Am 5. März 2020 hat die Band Inhaler einst vor diesem Abend in Berlin gespielt, noch vor Release ihres Debütalbums „It Won’t Always Be Like This“. Das verrät das Tour-Shirt des Konzertbesuchers vor mir, und dem heutigen Wissenstand nach raubt es einem fast den Atem, was für eine knappe Kiste das damals war. Es wäre eine Anekdote wert gewesen, wie sich das im Nachhinein anfühlt, so kurz vor einem globalen Pandemie-Lockdown noch auf Tour gewesen zu sein, aber große Worte werden an diesem Abend nicht geschwungen. Ach und überhaupt, wer will schon noch über die Pandemie reden. Zumal Inhaler zu den Bands gehören, die offensichtlich unermüdlich touren und seitdem nicht zum ersten Mal wieder in Berlin zu Gast sind.
Eine gute Stunde lang spielt die Band aus Dublin für ihr euphorisches Publikum. Die wenigen Ansprachen, die es gibt, sind zumindest so charmant, dass sie reichen, um eine Beziehung zur Menge herzustellen. Da wird schon mal ein Song jemanden aus den hinteren Reihen gewidmet und ein auf die Bühne geworfener Glitzer-Cowboyhut getragen – kurz zumindest, bevor er mit einer beiläufigen Geste wieder abgeschüttelt wird. Insgesamt können Inhaler sich mühelos auf ihre guten Songs verlassen, was zum Beispiel der perfekt schwungvolle Opener „These Are The Days“ beweist oder das offensichtlich zum Kultsong avancierte „Dublin in Ecstasy“ aus dem aktuellen Album „Cuts & Bruises“, bei dem zu einem der wenigen Soli extrem lässig die Gitarren geschwungen werden. Oder „Totally“ aus dem 2021er Debüt, da stimmt einfach das Songwriting genauso wie die Darbietung.
Das Rad erfinden Inhaler weder mit ihrer Musik noch mit ihrer Performance neu, es sind die klassischen Akkorde und die dazu passenden Indie-Rock-Gesten, ein Hüftschwung da, ein Augenzwinkern hier, eine wie zufällig perfekt dahin geworfene Locke auf der Stirn von Frontmann Elijah Hewson. Der kann seinen prominenten Vater (U2-Frontmann Bono) nicht verleugnen, wenn man die Augen leicht zukneift, meint man fast einen jungen Bono zu sehen, wenn man sie ganz schließt, hört man ihn auch in Stimmlage und Phrasierung. Aber das ist total okay. Vor allem da U2 jüngst und doch etwas überraschend zum Las Vegas Showact avanciert sind, dagegen wirkt das Ganze hier erfrischend jung und dynamisch.
Das weiß übrigens nicht nur das junge, weibliche Publikum zu schätzen, das sich überwiegend in den vorderen Reihen wiederfindet. Der Herr mit dem Tour-Shirt eine Reihe vor mir war eindeutig ein wenig älter. Spaß hatten alle miteinander. Und die Location dürfte beim nächsten Mal wohl größer ausfallen – Inhaler sind auf dem besten Wege, sich auch hierzulande vom Geheimtipp-Status freizuschwimmen und weiter oben im Indie-Olymp mitzuschwimmen.
Großartigen Support gab es an diesem Abend übrigens von Nieve Ella und Heidi Curtis.
Foto © Lewis Ewan