Kate Rock(t) die Schweiz: Beim Zermatt Unplugged

Ganze acht Monate bin ich nun schon in der Schweiz. Neben dem Anfreunden mit einer neuen Kultur und den üblichen Eingewöhnungs-Herausforderungen die ein Umzug in ein neues Land mit sich bringt, war eine meiner größten Sorgen, dass ich meiner Musik- und Konzertleidenschaft nicht mehr so richtig frönen kann. Zum einen, weil meine musikalische Partnerin in Crime in Berlin zurückgeblieben ist und weil ich dem Musikangebot in der Schweiz erstmal nicht so recht getraut habe. Dabei war das erste Konzert, auf dem ich je in Zürich war bereits ein gutes Omen: Arcade Fire! Seitdem habe ich hier durchaus nennenswerte Bands gesehen, wie The Streets, MGMT, Public Service Broadcasting und die überaus fulminanten Florence and the Machine. Langsam lerne ich die kleinen und die großen Konzertlocations kennen und habe festgestellt, dass ich manchmal die Einzige bin, die laut jubelt. Zum Beispiel, wenn der bemühte Singer Songwriter der Vorband eine Hommage an David Bowie spielt. Aber auch die Schweizer können durchaus aus sich raus gehen und sich mitreißen lassen. Manchmal dauert das einfach ein bisschen länger. Auch finden sich langsam Verbündete, die ein ähnlich emotionales Verhältnis zur Musik haben wie ich und für das ein oder andere Konzert zu begeistern sind. Das ersetzt natürlich nicht meinen Lieblings-Musikmensch aber wir gehen trotzdem noch zusammen zu Konzerten. Die sind dann halt in London, Budapest oder auch Berlin. Und wenn wir getrennt auf einen Gig gehen, schreiben wir uns hinterher ausführlich wie es war.

Und neben den üblichen Konzerten hier in der Schweiz gibt es absolute Musik-Highlights. Da kommt dann alles zusammen: tolle Bands und die schönsten Locations, die die Schweiz zu bieten hat. Eins dieser Festivals ist das Zermatt Unplugged. Seit 2007 findet dieses außergewöhnliche Event in den Walliser Bergen statt, bei dem die Künstler dem Festival-Namen getreu nur mit Akustik Instrumenten auftreten. Die Sets werden für das Event neu arrangiert und so zu etwas Einmaligem. Über die Jahre hat sich ein sehr illustreres Line-Up in dem Bergdorf zusammengefunden. Von Bryan Ferry, Die Fantastischen Vier, The Kooks über Billy Idol haben in Zermatt schon so einige namhafte Bands ein ganz spezielles Konzert gegeben. Da Zermatt -und dort vor allem das Matterhorn- schon lange auf meiner Liste stand, ging es dieses Jahr zum ersten Mal zum Zermatt Unplugged. Und soviel sei schon mal vorweggenommen: im nächsten Jahr werde ich ganz sicher wieder dort sein! Die Idee in so einer ungewöhnlichen Location ein Festival zu veranstalten ist nahezu genial.

An fünf Tagen im April wandelt sich das malerische Bergdorf im typischen Walliser Stil ist zu einem wahren Musik-Mekka. Die üblichen Touristen mischen sich mit den Festival-Besuchern und geben dem Ort eine besondere Atmosphäre. Aus fast jeder Bar schallt an diesen Tagen Musik. Die Besucher flanieren durch den Auto-freien Ort, der umgeben ist von einem wahrlich beeindruckenden Bergpanorama. Selbst die Künstler, die auf den Bühnen stehen, lässt das merklich nicht unbeeindruckt. Meine Freundin und ich sind gespannt auf das erste Konzert: Boy George & Culture Club. Die Magie die Zermatt ausstrahlt, überträgt sich direkt in das große Konzertzelt. Was soll man sagen? Mr. Boy George kann es noch! Das Akustik-Arrangement scheint wie gemacht für seine immer noch volle Stimme und die Band. Alte Songs bekommen einen neuen Glanz mit einem Hauch von Jazz und Soul. Total zeitgemäß und einfach mitreißend. Irgendwann hält es die Schweizer -und uns natürlich auch- nicht mehr auf den Sitzen. Es wird mitgesungen, gejubelt und geklatscht was das Zeug hält. Boy George hat sichtlich Freude an dem Auftritt. Nach knapp zwei Stunden verlassen nicht nur wir glückselig das Zelt.

Um gleich zum nächsten Konzert zu gehen: auch der Hanseat Johannes Oerding hat sich sichtbar in die Berge verliebt. Das zeigen nicht nur am nächsten Tag seine Instagram Bilder von einem Helikopterflug rund ums Matterhorn mit seinem Freund Milo. Den machen wir übrigens nächstes Jahr auch, das haben wir uns schon fest vorgenommen. Dass The Alex, in dem Oerding spielt eigentlich eine Tennishalle ist, merkt man nicht. Auch er hat sichtlich Spaß an dem was er tut, genauso wie das tanzfreudige Publikum, das von den poetischen Stücken begeistert ist. Auf die Texte hören lohnt sich bei Johannes Oerding!

Nach einem Absacker entscheiden wir uns gegen das DJ Set von The Avener, am nächsten Tag wartet die Piste. Und wir werden belohnt! Nachdem wir die Wolkendecke durchbrochen haben, war er da: der Berg aller Berge. Das Matterhorn. In seiner ganzen Pracht im Sonnenschein. Wir sitzend jauchzend in der Gondel. Zwei Schweizer Jungs, die mit uns in der Gondel sitzen, amüsieren sich über uns. Man kann nicht fassen wie schön dieser Berg ist und das ganze Bergpanorama mit mehreren Viertausendern gleich mit. Einfach atemberaubend, in dieser Höhe auch im wahrsten Sinne des Wortes.

Abends wartet dann James Bay mit seiner Gitarre im Zelt. Und auch hier erleben wir ein großartiges Konzert. Zum Glück ein bisschen weniger Popzucker und mehr Emotion als auf den üblichen Bay Konzerten. Einziger Wehrmutstropfen: er haut „Lemonade“ gleich zu Anfang raus, darauf waren wir nicht vorbereitet. Mr. Bay lässt danach über die Sozialen Medien verlauten: „One of my favourite shows ever!“ Und wir waren dabei!

Am nächsten Tag lassen wir uns durch den Ort treiben, bereit für Überraschungen. Denn die scheint es zu geben, haben wir mittlerweile gelernt. Am Abend zuvor ist Boy George noch spontan mit Jessie J im Ronnie Scott’s Club auftreten. Da hat er doch einfach mal spontan mit den Allstars in seiner Hotelbar gejamt, ohne uns Bescheid zu sagen. Egal, wir lassen uns bei schönstem Wetter mit einem Rosé in der Hand und dem Matterhorn im Blick auf der Sonnenterrasse vom Schönegg von dem Kanadier Bobby Bazini unterhalten. Später entdecken wir noch die Irische Band The Eskies, die unglaublich viel Spass machen und das ganze Taste Village zum Tanzen bringen. Natürlich darf in der Schweiz eins nicht fehlen: ein Käsefondue mit dem wir den Abend einläuten, um ihn dann mit Isaac Gracie und seinen melancholischen Songs zu beschließen. Fazit: das Zermatt Unplugged ist ein absolutes Highlight der Schweizer Festivals, mit der perfekten Kombi aus Konzerten und Skifahren. Soviel kann schon zum Anfang der Festival-Saison gesagt werden.

Was kann es eigentlich besseres geben, als die neue Heimat auf musikalische Art zu entdecken? Was Musik angeht, habe ich zumindest schon mal meinen Frieden mit der Schweiz geschlossen. Ich habe festgestellt, dass die Schweiz mit wirkliche tollen kleinen und großen Festivals gesegnet ist – da fällt die Auswahl fast schwer. Paleo, St. Gallen, Montreux, you name it. Dabei lässt sich das Line-Up nicht lumpen, das Lollapalooza in Berlin kann sich noch eine Scheibe davon abschneiden. Tickets für Elton John in Montreux und Mumford and Sons in Basel liegen schon bereit. Ich freue mich auf alles was kommt.

Uf Wiederluege,

Kate Rock