Angus and Julia Stone, 30.10.2017, Columbiahalle Berlin

Eins ist auf den ersten Blick klar: Angus and Julia Stone müssen den weiten Weg aus Australien nicht scheuen, sie haben nach wie vor kein Problem, in Europa ihr Publikum zu versammeln. Die ausverkaufte Columbiahalle platzt aus allen Nähten. Aber wird es ihnen auch diesmal gelingen, diese ganz besondere Atmosphäre zu kreieren, an die man sich von Shows wie damals in der Passionskirche oder im schwitzigen Heimathafen Neukölln erinnert? Es braucht dazu eigentlich nicht viel mehr als ihre romantischen, folkig angehauchten Popsongs, dazu die warme, rote Lichtwelt und eine ungewöhnlich hohe Pärchendichte im Publikum. So ein Konzert von Angus and Julia Stone ist schon eine sehr kuschelige Angelegenheit.
Umso erstaunlicher, dass es an diesem Abend ungewöhnlich lange dauert, bis der Funke überspringt. Sehr routiniert wirkt die Performance der beiden Geschwister, ja man möchte es kaum aussprechen, es fehlt dieses Fünkchen Seele, das sonst so charakteristisch für die beiden ist. Vielleicht liegt es an den Songs aus dem neuen Album „Snow“? Vielleicht sind sie noch nicht so recht mit ihnen zusammen gewachsen. Es plätschert ein wenig. Auch im Publikum fehlt ein wenig das kollektive glückselige Leuchten – von den Damen in den ersten Reihen mal abgesehen, die die Show von Anfang an mit ihren hartnäckigen „Angus!“-Rufen bereichern.
Dass sich das alles noch einmal um mindestens 180 Grad dreht, ist vor allem Julia Stone zu verdanken. In der Mitte des Abends verkündet sie in entzückend gebrochenem Deutsch, jetzt einen Song von Udo Lindenberg singen zu wollen. Sie habe sich spontan in ihn verliebt, ohne zu wissen, worum es darin überhaupt geht. Als sie den Text dann übersetzt habe, habe sie ihn nur noch mehr gemocht. Und tatsächlich, sie singt das Stück begeisternd textsicher, voller Inbrunst und Liebe. Später erzählt sie Geschichten, von einem Exfreund, dem sie ein Liebeslied geschrieben habe, der ihr als Reaktion ein selbst komponiertes Lied zurück schickte, das mehr in die Richtung Death Metal ging. Man fragt sich, was für ein Idiot man sein muss, wenn man sich nicht von Liebesliedern dieser Frau erweichen lässt.
Am Ende stellt sie die Mitglieder der Band mit wohl gewählten, liebevollen Worten vor, nicht zuletzt ihren Bruder, den sie mit Liebesbekundungen förmlich überschüttet. Ein wenig schade, dass an diesem Abend niemand ähnliche Worte für sie übrig hat. Angus Stone ist kein Freund großer Worte, die Kommunikation mit dem Publikum überlässt er in der Regel seiner Schwester. Trotzdem wäre es noch so viel schöner gewesen, wenn er die Komplimente etwas weniger schweigsam entgegen genommen hätte.
Überhaupt blieb an diesem Abend ein wenig das Gefühl zurück, dass eine schöne, talentierte Frau es beim Publikum etwas schwerer hat als ein schöner, talentierter Mann. Julia Stone greift zwischendurch zur Trompete, die sie einhändig spielt, während sie die Gitarre in der anderen Hand hält, und erntet dafür artigen Applaus. Angus Stone muss nur einmal kurz in die Mundharmonika pusten und der Jubel bricht los. Julia selbst würde das wahrscheinlich gar nicht so verbissen sehen. Sie ist eine Frau mit einem großen, offenen Herzen, die einfach gerne gibt. An diesem Abend war sie auf jeden Fall die Königin der Herzen. Und als die beiden am Ende ihren Song „Snow“ spielen, während der Schnee auf sie nieder rieselt, ist es dann auch da, dieses lang ersehnte warme Gefühl, das man sich von diesem Abend erhofft hat.

Fotos: Lynn Lauterbach
War dabei: Gabi Rudolph

Unser Interview mit Julia Stone könnt ihr hier lesen.

www.angusandjuliastone.com