An kaum einem Konzert scheinen sich in letzter Zeit die Geister derart geschieden zu haben wie an dem letzten Berlin Besuch von Arcade Fire. Gerade mal ein Jahr ist vergangen, seitdem die Band zuletzt in der Wuhlheide zum Gathering aufrief. In der Zwischenzeit ist das neue Album „Everything Now“ erschienen, und auch hierzu sind die Reaktionen nach wie vor gemischt. Es scheint ein wenig so, als habe die Welt (oder sagen wir mal so, vor allem die Musik-Feuilliton Welt) genug davon, Arcade Fire als die Lieblinge der Stunde zu feiern, die schlichtweg nichts falsch machen können. Mit Vorliebe vor allem jene Medien, die noch vor ein paar Jahren viel Energie hinein gesteckt haben, die Band als genau diese zu feiern.
Wenn man sich die Reaktionen auf den Abend in der Zitadelle ansieht, könne man fast den Eindruck bekommen, Arcade Fire hatten bei vielen von vorne herein kaum eine Chance, etwas richtig zu machen. Hätten sie vorrangig Songs aus ihrem aktuellen Album „Everything Now“ gespielt, hätte man ihnen vorgehalten, sich auf ihr angeblich schwächstes Material zu beschränken. Tatsächlich hat die Band genau das Gegenteil getan. Bereits zum Beginn der Show erklärt Win Butler, dass man für Berlin eine besondere Setlist zusammen gestellt habe, zum Teil bestehend aus Songs, die man schon lange nicht mehr oder auch insgesamt sehr selten von Arcade Fire live gehört hat. Das war dann einigen Leuten vielleicht zu viel des Guten, dass es plötzlich zum Beispiel Songs wie „Cars and Telephones“ zu hören gab, ein unveröffentlichtes Demo aus den Anfangstagen der Band. Oder die wirklich sehr selten gehörte Kombi aus beiden Teilen „Half Light“ vom „The Suburbs“ Album. Trotzdem wurde die Setlist moniert, unter anderem weil es keine Songs aus der „Neon Bible“ zu hören gab. Als Band mit einem derart umfangreichen Back-Katalog, der nahezu ausschließlich aus wahren Songperlen bestehen, ist es wahrscheinlich leider unmöglich, jeden glücklich zu machen. Und muss man ja auch nicht.
Es war vielleicht nicht die energetischste Arcade Fire Show, die wir in den letzten Jahren gesehen haben. Das mag vielleicht daran liegen, dass die Band nun seit fast anderthalb Jahren mit kurzen Unterbrechungen auf Tournee ist. Oder dass wir sie zuletzt drei Abende hintereinander in der ausverkauften Londoner Wembley Arena gesehen haben, wo sie zum Teil „on fire“ war wie man es aus ihren frühen Tagen kennt. Die Zitadelle mag auch nicht der beste Konzertort in Berlin sein, Ton und Sicht auf die Bühne hat man anderswo besser. Aber es war ein Konzert, das man als ein Geschenk an die Stadt Berlin verstehen kann, wo Arcade Fire oft zu Besuch sind, Freunde haben und immer wieder gerne spielen. Der Versuch, einen Abend abseits der Norm zu kreieren, mit einer auf den Kopf gestellten Setlist, die direkt mit der sonst gerne als Zugabe präsentierten Hymne „Wake Up“ an den Start ging. Dabei wirkte die Band ab und zu ein bisschen verschusselt, was man ihr aber auch nicht ankreiden kann, wo man ihr sonst doch so gerne nachsagt, sie wäre frei von jedem Fehl und habe dadurch ihren früheren Charme verloren.
Der Himmel honorierte es auf jeden Fall und schickte gleich zu Anfang einen Regenbogen. Arcade Fire werden sich nach dem Ende ihrer Tour Ende September wohl erst einmal eine Auszeit nehmen, um sich neu zu sortieren und uns, zu gegebener Zeit, wieder neu zu überraschen. Bis dahin haben sie uns, zumindest in unseren Augen, mit diesem letzten Deutschland Konzert ein schönes Abschiedsgeschenk hinterlassen.