Courtney Barnett im Interview

„Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“, das Debütalbum von Indie-Queen Courtney Barnett, ist ein komplettes Paket voll von den wunderbaren Alltagskatastrophen und Slacker-Attitüden, wegen denen wir uns schon bei ihrer EP A Sea Of Split Peas in die australische Sängerin verliebt haben. Das heiß ersehnte Album wurde innerhalb von zehn intensiven Tagen in den Head Gap Studios in Courtney’s Heimatstadt Melbourne aufgenommen und rückt ihre einzigartige, prägnante Sicht der Dinge in den Fokus. In ihre Songs mischt sie witzige, oft urkomische Beobachtungen, die sie durch ihre – oft verheehrende – Selbsteinschätzung filtert; immer mit einem Ohr für feine Wendungen und einem Auge für Song-Details. Stets clever, nie prätentiös. Deprimierende Anmietungen, tote Füchse, Beziehungen, die ins Nichts führen, ausweglose Vororte sowie ihre eigenen Ängste, Zweifel und Unsicherheiten – nichts entgeht Barnetts bissigem Humor. Genauso gelassen stellt sie sich erneut unseren Interviewfragen und erzählt ein bisschen mehr von ihrem neuesten Kunstwerk.

„Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ ist endlich da. Nach deinen erfolgreichen EP’s haben alle auf ein Album gewartet. Du hattest die Aufnahmen sogar schon vor einem Jahr beendet, oder?

Ja, die Aufnahmen waren schon im April fertig, aber danach gab es noch einige Entscheidungsschwierigkeiten was das Artwork und die Songtitel anging. Dann war ich ständig auf Tour. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für die Veröffentlichung.

Du durftest letztes Jahr bei dem 40. Geburtstag von Triple J zusammen mit „You Am I“ auftreten. Gerade dieser Event zeigt wie wichtig du für die australische Musikszene geworden bist.

Das war so cool und hat so viel Spaß gemacht. Der Ort war die Location, wo ich mein allererstes Konzert gesehen habe: The Domain, in Sydney. 25 000 Leute waren da. Es fühlte sich verrückt an selber dort zu spielen.
Triple J ist so wichtig für die Musikszene in Australien. Durch sie habe ich so viel Musik entdeckt, all die Indie-Musik, die man sonst nirgends hört. Ich wüsste nicht wo ich ohne Triple J wäre.

Dein Song „Pickles From The Jar“ wurde für Triple J Hottest 100 ausgewählt. Du hast auf jeden Fall einen Platz in der Szene. Und nicht mehr nur in Australien. 

Dabei ist es ein ziemlich albernes Lied! „Avant Gardener“ hat es das Jahr davor nicht einmal in die Liste geschafft. Ich dachte nicht, dass „Pickles From The Jar“ es hinkriegen würde, weil das Lied einfach nicht so ernst ist. Aber hey, es ist ein cooler Song und ziemlich unbeschwert.

Deine Songs sind sehr ortsbezogen. Ich weiß nicht, ob es nur mir so vorkommt, weil ich in Melbourne gelebt habe und alle Dinge vor Augen habe, wie die Tramlinie 96, Vegemitebrotkrümel, der Ortsteil Preston und wieso die Häusersuche gerade dort so deprimierend ist… Der Kern des Songs kommt natürlich trotzdem rüber, aber glaubst du, dass etwas verloren geht, wenn jemand die Orte nicht kennt?

Ich denke nicht wirklich darüber nach, während ich Songs schreibe. Die Leute können sich mit verschiedenen Dingen in den Liedern identifizieren, selbst wenn Kleinigkeiten keinen Sinn machen. Man adaptiert diese Dinge und ersetzt sie durch eigene Orte und Erfahrungen, die die gleichen Gefühle hervorrufen.

Bist du letztendlich nach Preston gezogen?

Nein, tatsächlich nicht. Aber nach Thornbury. Das ist direkt nebenan.

In einem deiner Texte heißt es „Don’t ask me what I mean“. Ich finde das passt sehr gut zu deinen Songs. Die aufgezeichneten Gedankenströme stehen für sich selber und müssen nicht erklärt werden.

Musik sollte immer offen für Interpretationen sein. Meine Lieder sind aber doch eher selbsterklärend und straight-forward.

„Elevator Operator“ ist der einzige Song, der in der dritten Person geschrieben ist. Schreibst du sonst nur autobiografisch?

In dem Song geht es um einen Freund und die Geschichte ist zwar wahr, aber ich konnte meine Fantasie mehr benutzen. Eigene Erfahrungen wurden mit hineingedichtet und alles ein bisschen zusammengebastelt.
Alle anderen Songs sind aus meiner Perspektive geschrieben und erzählen Geschichten aus meinem Leben. Ich finde es wichtig, dass ein Teil von mir immer drinsteckt, damit die Songs bedeutsam sind und gleichzeitig glaubwürdig.

„Pedestrian At Best“ ist die erste Singleauskopplung. In dem Video bist du als sehr trauriger Clown zu sehen.

Die Idee dazu ist mir gekommen, als ich in Seattle war und einem Straßenkünstler zugeschaut habe. Es war echt miserabel und keiner hat ihm zugeschaut und es war so furchtbar traurig.

„Hey Debbie Downer, turn your frown upside down and just be happy…“ Ich liebe diese Zeile.

Der Song deckt so viele Ebenen ab. Zum Teil habe ich für und über Freunde geschrieben, zum Teil für und über mich selbst. Wie schlimm ist es, wenn es einem schlecht geht und irgendjemand daher kommt und dir genau so etwas sagt. Das hilft einfach nicht und macht alles noch schlimmer. Hör auf traurig zu sein. Wie soll das so einfach funktionieren?!

Das ganze Album scheint dunklere Themen zu haben. Zum Beispiel auch der Song „Small Poppies“.

Ich glaube das ist mein Lieblingslied auf dem Album. Am meisten liebe ich daran, dass die Lyrics so wütend sind. Dan, der Gitarrist, hatte an dem Tag der Aufnahmen eine furchtbar depressive Stimmung, so dass sein Gitarrenspiel an dem Tag genau die lyrische Energie gefiltert hat. Es war perfekt. Das habe ich erst viel später gemerkt, als ich den Song fertig gehört habe. Er war so wütend und hat all seine Emotionen in die Musik reingebracht. Es hat mich beeindruckt wie es dann alles später so gut zusammengepasst hat.

Aus dem Song stammt die Zeile: „I don’t know quite who I am but I am trying, I make mistakes until I get it right.“ Wie wunderbar wahr.

Ich denke, das ist etwas was jeder im Leben durchmacht. Trying to figure out life. A never ending story…

Courtney Barnett Live: 

12.04.2015 – Berlin, Heimathafen

www.courtneybarnett.com.au
www.facebook.com/courtneybarnettmusic

Interview: Christina Heckmann