sagen: Oh, du spielst in Los Angeles? Das ist eine wichtige Show für deine Karriere. Und wenn du am nächsten Tag zum Beispiel in Sacramento spielst, mag das im Großen und Ganzen wie eine kleinere Show wirken. Aber es könnte dort jemand sein, der ein wirklich hartes Jahr hinter sich hat und diese Musik wirklich dringend hören muss. Das ist für mich viel wichtiger, als über die eigene Karriere nachzudenken. Ich versuche also, jede Show gleich anzugehen.  

Wenn du auf der Bühne stehst, hast du dann Lieder, die du besonders gerne spielst? Oder ist das vielleicht auch abhängig davon, je nachdem, wo du gerade bist? Gibt es vielleicht ein paar Songs, die du besonders gerne spielst, wenn du zu Hause tourst, im Gegensatz zu Deutschland, zum Beispiel?

Ja, absolut. Sagen wir mal, wenn ich in Irland vor 40.000 Leuten spiele, weiß ich, dass ein Song wie „Power Over Me“ sehr gut ankommen wird. Und das gibt mir die Energie, vor so vielen Leuten zu spielen. Ich weiß, wenn ich in einem Amphitheater in Amerika vor ein paar tausend Leuten spiele, ist „An Evening I Will Not Forget“ ein echter Schlüsselmoment in diesem Set. Aber ich versuche auch, mein Bestes zu geben, um mich selbst auf der Bühne glücklich zu machen, denn dann überträgt sich das und die Leute im Publikum werden diese Energie spüren. Ein Song, der mich nie im Stich lässt, ist „After Rain“, weil er mir so viel Energie gibt, egal wo ich bin. Und „Dreamer“ fühlt sich auch immer sehr gut an. Ich habe das Glück, dass es keinen Teil des Sets gibt, den ich fürchte oder auf den ich mich nicht freue.

Noch eine letzte Frage. Wir sind hier alle sehr neugierig, wie deine Zusammenarbeit mit Fred again… zustande kam. 

Ich habe schon ein paar Mal mit Fred zusammengearbeitet, auch im Studio. Wir haben vor ein paar Jahren ein paar Songs geschrieben, und kurz darauf hat er ein Video von mir gesehen, wie ich auf der Straße in Paris gespielt habe. Ich habe da ein Instagram-Live-Ding gefilmt, und er hat gefragt, ob er es in einen Song einbauen kann, und dann wurde es zu einer ziemlich großen Sache, weil seine Karriere jetzt einfach riesig ist. Ich und Fred haben noch ungefähr drei oder vier gemeinsame Songideen, die noch niemand gehört hat, also mal schauen, was damit passiert…

Schön, das klingt großartig. Danke für deine ehrlichen Antworten. Und ich freue mich sehr zu hören, dass bald neue Musik kommen wird. Alles Gute für deine kommenden Projekte!