Country und Soul, Bienen und Blumen – Interview mit Frazey Ford

Frazey Ford 1_photo by Candace MeyerFrazey Ford, ehemals Teil der kanadischen Band The Be Good Tanyas, hat mit „Obadiah“ ihr erstes Soloalbum herausgebracht. Zur Zeit unseres Gespräches ist sie in London auf Promotion Tour. Ihre Stimme am Telefon klingt bezaubernd, und sie hat viel zu erzählen. Aufgewachsen ist sie als Hippie-Kind kanadischer Eltern, die auf der Flucht vor dem Vietnamkrieg nach Amerika ausgewandert sind. Heute züchtet sie Bienen, fährt einen alten Schulbus und hat, ganz nebenbei, ein großartiges Album aufgenommen. Aber lest selbst.

Vier Jahre sind vergangen seit dem letzten Album, das Du gemeinsam mit The Be Good Tanyas herausgebracht hast. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Ich habe mir viel Zeit für mich genommen. Ich habe einen Sohn bekommen, der inzwischen sieben Jahre alt ist. Es war sehr gut für mich, eine zeitlang nicht aufzutreten, ein normales Leben zu führen, in einer Gemeinschaft mit Freunden zu leben. Ständig zu reisen und aufzutreten kann Dich ganz schön entwurzeln. Ich habe viele verschiedene Interessen und Lieben, weshalb es sich für mich auf Dauer ein wenig einseitig anfühlt, nur eine Sache zu tun.

Was hat sich in Deinem Leben verändert, seitdem Du Mutter bist?

Vieles. Muttersein verändert dich als Mensch tiefgreifend und dauerhaft. Dein ganzer Blick auf die Welt verändert sich. Du wirst viel mehr Mitglied einer Gemeinschaft, und alles dreht sich weniger um dich selbst. Womit ich sehr zu kämpfen hatte als ich Mutter wurde war, dass ich um mich herum wenige gute Beispiele von Frauen hatte, die Mutter wurden und dennoch ein starke Bindung zu ihrer Kreativität behalten haben. Das hat mich sehr erschreckt. Du wirst also Mutter und das bist du dann. Es ist fast so als wärst Du kein Mensch mehr, nur noch ein ernährendes Kontinuum. Ich finde das ist unrealistisch. Ich hatte das Bedürfnis, meine Kreativität zu behalten und Mutter zu sein. Das ist natürlich schwierig, denn du bist als Mutter nunmal dafür verantwortlich, in erster Linie eine sichere Umgebung für dein Kind zu schaffen. Kinder sind unglaublich kreativ. Sie sind frei, und in deinem eigenen Schaffen musst du die Möglichkeit haben, genauso frei zu sein. Das ist eine große Herausforderung. Aber ich bin dankbar, und ich denke, dass ich beide Seiten brauche, um geerdet zu sein.

Jetzt ist Dein erstes Soloalbum fertig, „Obadiah“. Wie bist Du auf den Titel gekommen und was bedeutet er für Dich?FrazeyCover

So genau weiß ich gar nicht, wie ich darauf gekommen bin. Obadiah ist mein zweiter Vorname, den ich manchmal benutze. Als Kind wurde ich oft Obadiah genannt. Vieles auf dem Album bezieht sich auf meine Kindheit als Hippie-Kind. Der biblische Klang des Namens zusammen mit dem Gesichtsausdruck des Kindes auf dem Cover fängt etwas davon für mich ein.

War es ein großer Unterschied für Dich, als Solokünstlerin zu arbeiten, nicht mehr als Teil einer Band?

Es hat mir erst ein wenig Angst gemacht. Bei jedem anderen Projekt, das ich vorher gemacht habe, war ich Teil der starken Vision von anderen. Ich habe nie meine eigenen Ideen genommen und sie verwirklicht. Das war sehr befreiend, etwas zu tun, das ich immer wollte aber wovor ich immer auch Angst hatte. Ich habe sehr viel Neues dabei gelernt, die finanzielle Seite, die Organisation, die Kreativität anderer zu leiten. Ich wollte auch möglichst viel Einfluss von anderen in der Musik haben. Wenn du andere führen möchtest, musst du ihnen zuhören und ihre Ansichten miteinbeziehen. Also habe ich mit sehr talentierten Musikern zusammengearbeitet, die ich sehr respektiere, meinem Produzenten zum Beispiel und meiner alten Band-Kollegin Trish. Diese Leute zu führen und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, ihre Visionen mit ein zu bringen hat mich am Ende sehr entspannt.

Fällt es Dir leichter, Lieder zu schreiben wenn Du traurig oder wenn Du glücklich bist?

Es ist seltsam, ich hätte nie gedacht, dass ich jemals fröhliche Lieder schreiben würde. Jetzt sind auf diesem Album einige fröhliche Lieder, das ist sehr seltsam für mich (lacht). Ich schreibe, um meine Welt zu verstehen. Dadurch schreibe ich oft aus Traurigkeit und Trauer heraus, wenn mich etwas trifft, ist das für mich ein Weg, da durch zu kommen. Während ich das Album geschrieben habe, gab es in meiner Familie eine große Tragödie. Ich habe um Menschen und um mein eigenes Leben getrauert. Aber in Trauer liegt auch Freude. Den Tod anderer zu erleben lässt dich dein eigenes Leben schätzen. Die Aufnahmen an dem Album waren aber eine sehr entspannte und glückliche Zeit. Ich würde sagen, zu der Zeit ist die Fröhlichkeit in manchem Liedern entstanden.

Was hat Dich während der Entstehung von „Obadiah“ beeinflusst? Sowohl musikalisch als auch inhaltlich?

Was ich auf diesem Album unbedingt einbringen wollte waren alte Al Green Platten, dazu hatte ich bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt. Ich liebe alte Soul-Produktion, Geiger, Bläser. Das wollte ich zusammenbringen mit dem Folk/Country Sound, den ich ebenfalls liebe. Diese Kombination habe ich noch nicht oft gehört, und das beides zusammen zu bringen war sehr spannend. Mit meinem Co-Producer und Schlagzeuger John Raham habe ich zusammen sehr viele alte Soul Platten angehört. Ansonsten inspirieren mich sehr viele Dinge. Yoga zum Beispiel, ich finde Bilder und Melodien dadurch, dass ich etwas mit meinem Körper tue. Dann natürlich Liebeskummer, Schmerz, der nicht weg geht. Manchmal muss ich auch drei oder Frazey Ford 2_photo by Candace Meyervier Lieder schreiben, bevor ich auf den Punkt komme von dem, was ich eigentlich sagen will. Und manchmal passiert es, dass ich mich einfach hinsetze und plötzlich ist etwas da. „Gospel Song“ ist ein Lied, das sich quasi von selbst geschrieben hat. Es ist völlig mysteriös, wo das hergekommen ist (lacht). Aber das passiert mir nicht oft, das war etwas ganz Besonderes.

In „Lay Down With You“, einem meiner Lieblingssongs auf dem Album fragst Du: „What is happiness?“ Kannst Du diese Frage für Dich beantworten?

Das ist einer der ältesten Songs auf dem Album. Jetzt weiß ich es. Ich liebe mein Kind. Und ich liebe meine Bienen! Ich halte Bienen, sie geben mir Honig. Ich liebe Gartenarbeit. Ich habe einen alten Schulbus, und ich liebe es, mit ihm herum zu fahren. Tanzen. Es geschafft zu haben, durch etwas schwieriges hindurch gekommen zu sein. Ich hatte eine schwierige Kindheit. Heute bin ich ein viel glücklicherer Mensch, als ich es vor sieben Jahren war. Vielleicht sogar vor vier. Ich liebe die Menschen in meinem Leben. Das ist Glück. Das zu schätzen was du hast und zu wissen was du liebst. Blumen! Ich liebe Blumen. Wirklich! (langes, herzliches Gelächter…)

Interview: Gabi Rudolph

Fotos (c) Candace Meyer

www.myspace.com/frazeyford