Fettes Brot spielten im Rahmen der T-Mobile Street Gigs im Funkhaus Berlin. Ab morgen stehen die beiden Live-Alben „Fettes“ und Brot“ in den Läden.
Der beeindruckende Aufnahmesaal des Funkhaus Berlin, in dem Fettes Brot am gestrigen Abend im Rahmen der T-Mobile Street Gigs auftraten, verfügt im hinteren Teil auch über eine Reihe von Sitzplätzen. Wie hartnäckig diese von einigen der Gewinner der begehrten Tickets eingehalten wurden, versetzte die Band selbst dann doch in Erstaunen. Da konnte König Boris es sich nicht verkneifen zu fragen, ob man heutzutage eigentlich noch hinguckt, was man da gewinnt, wenn man sich für eine Verlosung anmeldet.
Böse gemeint war das nicht. Publikumsbeleidigung ist bei Fettes Brot nicht angesagt. Aber wenn man sich die zwei morgen erscheinenden Live-Alben der Hamburger Hip Hop Jungs anhört, kriegt man eine leise Ahnung davon, was Fettes Brot von ihrem zahlenden Publikum gewöhnt sind. Der durchschnittliche Fettes Brot Fan erweist sich als äußerst textsicher und mitsingfreudig, nach brav auf seinem Stuhl sitzen bleiben hört sich das nicht an.
Nein, das Publikum in der Nalepastraße war nicht undankbar. Vielleicht war es auch nur irritiert von so ungewöhnlich viel Platz, den jeder für sich zur Verfügung hatte. Seltsames Gefühl, bei einem Konzert dieser Größenordnung nicht dicht gedrängt zu stehen. Nach einigen Songs Anlauf und einer kurzen Pause für Handyfotos („Bringen wir’s hinter uns,“ sprach man und posierte extra einen Moment für die unermüdlichen Knipser) war die Party dann aber im Gang.
Mit Live-Alben ist das ja so eine Sache. In der Regel ist das eher etwas für besonders eingefleischte Fans. Hat man nicht einen richtig intensiven Bezug zu der Musik, ist, zumindest für mich, der Spaß an Liveaufnahmen ohne den optischen Eindruck des Konzerts eher begrenzt. Zu meinen härtesten Zeiten habe ich mir Aufnahmen von Prince-Konzerten reingezogen, die mit dem Walkman vom Publikum aus aufgenommen wurden und mich unendlich darüber gefreut. Heute besitze ich nur noch sehr wenige Live-Aufnahmen, die ich höre, geschweige denn den Studio-Aufnahmen vorziehe.
Das Tolle ist, dass Fettes Brot zu den Bands gehören, die sich für die Live-Umsetzung ihrer Songs gerne mal etwas Neues einfallen lassen. Da wird „Der Beste Rapper Deutschlands“ zur Ska-Nummer und der Refrain von „Können Diese Augen Lügen“ zum Pogo-Brett. Ihre achtköpfige Band Nervenkostüm bettet die wortgewandten Rhymes in Soulbläser und Rockgitarren, auch vor poppigen Nummern wie „Das Allererste Mal“ und „An Tagen Wie Diesen“ schreckt man nicht zurück – auch wenn letztere nicht unbedingt zu meinen persönlichen Favoriten gehört. Aber vielleicht bin ich da auch auf dem falschen Dampfer der Guten Laune. Beim Livepublikum im Funkhaus kam „An Tagen Wie Diesen“ von den neueren Songs mit am besten an.
Fakt ist: Dem Charme des Entertainments von Boris, Björn und Martin kann man sich sowohl live als auch auf (Live)Platte schwer entziehen. Hat man erst einmal eine Stunde mit den dreien verbracht, ist man sich kaum zu blöd aus vollem Halse zu skandieren: „Meine Lieblingsband die heißt Fettes Brot / Alle anderen Bands die find ich doof.“ Und weil man weiß, dass der ganze Blödsinn bei Fettes Brot mit mehr als nur einem kleinen Augenzwinkern passiert, verzeiht man ihnen auch die derberen Zwischenansagen, bei denen aus den „angeschlossenen Funkhäusern“ schon mal die „angeschossenen Vorhäute“ werden. Als man schließlich die ultimative „Zerfickung“ in Form von „Schwule Mädchen“ ankündigt, werden tatsächlich enttäuschte Seufzer laut, denn König Boris ergänzt: „Keine Sorge, wir fassen Euch nicht an.“ Das muss man nämlich auch sagen, schick sehen sie aus, gemäss den Farben, die der Promokampagne der Alben „Fettes“ und „Brot“ zugrunde liegen in orange, blau und weiß gekleidet. Sportlich sind sie auch, recht leichtfüssig bewegen sie sich auf ihren Sneakern über die Bühne. Und dass niemand so lässig das Mikrofon in der Hand tanzen lässt wie König Boris steht sowieso völlig außer Frage.
Über reinen Klamauk geht so ein Abend mit Fettes Brot jedoch eindeutig hinaus. Das merkt man spätestens wenn Doktor Renz „Amsterdam“ singt, da kann einen schon mal eine Gänsehaut beschleichen. Oder eben, wenn man eines der beiden Live-Alben auflegt, denn die funktionieren eindeutig auch ohne den oben beschriebenen optischen Eindruck eines Konzerts. Auch wenn der Erwerb beider Alben ein größeres Loch in die Kasse des kauffaulen CD-Konsumenten reißt als ein Doppelalbum es getan hätte – ich fürchte, Ihr müsst das Spiel mitspielen. Ich kann Euch nämlich keinen Tipp geben, welches Ihr Euch zulegen sollt. Man muss sie einfach beide haben.
Die Alben „Fettes“ und „Brot“ erscheinen am 26. Februar 2010 auf Fettes Brot Schallplatten.
Fotos (c) Katja Mentzel