Als Will Butler und ich uns zu unserem Gespräch zusammensetzen, reden wir viel über eine positive, freudige, nahezu mühelose Art, Kunst zu machen. Das passt sehr gut zu der Atmosphäre, die ihn und seine Band Sister Squares umgibt, die an diesem Abend im Berliner Privatclub spielen. Das Konzert, so erzählt mir Will fröhlich, ist heute ausverkauft. Sie sind etwas spät dran, also machen sie den Soundcheck bis kurz vor Einlass, und da ich schon mal da bin, werde ich eingeladen, mich hinzusetzen, zuzuschauen und mir Will „einfach zu schnappen“, wenn er von der Bühne kommt.
Es gibt nur eine Garderobe, die sie sich alle teilen, und Will warnt mich, es könnten entsprechend Leute reinkommen und sich umziehen, während wir reden. Alle eilen rein und raus, schnappen sich Klamotten, machen Tee, sagen Hallo. Die ganze Atmosphäre erinnert eher an eine Theatergarderobe als an den Backstage-Bereich eines Rockkonzerts. Sister Squares sind Miles Francis, Julie Shore, Jenny Shore und Sara Dobbs, und sie sind weit mehr als eine Backing-Band, weshalb es jetzt auch offiziell Will Butler + Sister Squares heißt und ihr neues Album auch diesen Titel trägt. Die Art, wie sie zusammen arbeiten ist neu und frisch, aber alle haben eine lange gemeinsame Vergangenheit, als Kindheitsfreunde und Highschool-Lieben, die schon ihr halbes Leben miteinander verbringen und zusammenarbeiten. Aber auch in kreativer Hinsicht ist die Verbindung im Laufe der Jahre enger geworden. Beim neuen Album haben sie mehr denn je als Kollektiv zusammengearbeitet, Will und Miles haben die Platte gemeinsam produziert und alle steuern Gesang bei, die drei Frauen fast wie Sirenen, schön und unheimlich zugleich. Es gibt viel Freude bei Will Butler + Sister Squares, aber auch viel Tiefgang und einen außergewöhnlichen Sinn für Kameradschaft, der sich auch darin zeigt, wie sie beim Soundcheck mühelos zwischen Scherzen und konzentrierter Arbeit wechseln.
Im Jahr 2022 gab Will Butler bekannt, dass er Arcade Fire verlässt, die Band, der er mehr als 20 Jahre lang angehört hatte. Er beschrieb es als die vielleicht schwerste Entscheidung seines Lebens. Wenn man ihn an diesem Abend trifft, umgeben von Freunden und Familie, die auf scheinbar beiläufige Weise eine Band gründen, und später vor einem Raum voller Menschen spielt, die offensichtlich jeden Moment ihrer atemberaubenden Performance zu schätzen wissen, sieht es so aus, als hätte er seinen glücklichsten Ort gefunden. Ich habe das Gefühl, dass ich es während unseres Gesprächs vielleicht ein bisschen zu oft wiederholt habe, aber es ist wirklich ziemlich cool.
Okay, zum Einstieg ein Geständnis. Ich muss sagen, von deinen drei Soloalben ist dieses hier mein liebstes.
Meins auch! (lacht)
Oder ist das jüngste Baby einem immer das liebste?
Ich meine, ich liebe „Policy“ und es ist großartig, aber es war von vornherein schneller und spielerischer, einfach so hingeworfen, nach dem Motto „hier ist das Ding“. Und das hier ist eine echte Band-Platte. Ich habe sie zusammen mit Miles und der Band gemacht. Es ist einfach dreidimensionaler. Ich liebe zweidimensionale Kunst. Aber ich liebe auch dreidimensionale Kunst (lacht).
Ich weiß, du arbeitest mit all diesen Leuten schon richtig lange zusammen. Aber das hier hört sich für mich noch mehr nach einer intensiven Zusammenarbeit an.
Es sind Menschen in einem Raum, es sind Stimmen in einem Raum. Und es sind verschiedene Stimmen in einem Raum. Ich meine, wir sind alle Freunde und haben eine gemeinsame Geschichte, aber man bekommt trotzdem das Gefühl, dass die Leute eine andere Perspektive haben. Ich glaube, das macht die Platte reicher.
Und ich habe gehört, dass du ursprünglich vorhattest, dich ganz allein in einem Keller zu verstecken und dein Ding zu machen…
Ich glaube, jeder in der Pandemie war so: „Nun, ich bin allein, was soll ich tun? Ich mache alleine Musik.“ Nun ja, nein… es macht nicht so viel Spaß, alleine Musik zu machen. Ich meine, es kann. Und einiges davon wurden auf die Platte übertragen. Ich habe einiges allein angefangen, aber dann habe ich es an Miles geschickt, ich habe es an Julie geschickt, wir haben es zerstückelt und als Zutaten verwendet. Das hat der Platte auch ein Gefühl von Geschichte gegeben. Es gibt ihr auch mehr Tiefe, da sie über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden ist.
Wir haben schon einmal darüber gesprochen. Mir hat immer gefallen, dass der physische Aspekt von Tanz ein so wichtiger Teil deiner Arbeit ist. Und ich habe das Gefühl, dass er auf dieser Platte noch mehr zum Tragen kommt.
Meine Frau Jenny, die auch in der Band ist – wir haben schon vor 20 Jahren in Chicago Tanzshows gemacht, auf dem College. Wir haben damals an einigen Sachen zusammengearbeitet, für mich ist das einfach ein roter Faden. Und sie und Sara, die auch in der Band ist, haben schon als Teenager zusammen Theater gespielt und getanzt, sozusagen seit ihrer Kindheit. Das geht sehr weit zurück und zieht sich durch eine lange Zeit hindurch.
Es ist auch ein mutiges Album, finde ich.
Ja, in der hinteren Hälfte wird es an ein paar Stellen ziemlich experimentell. Nach dem Motto: „Können wir das hier einbauen? Ja, können wir!“ Man kann sich durch das Album hindurch bewegen. Ich weiß nicht, es passt einfach zusammen… Ich liebe Platten, die man sich einfach so anhören kann, aber diese hier funktioniert am besten beim Joggen Park (lacht). Du folgst einem Beat, dann verlierst du dich für eine Minute, dann folgst du wieder einem Beat… sie funktioniert für mich am besten beim Laufen. Weißt du, manche Platten hört man am besten auf langen Fahrten durch die Nacht, und diese hier ist eine ziemlich gute Platte zum Laufen.
Neulich erst habe ich mich mit einem anderen Künstler über den Vergleich von Musik und Tanz unterhalten, und wir haben darüber diskutiert, welche von beiden die unbegrenztere Kunstform ist. Wie denkst du darüber?
Ich meine, beides geht weit zurück zu unseren Ursprüngen. Beide sind ziemlich tief im menschlichen Geist verankert, Musik und Bewegung und Bewegung und Musik. Beide haben… man kann ein naiver Tänzer oder ein naiver Musiker, oder man kann der am besten ausgebildete Musiker, der am besten ausgebildete Tänzer sein. Und es gibt verschiedene Ausdrucksformen, die man damit erreichen kann. Ich war immer mehr auf der Punk-Seite und mehr auf der Seite des naiven Ausdrucks. Schon allein der Klang, vor der Musik, sich durch Klang und Gesten auszudrücken, bevor man sich durch Musik und Tanz ausdrückt… Ich weiß nicht, Jenny und ich , wir haben Kinder. Wir haben einen elfjährigen Sohn und fünfjährige Zwillinge. Und einer der Zwillinge kann sich wirklich ganz natürlich durch Tanz ausdrücken. Seine Schwester tanzt zwar auch gerne, aber ihr Ausdruck liegt mehr in der Musik. Man kann nicht sagen, ob das angeboren oder erzogen ist. Es scheint individuell zu sein.
Es ist so interessant, zu sehen, welche Eigenschaften von einem sie auf natürliche Weise übernehmen.
Das ist wirklich interessant. Wir erziehen sie beide gleich, aber sie entwickeln sich unterschiedlich.
Weißt du, was meine Tochter gesagt hat, als ich dein Album zum ersten Mal angemacht habe? Sie meinte: „Oh, das haben wir lange nicht mehr gehört.“ Und ich meinte: „Hm, wir hören es gerade zum ersten Mal“ Sie meinte, es käme ihr total vertraut vor.
Ja (lacht). Ich glaube, es hat diesen Vibe, dass es sich alt und gleichzeitig neu anfühlt. Sie ist nicht die Einzige, die das sagt. Es fühlt sich nicht wie eine Bob Marley-Platte an, aber es fühlt sich irgendwie wie eine Bob Marley-Platte an (lacht). Es hat so etwas Vertrautes.
Es passt auch, dass du als deine Inspirationen Morrissey, Schostakowitsch und die Spotify Top 50 genannt hast. Das fand ich wirklich lustig. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas wie die Spotify Top 50 gibt.
Das ist interessant, oder? Es ist so bizarr! Manches davon ist Müll, manches ist interessanter Müll. Aber manches davon ist so avantgardistisch! Es kommt aus einer ganz anderen Welt, ganz anders, als ich jemals denken würde, wie man Musik macht. Und manchmal gibt es etwas wirklich Schönes, auf das sich die Leute ganz natürlich einlassen, und manchmal sind es einfach nur schreckliche Sachen, von denen ich nicht weiß, wie sie da gelandet sind. Ich finde das so interessant.
Ich kenne wirklich kaum etwas von dem, was da drin ist. Vor allem nicht bei den deutschen Top 50.
Ist das nicht verrückt? (lacht) Zum Teil liegt es am Alter, zum Teil an den Einstellungen, und zum Teil liegt es einfach daran, wie Kultur funktioniert. Es gibt große Dinge, die keinen großen Eindruck hinterlassen, aber Geld einbringen. Ist es nur Hintergrundmusik? Was bitte passiert da? Es ist wirklich mysteriös.
Die Kombination von Einflüssen klingt erst einmal seltsam, aber wenn man sich die Platte anhört, macht es absolut Sinn.
Ich glaube, wir haben alle versucht, an Dinge anzuknüpfen, mit denen wir aufgewachsen sind, aber nicht auf eine nostalgische Art. Nicht so, dass es damals besser war. Sondern einfach so: „Oh, wo kommt das denn her? Was ist denn da los?“ Das letzte Stück auf dem Album ist ein Nocturne von Chopin, das Julie seit 30 Jahren auf dem Klavier spielt. Dinge wie: „Oh, lass uns das mal probieren, das habe ich auf der Klarinette gespielt, als ich zehn war.“ Einfach so etwas, um etwas daraus zu machen. Ich versuche, dabei Nostalgie zu vermeiden. Jetzt bin ich da, wo ich bin, aber hier komme ich her. Ich versuche einfach… nicht dokumentarisch zu sein, sondern… poetisch dokumentarisch (lacht).
Ich liebe das. Ich habe ein ziemliches Problem mit Nostalgie. Und ich habe das Gefühl, dass das allgemeine Bedürfnis danach immer stärker zu werden scheint – vielleicht weil die Zeiten gerade so hart sind?
Es ist schwer zu sagen, ob es an den materiellen Bedingungen liegt oder an den kulturellen, psychischen Bedingungen… es ist schwer zu sagen. Oder liegt es einfach daran, wie das Internet funktioniert? In gewisser Weise fühlt es sich an, als würde die Kultur still stehen, aber gleichzeitig ist es, als würden tausend Blumen blühen. Es ist schwer zu verstehen! Mein Gehirn ist nicht groß genug, um es zu kapieren (lacht).
Was mich wirklich wütend macht, ist, wenn die Leute so tun, als gäbe es heute keine ernsthafte, gute Musik mehr. Als ob alles Gute gleich nach den 80ern aufgehört hätte. Das stimmt einfach nicht.
Es stimmt ganz und gar nicht. Es passieren so viele interessante Dinge, und vieles davon in einem Genre, das du nicht kennst und ich auch nicht kenne. Es passieren einfach Dinge. Es gibt coole Kids, die Sachen machen, es passiert, aber es bewegt sich definitiv anders. In den 80er Jahren haben sich die Dinge bewegt, und interessante Dinge bewegen sich heute nicht mehr so. Aber es ist da, es existiert. Und vielleicht gibt es sogar, absolut gesehen, mehr davon. Aber es gibt auch viel mehr Belangloses (lacht). Man muss sich mehr anstrengen, etwas zu entdecken. Oder vielleicht bin ich auch nur müder (lacht). Unser Elfjähriger nutzt Spotify schon seit fünf Jahren oder so und hat sich alles angehört, ist Links gefolgt und hat sich angehört was da kommt und mag Popmusik, aber auch ein paar echt schräge Sachen. Einfach alles durcheinander. Ich mag das, es fühlt sich cool an, es gibt da eine echte Beziehung. „Okay cool, du magst dies und du magst das. Wie hast du das gefunden?“ – „Oh, das war in einem YouTube-Video oder so…“ Das gefällt mir!
Ist es dir leicht gefallen, all diese Ideen und Gefühle musikalisch umzusetzen? Oder war es eher eine Herausforderung? Das Album hat durchaus seine düsteren Seiten, aber insgesamt klingt es für mich sehr leichtfüßig.
Es lief alles ziemlich mühelos. Ich meine, Miles und ich haben uns einfach in die Arbeit am Album gestürzt. Und als wir damit angefangen haben, haben wir nicht gewusst, was genau wir da tun. Wir hatten schon jahrelang zusammengearbeitet, aber noch nie auf diesem Niveau, und es lief wirklich sehr mühelos. Es war musikalisch unterhaltsam und aufregend. Julie hat uns Ideen geschickt, die wir aufregend fanden und die wir weiterentwickelt haben. Es war eine wahnsinnige Menge an Arbeit, aber eine sehr angenehme Arbeit. Wir mussten lustige Probleme lösen, keine düsteren Probleme. Selbst wenn der Song an sich düster ist, war es kein schreckliches Problem, das wir lösen mussten, sondern etwas Spannendes, das wir herausfinden wollten. Zumindest zum Großteil, denke ich (lacht). Es geht darum, voller Freude nach etwas zu streben und menschlich zu scheitern. Ich kenne viele depressive Menschen, die großartige Musik machen, das hat schon was für sich (lacht). Aber diese Crew… es ist lustig, wir gelten wohl als alt, um etwas Neues anzufangen, in gewisser Weise. Aber wir sind alle ziemlich frisch dabei. Es ist alles sehr offen, der ganze Prozess hat etwas Reines an sich. Es war wirklich angenehm. Ganz einfach, es war einfach keine Karriereentscheidung oder so. Wir versuchen, gemeinsam etwas zu machen, und wir versuchen herauszufinden, was so vor sich geht (lacht). Und wir kennen uns alle schon sehr lange, das ist alles sehr intim. Es ist wie: „Wir sind jemand, jetzt lasst uns etwas machen.“
Aber da wir gerade von Depressionen sprechen: Man kann die hohen Töne nicht treffen, wenn man nicht weiß, wie die tiefen Töne klingen, oder?
Ja. Man muss sich schon sehr anstrengen, um etwas zu erreichen. Ich meine, ich weiß nicht, manchmal werfen die Leute das Zeug auch einfach so raus (lacht). Aber irgendwoher muss die Arbeit ja kommen. Wie bei Kindern ist es eine Sache von Natur und Erziehung. Ich glaube, viele Leute, die an einem dunklen Ort sind und tolle Sachen machen, wären immer noch an diesem dunklen Ort, wenn sie keine tollen Sachen machen würden. Sie würden nur nichts Schönes machen. Es ist gut, dass sie etwas Schönes machen, auch wenn ich wünschte, sie wären glücklicher. Ich weiß nicht, ob es sie glücklicher machen würde, wenn sie nichts schaffen würden…
Ich bin so froh, dass wir uns wenigstens immer weiter von der Vorstellung entfernen, dass man Probleme haben muss, um ein glaubwürdiger Künstler zu sein.
Oder dass man ein schlechter Mensch sein muss. Nein, muss man nicht, wirklich… weißt du, manche Leute sind von Natur aus Idioten, und hoffentlich kann man ihnen verzeihen und hoffentlich sind sie keine ganz schlimmen Idioten. Aber man muss das wirklich nicht forcieren (lacht).
Ich bin fest davon überzeugt, dass es für jede Art von Kunst gut ist, ein positives, fruchtbares Arbeitsumfeld zu schaffen. Man muss nicht um der Sache willen leiden, dafür, um große Kunst zu machen.
Ich arbeite aktuell an einem Stück, das gerade am Broadway Premiere hatte, mit einem fantastischen Regisseur namens Daniel Aukin, dem es nur darum geht, den Schauspieler*innen ihre Freiheit zu lassen. Er macht das, was er machen will, aber er hält es lebendig. Man muss dem Prozess zustimmen, damit er lebendig bleibt. Man muss die Leute nicht brechen, um sie zu etwas zu formen. Man kann Menschen auf eine schönere Art und Weise zu etwas formen. Ich meine, es gibt verschiedene Arten, Theater zu machen, aber es war wunderbar, jemanden zu beobachten, dessen ganzer Prozess darin besteht, die Sache am Leben zu erhalten. Und es passt zu einer moderneren Auffassung von Zuwendung und Zustimmung und Grenzen. Das Stück ist großartig, und die Regie ist großartig, die Leute lieben es. Es heißt „Stereophonic“ und es bekommt wirklich tolle Kritiken. Es ist super cool. Es funktioniert, man kann das machen! Ich dachte, man kann das, und ja, man kann das (lacht).
Das ist so cool. Es scheint dir gerade wirklich richtig gut zu gehen.
(lacht) Danke. Nein, es ist wirklich verrückt.
Weißt du, wenn ich versuche herauszufinden, warum mich etwas berührt oder vielleicht auch nicht, dann betrachte ich das so: Du musst wissen, was deine Geschichte ist, was du erzählen willst. Und dann muss man die richtigen Mittel finden, um sie auszudrücken.
Ja, genau!
Große Abschlussfrage: Was würdest du sagen, ist deine Geschichte?
Oh Gott… (lacht) Zumindest in den USA gab es eine lange Phase des persönlichen Erzählens, der eigenen Geschichte und der Memoiren, und daraus sind einige erstaunliche Werke entstanden. Ich selbst stehe aber nicht in dieser Tradition. Aber was ich aus dieser Tradition mitgenommen habe, weil meine persönliche Geschichte in mancher Hinsicht außerordentlich langweilig ist… ich hatte eine Menge bedeutsamer künstlerischer Begegnungen. Begegnungen mit Musik oder besonders mit Büchern. Ich lese einfach die ganze Zeit Bücher, es ist furchtbar, ich lese einfach die ganze Zeit Bücher (lacht). Literatur formt deine Seele. Das ist so in etwa meine Geschichte: Wenn man mit elf Jahren Schostakowitsch hört, verändert das die Seele. Man hat etwas vom Russland des 20. Jahrhunderts in sich und ahnt, dass es so kompliziert ist, dass man es nie begreifen wird. Aber auch als Elfjähriger fühlt man etwas, das sehr unklar ist, aber man fühlt es! Ein großer Teil davon sind für mich die Dinge, die einen mit 16, 17, 18 Jahren berühren, wie das Radiohead-Album, das herauskam, als ich 18 war. Wie hat mich das beeinflusst? Ich habe viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen kennengelernt. Ich habe Teenager in Haiti getroffen, die Neil Young gehört und gesagt haben: „Ich will Akustikgitarre spielen!“ Ich habe mein inneres Selbst durch die Begegnung mit der Kunst aufgebaut. Rein als Geschichte kann das furchtbar langweilig sein (lacht). Aber wenn man es in ein Kunstwerk verwandelt, geht der Prozess hoffentlich weiter. Hoffentlich berührt es dann die Seele eines anderen Menschen, trägt zu seinem Konzept bei, zu seiner romantischen Reise. Ergibt das einen Sinn?
Das tut es auf jeden Fall. Vielen Dank, Will.
Foto © Alexa Viscius