Unsere Liebsten vom Reeperbahn Festival 2016

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Das Reeperbahn Festival – kein guter Ort für Entscheidungsunfreudige und Menschen, die strikt ihren Plan verfolgen. Vier Tage lang versammelten sich im Hamburger Vergnügungsviertel zwischen Touristen und Freudenlieferanten zum elften Mal Musikindustrietypen, Festivalbesucher und ein Haufen Musiker, vom Newcomer bis zum alten Hasen. Ich war auch da, arbeitete fleißig an meiner Spontanität und trainierte meinen schnellen Gang. Zuweilen wäre mir auch ein wenig Rugby- oder Footballtraining im Vorfeld zu Gute gekommen, wenn ich mal wieder hinter einer Gruppe Touristen, die über die Reeperbahn schlenderte festhing oder abends über die Große Freiheit vom Grünspan zum Molotow wollte oder vom Molotow zum Hostel, in dem schlief. Aber ich habe es überlebt, keine Anzeige wegen körperlicher Gewalt oder Beleidigung bekommen und viele schöne musikalische Eindrücke mitgebracht. Viele davon habe ich letztendlich auch dem Zufall zu verdanken und langen Schlangen, in die ich mich nicht einreihen wollte und stattdessen einfach in eine andere Venue gegangen bin. Meine liebsten Bands und Musiker habe ich hier mal zusammengestellt.

Da wären zum Beispiel die Österreicher von Hearts Hearts, die ich am Mittwoch Abend für mich entdeckt habe. Ein spontaner Besuch im Häkken beim Austrian Heartbeats Event. Ich kam mitten in ihrem Set und gleich war das Bedürfnis geweckt im Takt ihres Indietronic mit zu wippen, während ich mich auf der Couch neben der Bühne niederließ um mich etwas vom Tag zu erholen. Musik für jedes Bedürfnis sozusagen.

https://www.heartshearts.net/

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Ein bisschen verliebt habe ich mich in den Kanadier Poor Nameless Boy, den ich tagsüber beim Canadian Blast gesehen habe, und seinen Folk. Zum einen lächelt er oft, wenn er singt und auch wenn die Texte vielleicht nicht so happy sind. Zum anderen reißt seine Musik einen direkt mit, vereinnahmt einen mit seiner Musik und seiner Persönlichkeit. So war auch das Publikum bei der Outdoor Bühne von Astra „Zur Geilen Knolle“ erstaunlich ruhig und aufmerksam, während er hoch über allen seine Songs sang und viele machten auch noch mit, als er zum Mitsingen bei „River & Trees“ von seinem aktuellen Album „Bravery“ aufforderte. Vielleicht war ich aber auch nur laut genug für fünf.

https://www.poornamelessboy.com/

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Überhaupt waren die Kanadier wie üblich beim Reeperbahn Festival gut vertreten und manch eine wunderbare Neuentdeckung wie Northern Beauties, die wie der Name schon sagt total schöne Männer mit ordentlichen Bärten und wenigstens einer auch mit beneidenswert tollen langen Haaren sind. Und dann spielen sie auch noch so einen wunderbaren warmen Country und Folk, der mich direkt aus der Hektik des Festivals riss. Einen Gang runterschalten und mitfühlen und erneut das Herz verlieren.

https://www.wearenorthernbeauties.com/

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Es kommt auch vor, dass man seine Pläne für den Tag nicht völlig über den Haufen wirft und tatsächlich die Künstler sieht, die man sich im Vorfeld rausgesucht hat. Und dann sind sie irgendwie ganz anders als erwartet. Anders und besser. Das ist mir bei Pat Dam Smyth und Xavier Darcy passiert, die am Freitag Abend direkt hintereinander spielten, leider nicht in der gleichen Venue. Bei beiden habe ich ruhigeren Folk oder etwas in dieser Richtung erwartet. Bei Pat Dam Smyth bekam ich noch eine Portion Rock mit dazu, Xavier Darcy ist ein Showman vor dem Herren. Ich dachte ursprünglich, ich könne mich nach 10 Stunden Herumgerenne bei Xaviers Set endlich mal in eine Ecke setzen und die Musik genießen, stattdessen musste ich tanzen. Ein Glück. Sein Set wirkte wie ein doppelter Espresso.

https://www.facebook.com/PatDamSmyth/

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https://xavierdarcy.com/

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Da das diesjährige Partnerland die Niederlande waren, durfte natürlich auch eine Band aus diesem wunderbaren Land der Pfannkuchen und Poffertjes auf meinem Programmzettel nicht fehlen. Ich wählte Black Oak, die Band von Thijs Kuijken (I Am Oak) und Geert can der Velde (Black Atlantic). Die hätte ich allerdings auch gesehen, wenn sie nicht aus dem Partnerland kämen. Thijs Kuijken ist einfach wunderbar. Er braucht so wenig um eine Masse an Gefühlen zu transportieren. Es sind die leisen Töne, die alles sagen. Da fällt auch schon ein starker Kontrast zu Geerts Stimme auf, der viel mehr mit Lautstärke spielt. Während ihr Konzert im Molotow wie viele andere Konzerte, die Nachmittags stattfanden, immer leicht kurios wirkte – nicht wegen ihrer Musik oder ihres Auftritts an sich – der war absolut schön -, sondern wegen des Tageslichts. Ihr Konzert später am Abend in der St. Pauli Kirche war ein ganz besonderes Erlebnis. Für mich perfekt und eines der unvergesslichsten Erlebnisse des diesjährigen Festivals. Ich wurde förmlich eingezogen von ihrer Musik und bin wie benommen nach dem Konzert in mein Bett gewandert.

https://blackoaktheband.com/

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Es ist eigentlich eine kleine Herausforderung beim Reeperbahn Festival, nicht jedes Set einer geliebten Band mitzunehmen und sich stattdessen vielleicht stattdessen doch noch die eine oder andere neue Band anzusehen. Oder auch nicht. Manchmal muss man einfach dahin gehen, wo das Herz höherschlägt. Immer und immer wieder. Wer weiß schon wann die Australier Holy Holy zurück nach Deutschland kommen? Das ist ein weiter Weg und überhaupt war jedes der vier Konzerte der Rockband ganz anders als das davor. Sie haben semi-akustisch und Open Air beim NJoy Reeperbahn Bus auf dem Spielbudenplatz gespielt, kurz nach Mitternacht im viel zu kleinen Karatekeller vom Molotow. Da passte nicht mal mehr das Pedalboard von Gitarrist Oscar Dawson auf die Bühne und mit bewegen war auch nichts. Bei keinem. Nur der Schweiß konnte laufen. Es war mein letztes Konzert am Freitag und weil es so schön war, bin ich dann direkt zu ihrem nächsten Konzert um 12:30 Uhr am nächsten Morgen in der Skybar des Molotows gegangen. Es gab Platz und Tageslicht für alle. Und nachts dann wieder, aber mit weniger Platz im Publikum am gleichen Ort. Gut, das war vielleicht übertrieben, aber ihre Songs sind mitreißend und ich höre und sehe Oscar so gerne Gitarre spielen und Timothy Carroll singen und Ryan Strathie sieht hinter seinem Schlagzeug immer so wunderbar konzentriert aus. Das Reeperbahn beschließe ich traditionell mit einer Herzensband statt mit einem Experiment. Das war das beste Ende. Bis zum nächsten Jahr dann.

www.holyholymusic.com/
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Wer noch mehr Fotos von Bands wie Wovenhand, The Slow Show, Alma, Super Besse, Ben Caplan, Sturgill Simpson und anderen sehen will, kann bei Dörtes Flickr vorbeischauen.)