Musikalische Utopie in 3 1/2 Minuten – Interview mit Friendly Fires

Irgendwo zwischen Dance-Punk, Karneval in Rio, Afrobeat und gutem alten 90s Rave haben sich Friendly Fires eine Nische eingerichtet, die sie musikalisch wie keine zweite mit einer unbremsbaren Pop Euphorie beackern. Gerade live beweisen die drei (dort unterstützt von einem Bassisten/Percussionisten und zwei Bläsern), dass sie auch in einem kleinen Club wie dem Hamburger Molotow ein riesenhaftes, futuristisches Funk-Ufo landen lassen. Die winzige Bühne ist vollgestellt mit ebenso viel Samba-Percussiongerätschaften wie interplanetarem Lichtwerk, Sänger Ed Macfarlane verbringt während der 75 minütigen Show ebenso viel Zeit in der Menge wie auf der Bühne – Goa in gut! Es ist keine leere Drohung, wenn Ed Macfarlane im Interview für die Show die Zeit deines Lebens verspricht – resultierend aus dem Wissen um die Flüchtigkeit der Musik, die nur für einen kurzen Moment das Paradies auf Erden verspricht.

FriendlyFires3Euer neues Album klingt wesentlich poppiger, sogar bombastisch. War dies eine natürliche Entwicklung eures Sounds oder empfindet ihr das als eine geplante totale Veränderung eurer musikalischen Richtung?

Edd Gibson: Nein, für uns fühlt es sich nicht wie ein großer Wechsel in der Musikrichtung an. In diese musikalische Richtung gingen wir schon bei den letzten Songs, die wir für unser erstes Album produziert haben, wie „Jump Into The Pool“ und „Kiss Of Life“. Wir kamen an einen bestimmten Punkt, den wir ausarbeiten und weiterentwickeln wollten. Es war uns wichtig, unsere Fähigkeiten im Schreiben und Produzieren zu verbessern, um die Qualität zu bekommen, die wir immer wollten.

Ist es richtig, dass ihr das Album in einer Garage aufgenommen habt? Wie habt ihr da so einen massiven Sound hinbekommen?

Ed Macfarlane: Ja, richtig. Man kann alles gut klingen lassen, wenn man das richtige Equipment hat und weiß, wie man es benutzen muss. Ich glaube nicht, dass du nur wenn du in ein richtig teures Studio gehst automatisch ein „big sounding“ Album bekommst. Zumindest in unserem Fall hat das nie funktioniert. Wenn du in so einem Studio bist, ist das ganz schön stressig. Du musst in einem bestimmten Zeitraum kreativ sein und gibst ne Menge Geld aus, um aus dieser Zeit das Beste rauszuholen – wenn wir unter solchen Umständen arbeiten müssen, werden wir leicht panisch. Daher ist das Arbeiten in unserer Garage immer der beste Weg. Bei zwei Stücken des Albums, die vielleicht am meisten Discosound haben, waren wir  allerdings nicht richtig glücklich mit dem Drumsound, den wir in unser Garage erreicht hatten und wir wollten das nochmal aufnehmen, auf dem Drumkit von Jerry Fuchs (!!!, LCD Soundsystem) der vorletzes Jahr tragischerweise verstorben ist. Sein Drumstil war wirklich inspirierend. Es fühlte sich also richtig an, das auf seinem Schlagzeug aufzunehmen. Und es war natürlich cool, nach New York zu fliegen, nur um Drums für zwei Tracks aufzunehmen! Das war die kleine Extravaganz, die wir uns geleistet haben.

Der Album Titel Pala“ ist einer Kurzgeschichte von Huxley entliehen. Um diese Metapher zu verstehen – was für eine Utopie versucht ihr mit der Musik zu schaffen?

Ed Macfarlane: Die Insel ist erst mal nur seine Idee einer utopischen Gesellschaft. Die Idee, eine musikalische Utopie zu kreieren… das könnte eine gute Beschreibung sein: ich mag das temporäre Gefühl von Glück und Freude, das letztendlich enden muss. Also muss man das Beste draus machen, solange es besteht. Ich mag die Idee, dass wenn du einen unserer Songs hörst, diese Welt für 3 1/2 Minuten Sinn macht – und dann ist es vorbei!

Genau, da wollte ich auch drauf hinaus – “Pala“ erinnert ja auch an die Techno Hippie Insel Goa oder den Roman „The Beach“ von Alex Garland und natürlich das Paradies. Und alle diese Paradiese werden am Ende zerstört…

Ed Macfarlane: Exakt!

Wird euer musikalisches Paradies Realität für die Dauer des Albums, oder während eines Friendly Fire Konzerts? Geht es darum, diesen Moment, das musikalische Erlebnis mit dem Publikum für eine begrenzte Zeit zu teilen?

Ed Macfarlane: Ja, ja genau! Ich weiß nicht genau, wie ich das ausdrücken soll. Das Album ist natürlich nicht temporär, sondern soll zeitlos sein.  Es geht um das Gefühl, das du empfindest – das ist natürlich zeitlich begrenzt. Aber wir wollen, dass die Leute bei unseren Shows sich total vergessen, die Leute sollen sich so lang wie möglich dran erinnern als einen Moment von absolutem Spaß und Glück, darum sollte es in jeder Live Show gehen!

Gibt es für euch persönliche wirkliche paradiesische Orte, z.B. Urlaubsorte?FriendlyFires1

Edd Gibson: Ich weiß es klingt idiotisch – aber wenn man so hart tourt ist das für mich persönlich wenn du zurückkommst nach Hause. Die Utopie ist schnell dahin, wenn man das Gefühl hat, beim Reisen in Flugzeug oder Bus den besten Teil seines Lebens zu vergeuden. Mein eigenes Bett ist meine Insel!

Ed Macfarlane: Ja, ich denke, wenn man wie wir die Welt betourt hat, mit diesen unbestimmten Vorstellungen wie es sein könnte in einer Band zu sein, die ganzen dummen Rockstarklischees, die auch wir Youngsters erlebt haben – und wenn man dann zurückkommt und feststellt, dass man das gar nicht ist und man so auch nicht sein sollte – dann sind die Freunde und die Heimat in vielerlei Hinsicht das eigentliche Utopia.

Wie ist es wieder auf Tour zu sein – ist es harter zu touren, oder nicht zu touren?

Edd Gibson: Touren kann natürlich ganz schön hart werden. Aber wir sind jetzt ganz am Anfang der Tour für dieses Album und sind noch sehr aufgeregt, jeden Abend da hochzugehen und zu spielen, besser und besser zu werden, sodass wir diesen Songs wirklich gerecht werden. Wir haben nun fast 2 Jahre hart im Studio dran gearbeitet, nun wollen wir uns wirklich hart knechten, die Songs auch live genauso oder besser umzusetzen.

Wie fühlt es sich denn an, die neuen Songs live zuspielen, nachdem ihr so lange auf Tour mit dem ersten Album wart?

Ed Macfarlane: Das klappt wirklich gut! Gestern waren wir in Brüssel – und dort waren wir nie besonders „groß“ –  das Publikum reagierte auf die neue Musik sogar besser als auf die älteren Songs. Sogar langsamere Songs wie „Hurting“ und „Show Me Lights“ funktionierten wirklich gut, das war sehr vielversprechend für die Zukunft.

Gab es einen bestimmten Schlüsselmoment, in dem ihr euch entschieden habt, Musiker zu werden?

Ed Macfarlane: Nein, Wir machen schon so lange Musik, da gab es nie einen bewussten Entschluss, daraus eine Karriere zu machen… das hat sich über eine langen Zeitraum aus dem live Spielen entwickelt. Wir kamen zu einem Punkt, an dem alles anfing etwas grösser zu werden, als wir das erwarteten. Und dann ging es natürlich schon darum, ob wir also sozusagen unser normales Leben opfern und in diese Band stecken sollten. Aber das war – zumindest für mich – vorher nie ein bewusstes Ziel.

Gibt es etwas, was ihr besser könnt, als Musik machen? Oder gibt es etwas, wovon ihr euch wünschtet, dass ihr es besser könntet als Musik machen?

Edd Gibson: Nein, das ist was ich bin und was ich tue… natürlich, wenn man 14 ist oder so hat man noch andere Vorstellungen – aber das ist es nun in diesem Moment.

Ed Macfarlane: Wir haben alle einen Uniabschluss, wir haben noch nicht einmal die Uni für die Musik abgebrochen. Ich hab einen Abschluss in Fotografie, das hat mich damals interessiert. Aber das Einzige, was ich von diesem Abschluss gelernt habe, ist über die eigene Kunst sprechen zu können, ich denke das war sicher hilfreich. Aber ich sehe mich nicht als Fotografen.

Jack Savidge: Wenn du was hast wie Musik, das als Hobby beginnt und sich in etwas anderes, größeres verwandelt – wenn man sich so sehr damit befasst, verändert das auch deine Beziehung zu den Dingen, die man früher gemacht hat. Ich weiß nicht recht, aber ja, ich FriendlyFires2denke es gibt ein paar Dinge – zum Beispiel habe ich immer gern geschrieben.

Ed Macfarlane: Du schreibst immer noch ein bisschen, richtig?

Jack Savidge: Ja, absolut. Nur wenn man in einer Band ist, ist man mit Touren und allem drum und dran 24 Stunden ausgelastet, da kann man sich schlecht auf etwas anderes fokussieren, irgendwas gibt’s dann immer, was du zu tun hast…

Ed Macfarlane: Im Moment bau ich gerade ein Studio zusammen, ich investiere eine Menge in Equipment. Ich würde gerne selbst mehr produzieren, aber es wäre natürlich idiotisch, alles was wir hier machen aufzugeben und mich da komplett rein zu stürzen.  Aber wir wissen auch nicht, wie lange diese Band besteht und natürlich machen wir das Beste draus, solange wir noch können!

Interview: Rafael Mans

Fotos: Kai Wörner