Es ist durchaus als Versäumnis von unserer Seite aus zu sehen, dass wir an dieser Stelle noch nicht über „WAP“ gesprochen haben. Mit ihrem gemeinsamen Song kreierten Cardi B und Megan Thee Stallion eins der Medienereignisse des Jahres und riefen damit, besonders in ihrer Heimat, die Sittenwächter auf den Plan. Während die einen die amerikanischen Rapperinnen für ihre deftigen Lyrics und ihr selbstbewusstes Auftreten feierten, sahen andere den Untergang des christlichen Abendlandes herannahen.
Entsprechend geht die Bedeutung von Cardi Bs und Megan Thee Stallions Song über die einer erotischen Selbstbewusstseinshymne hinaus. „WAP“ hält dem stärker denn je christlich/konservativ geprägten Amerika schamlos den Spiegel vor und offenbart die dort herrschenden Double-Standards. Die Empörung über „WAP“ stammt nämlich von genau den Leuten, die Donald Trumps Kommentare über „pussy grabbing“ als typisch männlichen Locker-Room-Talk abtun. Boys will be boys – aber zwei Frauen, die Ansprüche in Hinblick auf ihre sexuelle Befriedigung stellen? Das geht nun wirklich zu weit.
Über die entstandene Diskussion dürften Cardi B und Megan Thee Stallion sich am Ende nur ins Fäustchen kichern. „WAP“ hält inzwischen den Rekord für das erfolgreichste Streaming-Debüt seit Beginn der Aufzeichnungen. Das dazugehörige Video sammelte innerhalb eines Monats mehr als 230 Millionen Klicks. Ob „WAP“ einen nun empört oder begeistert ist fast schon egal, man kommt zumindest nicht daran vorbei.
Man kann darüber diskutieren, wie musikalisch wertvoll „WAP“ überhaupt ist. Oder man kann das Ganze mit genau dem Augenzwinkern betrachten, mit dem Cardi B und Megan Thee Stallion es präsentieren. Die diebische Freude, die die beiden an ihren feucht-fröhlichen Lyrics und dem Tanzen in knappen Lackkostümen haben, ist nämlich das eigentlich Begeisternde an „WAP“. Und auch nicht zu vernachlässigen sei die Tatsache, dass, wenn wir schon über die Musik reden, die eigentliche Offenbarung hier Megan Thee Stallion ist. Obwohl sie neben Ikone Cardi B noch als Newcomerin dasteht, stellt sie ihre Mentorin was ihre Rap-Skills angeht, regelrecht in den Schatten. Ihr Flow scheint immer noch einen Schlenker mehr zu machen, in Tempo und Timing ist sie absolut on point.
Nun ist von Megan Thee Stallion der nächste Streich erschienen. In „Don’t Stop“ hat sie sich Unterstützung von Rapper Young Thug geholt, beim Video führte wieder Colin Tilley Regie, der bereits den Clip zu „WAP“ inszenierte. Entsprechend wirkt das Ganze wie die logische Fortsetzung. Cheeky lyrics, knallbunte Fetisch-Kostüme und eine Prise Humor – wer da nicht fröhlich und selbstbewusst mit dem Hintern wackelt, ist selbst Schuld.