Zum Gespräch gebeten: Liars

An einer Universität in Kalifornien trafen sich zwei Studenten. Und weil man sich so gut verstand und in einer gewissen Art und Weise auch gleichermaßen verrückt war, gründete man kurzerhand eine Band mit dem Namen Liars. So oder so ähnlich sieht sie aus, die Geburtsstunde der Kombo um Sänger Angus Andrew und Gitarrist Aaron Hemphill. Ihr Sound wird seit jeher als experimentell bezeichnet, kann sich aber stets an großem Zuspruch erfreuen. Im Frühjahr diesen Jahres erschien ihr mittlerweile sechstes Studioalbum mit dem Namen WIXIW, das sich als nicht weniger außergewöhnlich, aber dennoch als äußerst hörbar erweist, ja sogar regelrecht den Ohren schmeichelnd. Anlässlich ihres Konzertes im roten Salon der Volksbühne baten wir Liars zum Interview und trafen auf Angus und Aaron, zwei freundlich Zeitgenossen, die uns für eine halbe Stunde vor ihrem Konzert noch Rede und Antwort standen. Here we go.

Hallo ihr beiden. Willkommen in Berlin und schön, dass ihr noch Zeit für ein paar Fragen habt. Wir sind von einem unabhängigen Onlinemagazin für Musik, Filme, Konzerte und Street Art…

Aaron: Ah…nett. Wie heißt ihr ?

>>FastForward Magazine

Angus: Lustig, ein Kollege von mir hatte mal ein Projekt was auch so hieß.

Ja. Hier in Deutschland heißt auch einiges so… Wir kommen glaube ich an 8ter Stelle bei Google…aber immerhin.

(Beide lachen)

Ihr habt hier nicht wirklich gelebt, aber ihr kennt Berlin schon ne Weile oder?

Aaron: Angus hat hier gelebt vor 4 Jahren und wir haben hier zwei Alben aufgenommen. Jeweils für ein paar Monat. Das war eine großartige Zeit.

Also ist das heute Abend ein Heimspiel für euch.

Angus: Ganz genau. Wir mögen Berlin sehr. Und uns kennen hier schon ein paar Leute. Und wir sie.

 

Schön! Ich muss gestehen ich bin kein echter Kenner eurer Musik. Ich hab mir die neue Platte angehört und einige ältere Sachen… und mochte das sehr!

Aaron: Das is völlig ok, vielleicht sogar besser für ne Besprechung.

Danke! Ich muss zudem gestehen, ich bin ein leidenschaftlicher Fan von…tja…von Radiohead. Und es gibt einen Song auf der neuen Platte, der sich anhört, als wäre Thom Yorke ins Studio gekommen und hätte gesagt: Hey lasst uns einen Song zusammen machen…

Angus: Welcher? Einer der Ruhigeren, oder?

Ja Du singst mit sehr hoher Stimme und drunter plugert Electronisches dahin, sehr flächig. Treibend aber entspannt.

Aaron: Schade, dass du nicht weißt welcher. Wir können es ja so machen, dass du beim Konzert laut „Den meinte ich!“ rufst, wenn wir ihn spielen. Dann weiß ich was du meinst.

Ja! So machen wir das. Die Frage war eigentlich: Bedeutet euch Radiohead etwas, oder ist es einfach eine Band für euch. Gibt es da Einflüsse?

Aaron: Nein, nicht direkt. Radiohead sind cool. Und wir mögen an ihnen, dass sie immer versuchen, mit jedem Album etwas Neues, für sie selbst Überraschendes zu machen.

Das ist euch wichtig, oder? Eure Alben klingen extrem unterschiedlich. Niemals dasselbe rausbringen, das vermeidet ihr sehr.

Aaron: Total. Wir wollen uns selbst etwas Neues geben, wenn wir ins Studio gehen.

Ich habe mich gefragt, ob das nicht auch zu einem Dogma werden kann, wenn es immer neu oder anders sein muss?

Angus: Stimmt, das wäre es auch, wenn wir das so beschließen würden, aber wenn wir zwei Platten machen würden, die ganz ähnlich klingen, wäre das auch ok. Also ein Dogma ist das nicht, eher ein Bedürfniss. Wir wollen einfach ehrliche Platten machen. Und wenn wir ehrlich zu uns sind, stellen wir immer fest, dass wir uns mit der Zeit geändert haben. Andere Persönlichkeiten geworden sind. Durch alles Mögliche. Und das sollte die Musik wiederspiegeln. Wenn sie dem nicht Rechnung tragen würde, wäre es für uns langweilig. So gesehen ist jede Platte eine Art Dia unseres Lebens, in genau dem Moment wo es entstand. Mit all den Einflüssen, die grade unser Leben verändern. Eine Trennung. Ein Kind. Was auch immer. Es wäre bestimmt einfacher einen Sound zu haben und den einfach leicht verändert weiter zu entwickeln, aber es würde unserem Leben eben nicht Rechnung tragen.

Verstehe. Nachvollziehbar. Was hat euch eigentlich bewogen damals nach Berlin zu kommen?

Aaron: Wir hatten ne Menge Sachen satt da, wo wir immer rumhangen. Das war die Zeit von Busch und dem zweiten Irakkrieg. Uns hat das alles angekotzt und wir wollten aus dem allem raus. Berlin war da wie eine Befreiung. Neue Menschen. Neue Gedanken. Und alles nicht so eng. Wir tourten damals grade durch Osteuropa und Berlin ist, was das betrifft auch ein gutes Basislager. Zu allen Seiten Europas offen und das alles einsaugend.

Interessant. So hab ich Berlin noch nicht gesehen. Eine andere Frage. Ich habe einige eurer Videos gesehen und es kommen in sehr vielen Aspekte angewandter Kunst vor. Street Art. Irritationen. Seltsamkeiten. Wie würdet ihr euer Verhältniss zu Kunst im weitesten Sinne beschreiben?

Aaron: Wir haben uns auf einer Kunsthochschule kennengelernt. Daher ist die Verbindung natürlich deutlich, aber für uns war die Vorstellung in einer Band zu spielen auch immer der Traum so viele Multimediaelemete miteinander verbinden zu können. Also Musik, Kunst, Installationen, Videos, Shows und alles unter dem Schirm „Band“ zusammenlaufen zu lassen. Das ist für uns einer der wichtigsten Gründe überhaupt eine Band haben zu wollen.

 

Ok. Zu eurer neuen Platte WIXIW. In vielen Songs geht es um Identität und die Suche danach, habe ich das Gefühl. Warum ist euch das so wichtig?

Aaron: Exakt. Das ist ein durchgehendes Thema. Ob sich einer grade von seiner Freundin getrennt hat und im selben Moment ein anderer von uns eine neue Liebe findet. Das sind Krisensituationen. Auch für uns. Und eine Platte zusammen zu machen ist eben auch eine Art identitäre Krise für uns drei. Man stellt sich selbst in Frage. Verändert sich vielleicht in kurzer Zeit sehr grundlegend. Wir haben zwar seit 10 Jahren recht ähnliche Wege unsere Alben aufzunehmen, aber es ist jedes Mal eine Herausforderung an uns. Im respektvollen Umgang miteinander. Einen Tag fühlt sich jemand mit dem, was er einbringt extrem gut, aber ein andere findet es nicht so irre. Das sind Konflikte. Und die durchleben wir gerne zusammen. Weil man dabei so etwas wie Respekt für den Anderen lernt. Dieses Gefühl wollten wir auf die Platte bringen.

 Habt ihr auch diesen alten Traum, nochmal 22 zu sein, oder seid ihr mit eurem Alter genau so zufrieden, wie es nun mal ist?

Angus: Hey, euer Mag heißt FastForward! Es gibt kein zurück. Wir werden alle älter. Klar ist, es ist eine Sehnsucht, die man immer hat, nochmal so jung zu sein, vielleicht sogar für immer jung zu sein.

Seltsam, ich habe das Gefühl nämlich gar nicht. Es sei denn ich wäre zwar wieder 22 Jahre alt, aber mit der Mentalität, der Erfahrung, der Gelassenheit, die ich heute habe. Dann ja…

Angus (lacht): Jaaa..Das wäre natürlich perfekt. Aber ich glaube, das gilt nicht!

Stimmt, das gilt vermutlich nicht…

Aaron: Ich glaube sogar, dass es gefährlich wäre. Als ich 22 war, habe ich angefangen, in Bands zu spielen und Platten zu machen. Und die wären nie entstanden, wenn ich so drauf gewesen wäre, wie ich es heute bin. Es gibt also eine Mentalität, die genau für eine bestimmte Phase in deinem leben wichtig und notwendig ist, ohne diese passenden „Ängste“ entstünde nicht das Richtige, glaube ich. Also lieber darauf konzentrieren, was grade los ist mit dir und versuchen damit zurecht zu kommen.

Na dann noch schnell zu eurer Zukunft. Gibt es da Wünsche?

Angus: Nein eigentlich nicht. Wir lieben gerade das, was wir machen und dass wir das auch weiterhin machen können, das wäre der größte Wunsch!

Da stehen die Chancen ziemlich gut denken wir! Also viel Spaß beim Gig und danke für eure Zeit.

 Im Gespräch mit Marcus Reinhardt

 Vielen Dank an der Stelle auch an Markus Göres, der dieses Interview für uns möglich machte!