Fettes Brot im Interview: „Ach, jetzt fangen Fettes Brot an Schnulzenlieder zu singen…“

Lesen Sie hier den neuesten Teil unserer fast schon traditionsreichen Reihe „Interview mit Fettes Brot“. Heute mit folgenden Themen: Brauchen wir heute mehr Liebe als früher? Wie wird man Autor eines Ratgeberbuches? Kommt nach Fettes Brot – das Liebesalbum, Fettes Brot – die Radioshow und Fettes Brot – das Buch demnächst Fettes Brot – der Film? Und was wird aus der Bernstorffstraße? Fragen über Fragen… Ob‘s ne Lovestory wird?

Erzählt doch mal, wie geht’s euch denn so?

Martin: Schau mal, das ist ja so. Wir haben ja ganz lange Musik gemacht und uns damit beschäftigt eine neue Platte zurecht zu löten und so zu verdichten, dass wir am Schluss sagen: jetzt kann das Kind raus und die anderen Leute kennenlernen. Das ist natürlich sehr aufregend, sich damit unters Volk zu wagen, mit Menschen darüber zu sprechen und Feedback zu bekommen. Am Anfang macht das auf jeden Fall noch richtig Spaß (Gelächter).

Ich habe euch zuletzt 2015 getroffen, da haben wir über euer Album „Teenager vom Mars“ gesprochen. Ich erinnere mich, dass ihr damals erzählt habt, dass das Album quasi mehr per Zufall eine Art Konzeptalbum geworden ist. Jetzt bringt ihr ja mit „Lovestory“ wieder ein Album raus, das einen roten Handlungsfaden hat. War das wieder Zufall?

Boris: Diesmal war es Absicht.

Björn: Nach der Hälfte haben wir das gemerkt.

Boris: Wir haben ganz frei angefangen und haben uns mit unserer Band in ein Haus in Norddeutschland eingeschlossen und Musik gemacht. Das ist eine alte Dorfschule, ein riesiger Raum wo überall Instrumente stehen. Da haben wir unseren Kram rein gestellt und erstmal los gelegt. Jeder hat so seine Ideen raus gehauen, wir haben Rotwein getrunken, miteinander gekocht und uns Sachen ausgedacht. Nach einer gewissen Zeit sind wir mit den ersten 12, 13 Demos in unseren Inner Circle gegangen und haben das vorgespielt. Und dann merkten plötzlich alle, dass die schönsten und interessantesten Songs was mit Liebe zu tun haben. So kam die Idee auf, dass man mal ein Album nur mit Liebesliedern machen könnte. Die Idee hat sich verfangen, wir fanden das gut. Was mir damals daran gefallen hat war, dass es einen vordergründig davon befreit, sich zu zeitgeistigen Themen äußern zu müssen. Das hat mich sehr belastet, der Gedanke dass ich jetzt was dazu sagen muss, was in der Welt um mich rum passiert. So konnten wir einfach darüber reden, worauf wir Bock hatten. Später stellte sich dann raus, dass wir uns damit sehr gut selbst ausgetrickst haben und der Lovestory Faden uns die Möglichkeit gegeben hat, doch wieder zeitgeistige Sachen zu sagen. Aber aus einer anderen Perspektive. Das habe ich aber erst später verstanden. (Zu Björn und Martin) Ihr wusstet das wahrscheinlich von Anfang an (Gelächter). Bei mir hat’s ein bisschen gedauert.

Martin: Ja genau, eine scheinbare Verengung der möglichen Themen hat die Kreativität nochmal besonders herausgefordert. Daraus sind tatsächlich ganz neue Perspektiven entstanden, die das für uns wieder schreibbar machen, wo wir sonst vielleicht einen langweiligeren, profaneren Zugang glaubten finden zu können. Die Verengung war sozusagen gleichzeitig die Befreiung. Eigentlich ganz interessant.

Boris: Und natürlich ist eine Platte nur mit Liebessongs eine Herausforderung an uns, möglichst originelle Angänge an dieses Thema zu finden, damit es auch reicht für eine Albumlänge. Martin: Uns gefällt natürlich auch die Idee, dass manche Hörer oder Hörerinnen denken könnten ach, jetzt fangen Fettes Brot an Schnulzenlieder zu singen, dass man eine etwas sanftere Erwartungshaltung an so ne Platte hat. Wenn man dann hört wie sie geworden ist, ist man vielleicht alleine davon überrascht, wie unterschiedlich wir den Ansatz gewählt haben, sowie musikalisch als auch textlich.

Da das Ganze jetzt so eine schöne konzeptionelle Einheit ergeben hat – wart ihr euch einig, welche Songs es am Ende aufs Album schaffen würden?

Boris: Da haben wir tatsächlich sehr wenig diskutiert. Wir hatten am Ende 13 Dinger, zwei haben wir nochmal gestrichen. Die passten so okay dazu, aber so richtig rund ist es mit den elf. Haben wir nochmal kurz drüber nachgedacht, dann waren wir uns eigentlich relativ schnell einig. Das fand ich sehr angenehm, dass uns die Angst vor dem Abgeben am Ende nicht in wahnsinnige Diskussionen getrieben hat. Oder? Korrigiert mich.

Björn: Ne ne, alles richtig. 

Das klingt sehr harmonisch. Passend zum Thema.

Boris: Na ja, harmonisch ist ja jetzt nicht alles auf dem Album. Nur weil „Lovestory“ drauf steht…

Martin: Du warst jetzt wahrscheinlich gerade bei dem Song „Zwei Freunde und Du“…

Nein, das war jetzt auch nicht auf das Album an sich gezogen. Trotzdem ist es natürlich so, dass man, wenn man die Ankündigung liest, sich darüber freut, dass es auf diesem Album um etwas grundmenschliches geht. Vor allem im Moment.

Björn: Nun ja, diese Idee von wegen „in diesen Zeiten braucht man Liebe“, das ist ja ein sehr weit verbreiteter Gedanke. Das stimmt aber wahrscheinlich immer. Deswegen weiß ich gar nicht so genau, ob das so zeitgeistig ist zu sagen, jetzt machen wir ein Album über Liebe. Es gibt ja schon Millionen Liebessongs, das ist jetzt keine Neuerfindung. Das Spannende daran ist zu sagen: was für Perspektiven auf das Thema gibt es denn. Was für Geschichten können wir erzählen, die uns selbst überraschen, die wir so noch nicht gehört haben oder die meinetwegen auch so toll sind, dass wir sie einfach mal nachmachen. Oder das Gegenteil davon machen. 

Ich habe aber schon das Gefühl, dass von Seiten vieler Künstler das Bedürfnis eher wieder wächst, etwas zum Thema Liebe zu machen.

Björn: Ich bin mir nicht sicher, ich glaube das hätten wir vor zehn Jahren genau so auch schon gesagt. Also, ich finde dieses Gefühl natürlich total gut und es geht mir auch so. Ich bin da voll bei dir. Aber ich glaube, in anderen Zeiten hätte man das auch so gesagt. 

Boris: Ich kann das gar nicht so sagen. Vielleicht ist es so, dass durch diese ganzen sozialen Medien so viele Meinungen durch die Welt schwirren und man deshalb das Bedürfnis hat, sich aus der Diskussion raus zu ziehen. Auch als Musikmachender. Dass man das Gefühl hat die Leute reden eh schon so viel über Aktuelles und man deshalb das Bedürfnis hat, sich daneben zu stellen und über grundsätzlichere Sachen zu sprechen. Das wäre die Idee, die ich dazu hätte. Für uns war es mehr so… man versucht ja auch immer, etwas Neues zu machen, so lange wie wir schon im Game sind. Das ist dann total schön, wenn man plötzlich die Idee hat, eine monothematische Platte zu machen. Das hatten wir tatsächlich noch nie. 

Martin: Außerdem haben wir uns vorgenommen, ein Nummer Eins Album zu schreiben. Das hatten wir nämlich auch noch nie (Gelächter). Schön, dass das jetzt klappt!

Björn: Du meinst, dass das jetzt geklappt hat. Ist ja schon sicher dass das passiert. 

Sehr gut! Verratet es mir, wie schreibt man ein Nummer Eins Album?

Boris: Wenn wir das wüssten… (Gelächter) Ne, jetzt im Ernst, eigentlich war es uns wichtig, den Verwertungsgedanken bei dem Album völlig außen vor zu lassen. 

Martin: Dass er zumindest nicht zu früh hinein kommt, damit er nicht die Kunst an sich beeinflusst, sondern erst wenn man die Kunst so unabhängig wie möglich geschaffen hat. Dass man dann drüber nachdenkt, wie man das am besten an die Frau und den Mann kriegt.

Boris: Genau. Wer will das hören, für wen mach ich das eigentlich? Der Gedanke kann einen manchmal auch umtreiben. Deswegen habe ich versucht, ihn möglichst zu ignorieren und den Spaß am Musik machen in den Vordergrund zu stellen. Das Großartige daran zu sehen, dass ich in der Situation stecke mich mit den beiden Typen und noch anderen Musikern hinzusetzen und mir geile Sachen auszudenken. Beim Machen einfach schon das zu genießen und möglichst spät darüber nachzudenken wie verpacke ich das. Das hat tatsächlich ganz gut geklappt. Ich konnte es lange von mir fern halten.

Björn: Bis heute morgen.

Boris: Bis zum ersten Interview.

Ich habe außerdem lange drüber nachgedacht, wo ich das jetzt musikalisch einordnen würde und bin zu dem Fazit gekommen… ich hoffe ihr versteht das jetzt nicht falsch. Eigentlich seid ihr inzwischen euer eigenes Genre.

Boris: Jo!

Martin: Wie könnten wir das falsch verstehen. Es ist doch ein sehr schönes Kompliment!

Na nicht dass ihr denkt ich will sagen, ihr macht immer das Gleiche.

Martin: Ich glaube wir machen Popmusik mit einer klaren Hip-Hop Wurzel, die man mal mehr, mal weniger stark raus hört. Der Wortwitz ist sicher eine unserer hervorstechendsten Eigenschaften, die auch oft zu Songideen führt. Und auch dazu dass wir eine Radioshow haben und jetzt ein Buch veröffentlicht haben…

Zum Thema Wortwitz ist euer Buch tatsächlich ein gutes Beispiel. Es ist ja schon fast gemein, ihr könnt einfach drauf los reden und das Ergebnis ist direkt druckreif.

Martin: Das ist tatsächlich ein bisschen gemein. Wir haben fast schon ein schlechtes Gewissen, weil wir unser erstes Buch geschrieben haben indem wir einfach mit Leuten telefoniert haben. Das ist natürlich ein großes Glück, dass es solche Verwertungsketten gibt.

Boris: Wir mussten quasi mit der Nase drauf gestoßen werden. 

Martin: Wir lernen auf der Bühne dass es Spaß macht sich zu unterhalten und andere Leute dadurch amüsiert werden. Das haben wir uns ja ein bisschen von den Ärzten abgeguckt, dass die Moderationen manchmal länger als die Songs sind. Dann haben wir gemerkt das könnte ne Radioshow werden, in der wir einfach den gleichen Unsinn verzapfen und vielleicht sogar Menschen ein Lächeln mitgeben. Und dass man das sogar noch zum Buch machen kann, ist natürlich ein toller Nebeneffekt.

Boris: Das mussten wir auch erstmal ausgedruckt sehen bis uns klar war, dass das wirklich ne gute Idee ist. Funktioniert das so geschrieben? Dann habe ich es gelesen und musste zum Teil wirklich laut lachen. Also haben wir gemerkt gut, das funktioniert wirklich.

Martin: Schade eigentlich dass jetzt nicht Weihnachten ist, dann könnten sich das alle gegenseitig schenken.

Ihr könntet das Buch noch verfilmen, dann habt ihr quasi alles abgedeckt.

Björn: Ähnlich wie bei dem Buch bin ich auch da wieder skeptisch, ob das funktionieren könnte (Gelächter). Aber wenn du jetzt anfängst das pantomimisch darzustellen, lasse ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen.

Da ich selber schon einmal dort war, müsst ihr mir abschließend noch erzählen: was ist der aktuelle Stand im Kampf um die Bernstorffstraße?

Martin: Das ist schön, dass du danach fragst. Viva la Bernie ist ja inzwischen eine Marke geworden. Da gibt es bestimmt bald T-Shirts. Es ist ein Prozess der anhält, wir sind aber nach wie vor hoffnungsfroh. Es geht darum unseren Hinterhof, in dem wir unser Studio haben, dauerhaft zu erhalten, so wie er ist. Der ist von einem neuen Investor gekauft worden, der alte Besitzer hat leider vergessen uns ein Kaufangebot zu machen. Die Hinterhofgemeinschaft hat sich quasi dann erst gefunden, 120 Leute bestehend aus Künstlern, Handwerkern und ganz normalen Menschen, die auf dem Gelände wohnen. Es ist einer dieser Flecken bei denen man denkt ach, so kann Hamburg auch aussehen. Heute wird ja alles auf seine Verwertbarkeit geprüft und alles was ein bisschen schief und krumm gebaut ist, kann man theoretisch abholzen und da was Neues und Größeres hinstellen, was man teuer an wohlhabende Eigentumssucher verkauft. Das ist ein Prozess von dem wir fürchten, dass er unserem Hinterhof droht. Die Besitzer selbst sagen, sie haben so was nicht vor, aber wir trauen dem Braten halt nicht ganz. Wir sind aber tatsächlich begeistert davon, dass sie wenigstens nach wie vor mit uns darüber reden, ob wir selbst kaufen können. Wir haben tatsächlich die sieben Millionen überraschend schnell zusammen bekommen, das heißt wir stehen bereit für einen Kauf. Ein hanseatischer Handschlag wurde noch nicht gegeben, aber wir sind so weit! Die Besitzer sind mit uns in Verhandlung und werden hoffentlich irgendwann einsehen, das ist echt zu anstrengend mit denen (Gelächter). Dass sie denken wir suchen uns jetzt wieder etwas in der Vorstadt, wo nicht so viele Lebensentwürfe dran hängen und nicht so viele Menschen ernsthaft von betroffen sind. Ich glaube, das ist eine Entwicklung die sich andeutet, dass die Politik da wieder wachsamer wird und den Markt weniger überlässt, sondern guckt wie muss eine Stadt aussehen, damit sie lebenswert bleibt. Dass Kultur stattfinden kann, die wir ja alle wollen. Sie muss ja auch irgendwo Platz haben sich zu entfalten. Dort ist nunmal einer dieser magischen Orte, an denen zusammen kommt was natürlich gewachsen ist. Wo verschiedene Menschen sich getroffen haben und gemeinsam arbeiten und wohnen.

Das neue Fettes Brot Album „Lovestory“ erscheint am 03.05.2019. „Was Wollen Wissen?“, das Buch zur Radiosprechstunde, ist im Rowohlt Verlag erschienen.

Interview: Gabi Rudolph

Fotos: Jens Herrndorff

www.fettesbrot.de