Deap Vally im Interview

Eine Sache schon einmal vorweg: Lindsey Troy und Julie Edwards haben sich tatsächlich bei einem Häkel-Kurs kennengelernt. Und überhaupt, Deap Vally haben kein Interesse an dem Mythologisieren ihrer selbst. Ihr purer, dröhnender Rock kann als Herausstellungsmerkmal für sich allein stehen. Nachdem im Sommer das Debütalbum des Duos aus Los Angeles erschien, wollen sie nun auch deutsche Bühnen mit der Musik von „Sistrionix“ zum Beben bringen. Doch bevor es gilt den prall gefüllten Magnet zu erobern, wollen die beiden noch im Gespräch die Möglichkeit nutzen, um ein paar Einsichten in das komplexe Deap Vally-Universum zu geben.

Ist das Leben auf Tour Gewöhnungssache oder doch immer wieder das Entdecken von Neuem?

Julie Edwards: Nichts ist selbstverständlich, wenn man ständig in einer neuen Umgebung ist. Das kann ziemlich anstrengend und frustrierend sein. Manchmal will ich morgens nur einen guten Kaffee und habe keine Ahnung, wo ich diesen in einer fremden Stadt kriegen soll. Es gibt Tage, in denen bin ich einfach nicht in der Stimmung eine Entdeckerin zu sein.

Wie wichtig sind euch Rituale auf Tour?

Lindsey Troy: Rituale sind wichtig, um sich geistig gesund zu fühlen. Ich mag es beispielsweise im Venue duschen zu gehen. Das sind die einzigen 20 Minuten, die ich vor einem Auftritt nur für mich habe. Ein schönes Gefühl.

Julie: Aber es gibt so viele Variablen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Deshalb ist mein Mantra: alles zu seiner Zeit und den Moment genießen. Würde ich versuchen bestimmten Ritualen nachzugehen, wäre mir das auf Dauer zu stressig. Selbst das Wechseln von Kleidung wird unwichtig auf Tour. Diese Hose hier zum Beispiel habe ich in letzter Zeit fast täglich an.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr bestimmten Erwartungshaltungen gerecht werden müsst?

Julie: Ich denke, dass wir die Erwartungen der Leute übersteigen, wenn wir live spielen. Das mag zum Teil daran liegen, dass wir so gut wie nie Alkohol vor den Shows trinken. Lindsey muss schließlich ihre Stimme schonen. Und außerdem ist das Touren so hart, dass ich mir nicht vorstellen kann mich obendrauf noch freiwillig abzuschießen.

Lindsey: Das Touren fordert körperlich so viel. Ich weiß wirklich nicht wie es andere Musiker schaffen nebenbei noch Party zu machen. Wir können das jedenfalls nicht, weil wir uns um unsere Körper kümmern müssen. Ich habe das Trinken, Rauchen und Party machen schon durch und dadurch nur ständig keine Stimme mehr gehabt. Das ist dann weniger toll gewesen.

Ist 2013 ein gutes Jahr für Rockmusik?

Julie: Rock hat ein Comeback. Die Musik ist jetzt kreativer, herausfordernder und konfrontierender denn je. Das kann man an Bands wie Tame Impala, Ty Segall, Wavves und Savages sehen.

Lindsey: Queens of the Stone Age haben auch ein neues Album veröffentlicht! Das ist immer ein Highlight. Aber auch für uns ist 2013 ein großartiges Jahr. Wir haben unser erstes richtiges Album herausgebracht und extrem viel Zeit auf Tour verbracht.

Julie: Freizeit hatten wir das letzte Mal im Juli des vorangegangen Jahres. Ich hoffe sehr, dass wir an Weihnachten ein bisschen mehr Zeit für uns haben werden. Um so den Kopf wieder freizukriegen und auch mal für eine Weile an einem Ort bleiben zu können.

Lindsey: Ich freue mich sehr darauf!

Julie: Aber wir haben auch sehr viel in diesem Jahr gelernt. Denn wenn man erst einmal einen Plattenvertrag und ein Management hat, wird man über Nacht vom Künstler zum Präsidenten seiner eigenen Firma. Eine ganz schön komische Position, in der man sich plötzlich befindet. Es hat eine Weile gebraucht bis wir das alles auf die Reihe bekommen haben. Aber wenn man keine Ahnung von dem Business hat, machen die Leute mit einem, was sie wollen.

Inwiefern hat der Businesspart des Jobs euer Denken verändert?

Julie: Wir haben die Kontrolle über unser Budget und unsere Finanzen übernommen. So wissen wir bei dieser Tour genau, wie viel Geld wir ausgeben und wie viel wir einnehmen. In den ersten sechs Monaten tappten wir in dieser Hinsicht noch komplett im Dunkeln. Meine Schwägerin, die bei den Raveonettes ist, hat gleich zu Beginn zu mir gesagt, dass ich mich unbedingt selbst um die Finanzen kümmern sollte. Aber gerade am Anfang ist das schier unmöglich, weil so viele neue Eindrücke auf einen einprasseln, dass man auf solche Dinge nicht immer ein Auge haben kann.

Lindsey: Mit dem Erlernen des Business’ ist es wie mit dem Alkohol. Wir wurden so hineingeworfen in diesen neuen Lebensstil, dass wir erst einmal lernen müssen damit umzugehen. Wir haben jetzt unseren Selbsterhaltungsmodus eingeschalten. Alles, was wir tun, ist in Vorbereitung auf die Show. Ich versuche den ganzen Tag meine Energie zu konservieren, mich mental und stimmlich auf diese vorzubereiten. Beim Konzert gebe ich dann alles von mir. Danach bin ich meist viel entspannter und unterhaltsamer. Davor verhalte ich mich eher antisozial.

Es ist doch eine Verschwendung von Lebenszeit, wenn man sich nur für rund eine Stunde all die Energie aufhebt.

Lindsey: Ja, es kann schon deprimierend sein. Bands, die mehr Geld haben, engagieren deshalb oft jemanden, der die Backstage-Räume mit Kerzen und Ähnlichem ausstattet, um es so gemütlicher und heimischer zu machen. Das hätte ich auch gern.

Was fehlt diesem Raum eurer Meinung nach?

Julie: Ein Teppich fehlt.

Lindsey: Und Kerzen!

Julie: Geruchmäßig müsste hier auch unbedingt etwas gemacht werden. Auf Tour hat man es ständig mit schlechten Gerüchen zu tun. Das fängt schon mit altem, verschütteten Bier an… Wir sind da sehr sensibel.

Lindsey: Ein Catering-Service für uns wäre toll. So könnten wir sicher gehen, dass wir täglich warme Mahlzeiten bekommen und man müsste nicht überlegen, wo man auf die Schnelle noch etwas Gesundes herkriegt.

Ist es schwer auf Tour gesund zu essen?

Julie: Alles auf Tour hat sich darauf verschworen einen krank zu machen. Im Tour-Bus sind überall Keime. Wenn einer erkältet ist, dann sind es bald alle. Tja und da man immer pleite ist und eh keine Ahnung hat, wo man gesundes Essen herbekommt, isst man halt Junkfood. Davon stirbt irgendwann das Immunsystem und man ist dauerhaft krank. Eine üble Situation.

Lindsey: Aber wenn man hungrig und pleite ist, kann das ein sehr guter Motivator sein. Mehr als Ruhm und Reichtum, die der Kunst von vielen Bands nur schaden. Ich bin im Moment richtig gut. Denn ich weiß, dass ich eine gute Show abliefern muss, um überleben zu können.

Welcher Band hat denn zum Beispiel der Ruhm nicht gut getan?

Julie: Hole. Die ersten beiden Alben waren so außergewöhnlich, hart, klug, lustig und Angst einflößend. Ihr drittes Album war dann nur noch kitschig und überproduziert. Das war kein Rock mehr.

Wovon wollt ihr in Zukunft mehr und wovon weniger? 

Lindsey: Mein Traum ist es mir ein Haus leisten zu können. Im Moment habe ich aber noch nicht mal eine Wohnung, obwohl ich gerade jetzt so gern einen Ort nur für mich allein hätte, um wieder kreativ zu werden.

Julie: Mehr Geld und weniger Meinungen.

Lindsey: Und mehr Romantik! Es ist wirklich schwer Romantik auf Tour zu haben. In diesem Jahr habe ich nur eine Person gedatet. Und das auch nur sehr kurz. Er ist ebenfalls in einer Band und wir lernten uns auf einem Festival kennen. Danach wurde es ziemlich kompliziert…

Julie: Ja, damit sie sich besser kennenlernen konnten, musste er für eine Weile mit uns auf Tour kommen. Sonst hätten sie sich vielleicht nie wieder gesehen.

Lindsey: Und auf Tour haben wir dann gemerkt, dass wir doch nicht so gut mit einander klar kommen.

Julie: Das Touren hat die Entscheidung beschleunigt. Was man sonst in sechs Monaten herausfindet, konnte man so schon in zehn Tagen feststellen. Zwar ist das ziemlich extrem…

Lindsey: …aber irgendwie auch lustig!

Interview und Fotos: Hella Wittenberg