Offiziell zählt “Eileen” zum Genre Suspense Films und Psychothriller, aber ich finde, wir bräuchten einen weiteren Namen, einen Namen für die Kategorie Film, in dem der unscheinbare, regelkonforme weibliche Hauptcharakter auf eine weltoffene, mondäne, emanzipierte Frau trifft, die das ordentliche Kartenhaus zum Einsturz bringt und das Leben unserer Hauptfigur komplett umkrempelt. Für mich gehört “Eileen” zu diesem Subgenre, gemeinsam mit Filmen wie Todd Haynes “Carol” oder Paul Feigs “Nur ein kleiner Gefallen”. Auch wenn ich jedes mal versuche, vollkommen ohne Vorurteile oder eine vorgefasste Meinung ins Kino zugehen, stimmt mich dieses Handlungsmuster stets skeptisch, da es oft die Tendenz hat, sich zu sehr auf seinen oft hervorragenden Cast und die kreierte Stimmung zu verlassen, ohne dem Geschehen besonders viel Bedeutung beizumessen.
Auch „Eileen“, der neueste US-amerikanische Spielfilm von William Oldroyd, der auf dem gleichnamigen Roman von Ottessa Moshfegh basiert, glänzt durch seine hervorragenden Hauptdarstellerinnen Thomasin McKenzie und Anne Hathaway und hat somit das Potential, ein großartiger Film zu werden. Und auch das erste Bild stimmt einen hoffnungsvoll, der unbewegte Ausschnitt, die stimmungsvolle Musik und die retrohaften Buchstaben, die den Titel verkünden, lässt auf einen kunstvollen, düsteren Film hoffen, der an Hitchcock oder eine finstere Version von Wes Anderson erinnert.
Der Titel enthüllt den Namen der Hauptfigur, Eileen (Thomasin McKenzie), die in den 1960er Jahren in Neuengland als Sekretärin in einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäter arbeitet. Ihr Zuhause bietet dabei keinen Gegenpol zu ihrem trostlosen, gewalttätigen Arbeitsumfeld, denn dort muss sie sich um ihren jähzornigen, alkoholkranken Vater kümmern, der den Tod sein Frau und als ehemaliger Polizist seine Zwangspensionierung nur schwer verkraftet hat. Eileen steht ihrem eigenen Schicksal dabei eher passiv gegenüber und lebt jeden Tag so wie den vorherigen. Bis eines Tages die kompetente, charismatische Psychologin Rebecca Saint John (Anne Hathaway) ihren Dienst im Gefängnis antritt. Plötzlich kommt Bewegung in Eileens monotonen Alltag, und zum ersten Mal seit vielen Jahren erfährt sie Wertschätzung und Freundschaft durch einen anderen Menschen. Doch genauso wie Eileens Leben bisher vorhersehbar war, ist Rebecca in ihrem ganzen Tun und Sein unvorhersehbar, und bald finden sie sich in Ereignisse verstrickt, die keine der beiden Frauen hat kommen sehen.
Wenn ich die Thematik, die Kernaussage von “Eileen” festmachen müsste, würde ich sagen, es geht um die wechselnden Machtverhältnisse zwischen zwei Frauen, die man als Zuschauer*in schwer einschätzen kann und die fatalen Folgen davon, wenn ein junger Mensch keinen Raum für Persönlichkeitsentwicklung hat und im heranwachsenden Alter weder Sympathie noch Wertschätzung erfährt. Darüber hinaus greift der Film aber viele weitere Handlungsstränge auf, die irgendwann fallen gelassen und nicht zu Ende erzählt werden, wodurch er, besonders durch sein vorzeitiges, offenes Ende, unfertig und unbefriedigend wirkt.
Darüber hinaus entsteht durch Kostüm, Kameraführung und Dialog der Eindruck, dass unsere Figuren vorrangig für den männlichen Betrachter zurecht geschneidert wurden. Die homoerotischen Spannungen zwischen Eileen und Rebecca wirken weniger, als wären sie inszeniert worden, um für mehr Repräsentanz für Liebesbeziehungen zwischen Frauen im Kino zu sorgen, sondern eher wie das Ausleben einer männlichen Fantasie, die Anziehungskraft, die ein Kuss zwischen zwei attraktiven Frauen auf das männliche Auge hat.
Jedoch, trotz allem und auch wenn mich die Intention des Filmes und die Handlung nicht überzeugt haben, kann man ihm nicht absprechen, dass er sehr stimmungsvoll inszeniert ist. Ein gut gewählter Soundtrack mit charismatischen Stimmen wie Nancy Wilson und Connie Conway und die natürlich mal wieder hervorragenden schauspielerischen Leistungen der zwei Protagonistinnen sorgen für ein unterhaltsames Filmerlebnis, vorausgesetzt man denkt nicht allzu sehr darüber nach.
“Eileen” startet ab dem 8. Dezember in den deutschen Kinos