Bevor die Klappe namens 2021 zugeht: diese Filme und Serien haben uns in diesem Jahr besonders beeindruckt. Streaming war wieder einmal der große Lebensretter während der Pandemie, aber auch das Kino zeigte sich zum Glück in der gerade mal halbjährigen Spielzeit, die ihm vergönnt war, wunderbar lebendig.
Titane
Der Goldene Palme Gewinner von Julia Ducournau wurde in der Berichterstattung als ultrabrutaler Schocker gefeiert. Dabei ist „Titane“ ein visuell wie inhaltlich packendes Drama, das vor allem in den erstaunlich zärtlichen Momenten überzeugt. Mit Sicherheit der aufregendste Film des Jahres. Unsere ausführliche Kritik lest ihr hier.
The French Dispatch
Vielleicht nicht der beste, aber mit Sicherheit der detailverliebteste Wes Anderson Film. Der Kultregisseur lebt seinen Ideenreichtum hemmungslos aus, und die Schauspielriege ist wieder einmal zum Niederknien. Unsere ausführliche Kritik lest ihr hier.
Dune
Auch „Dune“ mag seine Fehler haben, aber wie gut tat es, im bereits zweiten stotternden Kinojahr in Folge, so einen richtigen Sci-Fi-Blockbuster auf der großen Leinwand zu erleben. Und, nun ja, Timothée Chalamet… unsere Kritik lest ihr hier.
Squid Game
Wie urteilte jüngst das Internet über den Überraschungserfolg aus Südkorea? „Wenn du Squid Game immer noch nicht gesehen hast, dann bist du definitiv frei von Gruppenzwang.“ Die Netflix-Serie hat aber auch einfach alles, was ein perfektes Bingewatch-Erlebnis ausmacht: Spannung, Sozialkritik, einen eigenen Look und Charaktere, die einem mehr und mehr ans Herz wachsen. Wie schlimm das in diesem Fall ist, weiß nur wer’s gesehen hat.
Bad Luck Banging or Loony Porn
Die diesjährige Berlinale war insgesamt eine seltsame Angelegenheit (warum könnt ihr hier nachlesen). Dass der neue Film des rumänischen Regisseurs Radu Jude mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, setzte dem Ganzen, im allerbesten Sinne, die Krone auf. Das Filmexperiment über ein geleaktes Sextape einer Gymnasiallehrerin fordert die Sehgewohnheiten heraus, entpuppt sich am Ende aber als überaus intelligenter Spaß und beweist obendrein, dass wegweisendes Kino auch mit eingeschränkten Mitteln während einer Pandemie möglich ist.
Nomadland
Regisseurin Chloé Zao schafft es mit „Nomadland“ ein tragisches, sozial brisantes Thema in einen wunderschönen, hoffnungsvollen Film zu verwandeln. Dafür nahm sie nur zurecht den Oscar für die beste Regie mit nach Hause, und Hauptdarstellerin Frances McDormand hätte auch kaum verdienter als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet werden können. Dass „Nomadland“ in diesem Sommer an den deutschen Kinokassen der große Abräumer wurde, war außerdem einer der wenigen kulturellen Lichtblicke im Pandemiejahr.
Succession
Die HBO-Serie rund um Medienmogul Logan Roy und seine für die Übernahme des Imperiums in den Startlöchern stehenden Kinder bewies dieses Jahr auch in der dritten Staffel, dass ihr was sezierende Beobachtungsgabe und bitterbösen Humor angeht, kaum einer das Wasser reichen kann.
Mare of Easttown
Kate Winslet als Kleinstadtpolizistin – müssen wir noch mehr sagen? Vielleicht, dass die siebenteilige Krimiserie tatsächlich spannend, gut beobachtet und in sich schlüssig erzählt ist. Und dass es wohl kaum etwas Niedlicheres gibt als wenn Evan Peters als Kollege Colin Zabel abends beim Bier in der Dorfkneipe in den Flirtmodus schaltet. Über den schockierendsten Moment des Serienjahres in Folge fünf schweigen wir uns aus – den haben wir immer noch nicht verkraftet.
The Nest
„The Nest“ ist tragischerweise einer der am schmählichsten übersehenen Filme des Jahres. Das in den Achtziger Jahren spielende Drama des kanadischen Regisseurs Sean Durkin handelt von der Sucht nach Erfolg und der Unfähigkeit, Versagen einzugestehen und zeigt sowohl Jude Law als auch Carrie Coon in absoluter Höchstform. Sollte unbedingt auf die „Im Heimkino nachholen“-Liste.
Maid
Die für Netflix produzierte Dramaserie zeigt beeindruckend auf, wie schnell man (oder in diesem Fall Frau) durch das Raster des amerikanischen Sozialsystems fallen kann – sofern es überhaupt ein solches gibt. Dabei schafft „Maid“ es, nie wirklich in Sozialkitsch abzudriften und hat mit Margaret Qualley eine schlichtweg unwiderstehliche Hauptdarstellerin. Andie MacDowell (auch im wahren Leben Qualleys Mutter) müht sich ein wenig zu sehr an ihrer Rolle als überkandidelte, undiagnostiziert bipolare Künstlerin ab und natürlich ist das Ganze am Ende eine Erfolgsgeschichte, die einen nicht vergessen lassen sollte, dass nur die wenigsten so viel Glück haben wie Stephanie Land, auf deren Lebensgeschichte die Serie basiert. Aber „Maid“ weiß trotzdem ernsthaft und sensibel sowohl die Augen zu öffnen als auch zu unterhalten.
Promising Young Woman
Auch das feministische Rachedrama von Emerald Fennell ließe sich an der ein oder anderen Stelle inhaltlich kritisieren. Das kann aber am Ende nicht davon ablenken, dass „Promising Young Woman“ ein mutiges, wichtiges Werk mit einer schlichtweg phänomenalen Carrey Mulligan in der Hauptrolle ist und hoffentlich in Hollywood wegweisend für die Darstellung weiblicher Hauptfiguren funktioniert.
Minari
„Minari“ ist einer dieser Filme, die bei aller Tragik auch großes Wohlfühlkino sind. Er erzählt die Geschichte einer koreanischen Einwandererfamilie, die in den Achtziger Jahren im ländlichen Arkansas versucht, den amerikanischen Traum zu leben. Yoon Yeo-jeong als ungewöhnliche Großmutter wurde ebenfalls völlig zu Recht mit dem Oscar als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.
Bo Burnham: Inside
Comedian Bo Burnham hat sich ein Jahr lang in einem Raum zurückgezogen und dort ein Netflix Special geschrieben, komponiert, inszeniert, gefilmt und geschnitten. Herausgekommen ist das vielleicht beeindruckendste Zeitdokument der Pandemie, komisch, tragisch, scharfsinnig und mitreißend. Dass Bo Burnham so etwas wie ein Wunderkind ist, haben wir ja schon länger vermutet, aber hiermit wäre es eindeutig bewiesen.
We are Lady Parts
Eine britische Comedy-Serie über eine muslimische Frauen-Punkband, deren Hits unter anderem „Bashir With The Good Beard“ und „Voldemort Under My Headscarf“ heißen – das klingt doch wie etwas, das sich jemand extra für uns ausgedacht hat. Gibt es aber wirklich, dank Nida Manzoor, die das Ganze sich ausgedacht, geschrieben und inszeniert hat. Und es ist tatsächlich unglaublich witzig, liebenswert und clever.
It’s a Sin
Russell T Davies, unter anderem Schöpfer von „Queer as Folk“, hat mit „It’s a Sin“ eine fünfteilige LGBTQ-Serie über die Aids-Pandemie im Großbritannien der Achtziger Jahre kreiert, an der man wenn überhaupt nur eines kritisieren kann: man könnte locker das doppelte an Episoden vertragen. „It’s a Sin“ ist in so vielen Punkten ein wahres Lehrstück: wie man ein erschreckendes Thema mit Empathie, Liebe und Humor verpackt, wie man unvergessliche Charaktere erschafft, mit denen man nahezu unerträglich mitfühlt. Und wie man eine Community ehrt, die heute noch viel zu viel Schmerz und Missachtung erfahren muss.