Es liegt eine ungeheure Schönheit in Dingen, die von der Normalität abweichen. Sea & Air schaffen es diese Schönheit zu erzeugen, indem sie unter anderem ein Cembalo durch die Lande schleppen. Zusätzlich verteilen sie ein Schlagzeug auf der Bühne, benutzen Basspedale, Glocken, akustische oder elektrische Gitarre und anderes „Zeug“. Diese ganzen Instrumente verteilt das Stuttgarter Ehepaar zwischen sich und erzeugt damit einen durchaus eigenwilligen Sound. Die Melodien und besonders die Verwendung des Cembalo verleihen ihren Popsongs mitunter einen klassisch barocken Touch. Beim ersten Hören ihres Debütalbums und ohne die Band zu kennen, tauchte in mir die Frage auf, welches elektronische Gerät sie wohl verwendet haben um diesen Sound zu kreieren. Man rechnet heutzutage einfach kaum noch damit, dass eine Band tatsächlich noch so ein altes Instrument wie das Cembalo verwendet. Einfach wunderbar.
Die beiden verstehen es Lieder zu schreiben, die unendlich eingängig sind und mitunter einen hohen Suchtfaktor besitzen. „The Heart Of The Rainbow“ ist zum Beispiel ein solches Lied. Es geht so schnell vorbei, dass man das Lied am liebsten direkt nochmal hören will und das nicht nur auf dem Album. Hätten sie es beim Konzert fünfmal hintereinander weg gespielt, es wäre auch in Ordnung gewesen. Der schnelle, typische Popsong wird von wunderschönem Gesang eingerahmt. Wie es sich für ein ordentliches Popalbum gehört bewegen sich Sea & Air zwischen den Hochs und Tiefs, dem schnellen Gute-Laune-Kracher und der bewegenden Ballade.
Es ist faszinierend, die beiden auf der Bühne zu beobachten. Bei ihrem Konzert im Berliner Comet Clubbrachten sie nicht nur das Publikum zum Schweigen, sondern zeigten auch, dass sie beide Multitaskingfähig sind. Eleni spielt nicht nur das Cembalo, sondern gleichzeitig einen Rhythmus auf der Snaredrum, bedient die Orgel Basspedale und liefert den Hintergrundgesang. Daniel Benjamin singt, spielt Gitarre und anderes. Und zwischendurch wechseln sie ihre Positionen, Instrumente und Rollen. Die einzige nicht so schöne Folge davon ist, dass sie dafür bei Konzerten und vermutlich besonders auf einer kleinen Bühne wie die vom Comet Club Zeit benötigen. Es wäre kein Problem, wenn nicht das Verlangen da wäre, mehr und mehr von ihrer Musik hören zu wollen. Allerdings muss man auch dazu sagen, dass diese Pausen mitunter durchaus amüsant gefüllt – Daniel ist vermutlich der Erste, der mich mit Denglishen Sprüchen zum Lachen gebracht hat.
Das Album „My Heart’s Sick Chord“ ist heute bei uns erschienen und Anfang nächsten Jahres werden Sea & Air wahrscheinlich wieder auf Tour kommen. Das letzte bisher bekannte Deutschlandkonzert für dieses Jahr spielen sie am 25. Oktober 2012 im Blue Shell in Köln. Eine kleine Impression von einem ihrer Konzerte zeigt das Video zu „Do Animals Cry?“ von ihrem Auftritt bei TV Noir. Passend zur Musik und dem Aussehen von Sea & Air ist das Video in schwarzweiß gehalten. Erinnert euch Daniel Benjamin mit seinem leicht gezwirbelten Schnauzbärtchen nicht auf ein wenig an die Zeit um 1900?
Gehört von: Dörte Heilewelt
Fotos: Tim Dobrovolny