Lässig wippend kommt Damon Albarn unter großem Jubel auf die kleine Bühne des Astras. Auf einem Tamburin mit den betenden Händen à la Dürer schlägt er den Takt zu den sentimentalen Zeilen seines ersten Songs: „Cause you’re not resolved, In your heart, you’re waiting for me. To improve right here, When I’m lonely, I PRESS PLAY!”
Lonely wird er an diesem Abend nicht bleiben, denn das Publikum des ausverkauften Astras ist vom ersten Takt an bei ihm. Auch der zweite Song „Everday Robots“, der Titel seines ersten Solo Albums, ist eher melancholisch. Damon Albarn beklagt am Elektro-Piano sitzend, wie wir zu Sklaven der neuen Technik werden und unsere Blicke gar nicht mehr von unseren Smart Phones abwenden. Wie zur Bestätigung schauen einige Männer immer wieder verstohlen auf ihre Handydisplays. Es läuft das Achtelfinalspiel der Deutschen gegen Algerien.
Damon Albarn ist ein „Crowd-Pleaser“. Er weiß, wie er die Menge auf seine Seite zieht. Zwischen die leisen Töne schleichen sich immer wieder große Rockstar-Gesten: am Bühnenrand stehend fordert er die Fans energisch zum Mitmachen auf. Er wird erhört. Zwischen den Songs schüttet er immer wieder Wasser über die ersten Reihen – als stünde er auf einer großen Festivalbühne und nicht im kleinen, kuscheligen Astra. Zwischen den Songs versucht sich Damon immer wieder in sehr charmantem Deutsch, das er sich in drei Jahren Schüleraustausch in Gießen, Wetzlar und Frankfurt angeeignet hat. Natürlich bringen ihm auch seine kleinen Anekdoten viel Zuspruch bei den Fans, besonders als er die Engländer als Underdog im Fußball bezeichnet.
Er nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch die verschiedenen Etappen seiner Karriere. Neben den Songs aus seinem neuen Album ist alles dabei: Von The Good, The Bad & The Queen über selten live gespielte Blur-Songs bis hin zum Gassenhauer „Out Of Time“, der von den Fans überraschend textsicher begleitet wird. Ganze fünf Songs der Gorillaz werden zum Besten gegeben. Highlight ist hier natürlich der gute, alte „Clint Eastwood“. Bei diesem Song sagt Damon Albarn den ghanaischen Rapper M.anifest mit falschem Namen an, was ihm nach dem Song extrem peinlich ist und von Band und Publikum viele Lacher einbringt.
Die Fans scheinen dem Engländer hörig zu sein und bejubeln jeden Song. Nur mich reißt es an diesem Abend nicht so mit. Ich frage mich warum – denn eigentlich macht Damon Albarn alles richtig. Er lässt sich von einer virtuosen Band, den Heavy Seas, begleiten. Sie erinnern ein bisschen an die Specials. Sie beherrschen von Dub Reggae, über rockiges Geschrammel bis zu spirituellem Gospel die ganze musikalische Bandbreite. Damon Albarns Stimme schnarrt in wunderbar knarzigem Englisch wie eh und je. Sehnsuchtsvoll, wehmütig von Herzschmerz und Einsamkeit getrieben – dann wieder laut, sozialkritisch, anklagend. Aber irgendwie kommt bei mir nicht das Gefühl nicht auf, was ich bei zahlreichen Blur Konzerten oder auch bei den Gorillaz verspürt habe.
Irgendwann merke ich was mir fehlt. Eine Idee. Ein Konzept. Die Seele. Die kleine Club Show des musikalischen Sound-Genies verwässert seine bisherigen Bands: Blur, die wichtigsten Vertreter des Brit Pop im ewig lamentierenden Kampf gegen Oasis. Gorillaz, die virtuelle Band aus Comic Figuren, die einst als Gegenentwurf zur substanzlosen MTV Gesellschaft entworfen wurde, mit einer einzigartigen Mischung aus Hip-Hop, Crossover und Indie Rock. The Good, The Bad & The Queen die Supergroup, die aus afrikanischer und europäischer Musik-Kultur ein einzigartiges Electro-Dub-Ska-Gemisch erschuf.
So hatte jedes Projekt etwas sehr eigenständiges und konzeptionelles. Die musikalische Zeitreise lässt genau diese Eigenständigkeit verloren gehen und macht auch die alten Songs zu reinen Damon Albarn Nummern. Aber wahrscheinlich ist das auch völlig ok so. Schließlich ist er der Mastermind, das große, musikalische Genie und der Kopf all dieser Bands. Und das Publikum liebt ihn. So, oder so.